Rollenspiel
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Die Lernenden schlüpfen in verschiedene Rollen und spielen zusammen ein Szenario durch, welches für alle Beteiligten von Relevanz ist. Nach dem Spiel folgt mit distanziertem Blick auf die Rolle eine Auswertung im Plenum. Rollenspiele eignen sich gut, um Verhaltensweisen zu erproben, einzuüben oder die eigene kommunikative Kompetenz zu stärken.
Ziel/Idee
Rollenspiele sind eine interaktive Lernmethode, bei der Lernende in verschiedene Rollen schlüpfen, um realistische Szenarien nachzustellen und dabei wichtige Fähigkeiten zu entwickeln (Simulationssituation). Sie fördern das Verständnis für unterschiedliche Perspektiven, die Verbesserung sozialer und kommunikativer Kompetenzen sowie das Üben von Verhaltensweisen in einem sicheren Umfeld. Besonders wertvoll ist, dass die Lernenden Fehler machen können, ohne reale Konsequenzen zu befürchten – ideal für die Übung von schwierigen Gesprächen, Verhandlungen oder Konfliktlösungen.
Empirische Studien (also wissenschaftliche Untersuchungen, bei denen Daten durch Beobachtungen, Experimente oder Umfragen gesammelt und analysiert werden) und Meta-Analysen (bei denen mehrere Studien zu einem Thema zusammengefasst und ausgewertet werden) bestätigen die Wirksamkeit von Rollenspielen in Organisationen. Eine Untersuchung von Xu et al. (2023) fand heraus, dass Rollenspiele in der Ausbildung von Medizinstudierenden zu signifikanten Verbesserungen in praktischen Fähigkeiten führten, wie etwa der Kommunikation oder der Anamneseerhebung (das ist die Befragung eines Patienten, um Informationen über seine gesundheitliche Vorgeschichte und aktuelle Beschwerden zu sammeln). Auch eine Meta-Analyse von Fu und Li (2025) bekräftigte, dass Rollenspiele die Effizienz und das Lernen von Studierenden steigert – mit einer Effektstärke von 0,82, was bedeutet: Lernende mit Rollenspiel schnitten im Schnitt besser ab als rund 80 % derer, die ohne Rollenspiele in einer klassischen Lernsituation unterrichtet wurden. In einem weiteren Beispiel zeigten Chen et al. (2024), wie Rollenspieltrainings in der IT-Sicherheit dazu beitrugen, die Selbstwirksamkeit der Mitarbeitenden zu stärken und ihre Reaktionsfähigkeit in sicherheitsrelevanten Situationen zu verbessern. Während in der Kontrollgruppe insgesamt nur 18 von 105 Phishing-Mails gemeldet wurden, lag die Zahl nach dem Rollenspieltraining bei 47 – das entspricht mehr als einer Verdopplung des Meldeverhaltens, was für eine gestärkte Sicherheitskultur spricht. Trotz dieser positiven Erkenntnisse sollte der Einsatz der Methode regelmäßig auf seine Wirksamkeit überprüft und durch Feedback reflektiert werden.
Durchführung
Durchführungszeit: Abhängig von der Komplexität der Szenarien und der Anzahl der Lernenden, in der Regel zwischen 60 und 120 Minuten.
Ablauf:
- Kurze Einführung ins Konzept und den Ablauf. Zu Beginn erhalten die Lernenden eine Erklärung zu den Zielen des Rollenspiels und den jeweiligen Szenarien, die sie durchspielen werden. Dies könnte durch Simulationsszenarien geschehen, wie sie z. B. im Simulationslernen der Uniklinik RWTH Aachen verwendet werden – etwa das Üben von schwierigen Gesprächen mit Patienten.
- Zuweisung der Rollen: Die Lernenden übernehmen die jeweiligen Rollen (z. B. Arzt, Führungskraft, Mitarbeiter, Kunde, Trainer) und erhalten ein Szenario.
- Durchführung des Rollenspiels: Die Lernenden spielen das Szenario aus, wobei sie miteinander interagieren, Entscheidungen treffen und Probleme lösen.
- Reflexionsphase: Nach dem Rollenspiel wird gemeinsam im Plenum oder in kleinen Gruppen reflektiert, was gut funktioniert hat, welche Herausforderungen es gab und was man aus der Übung lernen konnte.
- Feedbackrunde: Gegenseitig konstruktives Feedback zur Durchführung des Rollenspiels ist zentraler Bestandteil, um aus Erfahrungen zu lernen. In einer Simulationsumgebung können auch Feedbacks von Simulationspatienten oder Beobachtern zur emotionalen und kommunikativen Kompetenz der Lernenden gegeben werden.
- De-Rolling: Prozess, bei dem die Lernenden nach einem Rollenspiel bewusst die übernommenen Rollen ablegen, um die emotionale Distanz wiederherzustellen. Dies kann durch einfache Rituale geschehen, wie das Ablegen von Requisiten, das Ausziehen von Kleidung oder eine körperliche Bewegung, um die Intensität der Rolle zu lösen. Der Zweck des De-Rolling ist es, den Übergang von der gespielten Rolle zur eigenen Identität zu ermöglichen und die emotionalen Belastungen zu reduzieren, die während des Rollenspiels entstanden sein könnten.
Fragen zur Vertiefung während oder nach dem Rollenspiel:
- Was habe ich aus der Rolle gelernt?
- Wie habe ich mich in dieser Situation gefühlt und warum?
- Was war besonders herausfordernd oder überraschend?
- Wie könnte ich das Verhalten aus dem Rollenspiel in der realen Situation anwenden?
- Welche alternativen Verhaltensweisen hätten in der Situation auch funktioniert?
Variationen
Rollentausch: Die Lernenden wechseln die Rollen und erleben das Szenario aus einer anderen Perspektive.
Gruppenrollenspiele: Ein Szenario wird von mehreren Lernenden in einer Gruppe gespielt, um die Dynamik innerhalb eines Teams oder einer Organisation zu simulieren.
Rollenspiele mit externem Feedback: Eine dritte Person (z. B. ein Beobachter oder Coach) gibt während oder nach dem Rollenspiel Feedback zu den Interaktionen der Lernenden.
Szenarien mit Eskalation: Das Szenario wird absichtlich so gestaltet, dass die Situation eskaliert und die Lernenden lernen müssen, damit umzugehen.
Rollenspiele mit KI: Rollenspiele mit KI können als innovative Methode genutzt werden, um realistische Szenarien zu simulieren, in denen Teilnehmer ihre Fähigkeiten im Umgang mit komplexen, dynamischen Situationen üben, während die KI flexibel auf unterschiedliche Handlungen und Reaktionen reagiert, um die Lernprozesse zu vertiefen.
Vorbereitung
Die Vorbereitungszeit variiert je nach Szenario und Lernendenzahl. Es erfordert Zeit, um die Szenarien zu entwickeln, Rollen zu definieren und die Ziele des Rollenspiels klar zu formulieren.
Festlegung des Szenarios und der Rollen: Jedes Rollenspiel braucht ein konkretes Szenario (z. B. ein schwieriges Trainining, Gespräch oder eine Verhandlung) und definierte Rollen (z. B. Chef, Kunde, Mitarbeiter, Arzt).
Erstellung von Hintergrundmaterial: Je nach Komplexität des Rollenspiels kann es hilfreich sein, den Lernenden Hintergrundinformationen, Ziele und Motive der jeweiligen Rollen zur Verfügung zu stellen.
Klärung der Beobachterrolle: Falls es Beobachtende gibt, sollte im Voraus festgelegt werden, was sie während des Spiels beobachten sollen (z. B. Kommunikationsstil, Problemlösungsansatz, Körpersprache).
Onsite:
Raumgestaltung: Der Raum sollte genügend Platz bieten, um verschiedene Rollenspiel-Szenarien durchzuführen. Möglicherweise benötigen die Lernenden verschiedene Ecken für ihre Szenarien oder auch Requisiten, die die Rollenspiele realistischer machen.
Moderation: Ein:e Moderator:in sorgt für den Ablauf des Rollenspiels, gibt Hinweise und achtet auf die Einhaltung des Zeitplans.
Beobachtung: Es kann hilfreich sein, wenn Trainer:innen oder Kolleg:innen das Rollenspiel beobachten und später Feedback geben.
Online:
Videokonferenzen/Avatarwelten: Rollenspiele können auch in virtuellen Meetings oder Avatarwelten durchgeführt werden. Hierbei müssen ebenfalls klare Rollen und ein strukturiertes Szenario kommuniziert werden.
Digitale Tools: Tools wie Padlet, Miro oder virtuelle Whiteboards können zur Visualisierung von Szenarien oder zur Dokumentation der Ergebnisse verwendet werden.
Breakout-Räume: In virtuellen Trainings können Breakout-Räume für kleinere Rollenspiele genutzt werden, die später in einem größeren Raum reflektiert werden.
Fallbeispiel - eigene Anwendung
Die Learning Architects der tts setzen die Methode Rollenspiel nicht nur in Kundenprojekten, sondern auch für die interne Weiterbildung ein, etwa um typische Herausforderungen und Szenarien in sychronen Formaten wie Trainings zu simulieren. Dabei übernehmen etwa Lernenende jeweils die Rolle als Trainierender, während die anderen Personen in die Rollen der Trainingsteilnehmenden schlüpfen, die bspw. angewiesen werden, bewusst Störungen oder Herausforderungen in das Szenario einzubringen (Szenario mit Eskalation).
Ziel des Rollenspiels ist es, die Trainierenden des Szenarios mit schwierigen, unvorhergesehenen Situationen zu konfrontieren und ihnen so die Möglichkeit zu geben, ihre Reaktionsfähigkeit und Problemlösungsfähigkeiten zu erproben. Im Anschluss an das Rollenspiel folgt eine Reflexions- und Feedbackrunde, in der die Lernenden konstruktive Rückmeldungen zu ihrem Verhalten und ihrer Reaktion auf die Störungen erhalten. Besonders wichtig ist dabei, nach der intensiven Übung die Rolle wieder abzulegen, um den Übergang vom Szenario zurück in den realen Kontext zu ermöglichen. Dieser Schritt hilft, die emotionale Distanz zu wahren und das Erlebte aus einer neuen Perspektive zu betrachten.
Anbei einmal ein kurzer Ausschnitt der Rollenbeschreibungen für das beschriebene Szenario (Rolle Trainer/Trainerin und Rolle Teilnehmender):
Rolle: Trainierender
"In diesem Rollenspiel leitest du gemeinsam mit einem Co-Trainer den Beginn eines 2-tägigen IT-Präsenztrainings für verschiedene Behörden des Landes Niedersachsen (ca. 8 Minuten). Stelle dir vor, du stehst vor einer Gruppe von Teilnehmenden, die zum ersten Mal mit der Software VIS Smart Client (der sogenannten elektronischen Akte; eAkte) arbeiten werden. Diese sitzen nun vor dir, und die Software ist bereits auf deren Rechner installiert. Ziel des Trainings ist es, die neue Software kennenzulernen, diese auszuprobieren und zu üben. Deine Aufgabe in den ersten Minuten ist es nun, die Teilnehmenden zu begrüßen, das Ziel des Trainings vorzustellen, die Vorteile der eAkte zu erläutern und mit ihnen gemeinsam die Software zu öffnen."
Rolle: Teilnehmender
"Du bist Teilnehmender im 2-tägigen IT-Präsenztraining für die Behörden des Landes Niedersachsen, das die neue Software „VIS Smart Client“ (eAkte) einführt und arbeitest in einer Behörde (etwa Polizei, in einem Ministerium, Bildungseinrichtung etc.). Deine Aufgabe ist es, den Trainer/die Trainierin in den ersten ca. 8 Minuten des Trainings aktiv herauszufordern, indem du technische Schwierigkeiten simulierst, Fragen stellst und störst. Du sitzt mit deinem Rechner im Training, die Software VIS Smart Client wurde bereits von der IT installiert."
Quellen und weiterführende Literatur
Günther, M. (2019). Pädagogisches Rollenspiel. Wissensbaustein und Leitfaden für die psychosoziale Praxis, Wiesbaden
Relevanz: Gutes deutsprachiges Einstiegsbuch in das Thema pädagogisches Rollenspiel.
Uniklinik RWTH Aachen (2023). Vicky sieht grün – im CT² Center for Teaching and Training. Abrufbar unter: https://www.youtube.com/watch?v=V4aKEEeA4Fo
Relevanz: Sehr gute Einblicke ins Simulationslernen und in Rollenspiele in der medizinischen Ausbildung.
Xu, L., Liu, W., Jiang, X., & Li, Y. (2023). Impact of using peer role-playing on the clinical skills performance of pediatric trainees. BMC Medical Education, 23, 654. https://doi.org/10.1186/s12909-023-04554-0bmcmededuc.biomedcentral.com
Relevanz: Diese Studie untersucht, wie Peer-Rollenspiele die klinischen Fähigkeiten von Medizinstudierenden verbessern können. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Methode die Kommunikation, Anamneseerhebung und klinische Fertigkeiten fördert. Obwohl der Fokus auf der medizinischen Ausbildung liegt, sind die Erkenntnisse auf andere organisatorische Trainingskontexte übertragbar.bmcmededuc.biomedcentral.com
Fu, X., & Li, Q. (2025). Effectiveness of role-play method: A meta-analysis. International Journal of Instruction, 18(1), 309-324. https://doi.org/10.29333/iji.2025.18117ae-iji.net
Relevanz: Diese Meta-Analyse bewertet die Wirksamkeit von Rollenspielmethoden im Bildungsbereich. Sie zeigt, dass Rollenspiele signifikante positive Effekte auf das Lernen haben, insbesondere in Bezug auf die Entwicklung praktischer Fähigkeiten. Die Ergebnisse sind für die Anwendung in Organisationskontexten von Bedeutung.
Chen, X., Sacré, M., Lenzini, G., Greiff, S., Distler, V., & Sergeeva, A. (2024). The effects of group discussion and role-playing training on self-efficacy, support-seeking, and reporting phishing emails: Evidence from a mixed-design experiment. https://doi.org/10.48550/arXiv.2402.11862arxiv.org
Relevanz: Diese Studie untersucht, wie Rollenspieltrainings die Selbstwirksamkeit und das Verhalten von Mitarbeitenden in Bezug auf Phishing-Angriffe beeinflussen. Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Rollenspielen in der Schulung von Sicherheitsverhalten in Organisationen.
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