Bessere Entscheidungen treffen mit dem Cynefin Framework

Das Wissensmanagement-Modell von Dave Snowden unterstützt uns dabei, Situationen in Hinblick auf ihre Komplexität richtig einzuschätzen und angemessen zu reagieren: Wann sind agile Lösungsansätze gefragt, wann klassische Handlungsweisen?
29. November 2019
4 min

In der VUCA-Welt werden wir immer öfter mit neuen, undurchschaubaren Problemen konfrontiert. Die Herausforderung: Hier helfen uns erprobte Lösungen nicht weiter, sie können das Problem sogar noch vergrößern. Außerdem besteht die Gefahr, dass wir komplexe Situationen zu stark vereinfachen.

Vor diesem Hintergrund müssen auch bewährte Qualifizierungsangebote auf den Prüfstand gestellt werden. Sind in einer Situation formale Lernmethoden das Mittel der Wahl, können in einer anderen agile Formen des Lernens deutlich zielführender sein.

Das Cynefin Framework

Um Situationen besser einordnen zu können und den jeweils effektivsten Lösungsansatz zu finden, hat Dave Snowden das Cynefin Framework (gesprochen: künéwin; walisisch für „Lebensraum“) entwickelt. Das Modell des walisischen Wissenschaftlers und Unternehmensberaters, der jahrelang für IBM tätig war, ordnet Situationen nach ihrer Komplexität.

Neben einem inneren Bereich der „Ungewissheit“ unterscheidet es vier Dimensionen: einfach, kompliziert, komplex und chaotisch. Jeder dieser vier Dimensionen ordnet es bestimmte Handlungsweisen zu, die besonders erfolgversprechend sind.

Vier Dimensionen des Cynefin Frameworks: einfach, kompliziert, komplex und chaotisch

Die vier Dimensionen

Einfach

Einfache Systeme sind kausal, die Beziehung von Ursache und Wirkung ist klar erkennbar. Deshalb gibt es auch nur einen sinnvollen Weg, um eine einfache Herausforderung bewältigen: Wir erkennen das Problem, kategorisieren es und reagieren dann, indem wir es „best practice“, also nach bewährtem Vorgehen, lösen.

Bekannte Methoden sowie formale Lehr- und Lernansätze führen in dieser Dimension in der Regel direkt zum Ziel.

Beispiel kaputte Glühbirne: Wir erkennen, dass sie nicht mehr leuchtet, und es gibt nur einen sinnvollen Weg, um dieses Problem zu beheben – den Austausch.

Kompliziert

Komplizierte Systeme sind zwar ebenfalls kausal, sie sind jedoch deutlich schwerer zu erfassen. Um bei einem komplizierten Problem den Zusammenhang von Ursache und Wirkung zu erkennen, bedarf es Fachwissen und Analyse. Auch wenn es gute Beispiele für das Gelingen ähnlicher Projekte gibt, muss in jeder Situation eine Einzelfallentscheidung getroffen werden.


Auch in diesem Umfeld sind klassische Lösungsansätze sowie formale Lehr- und Lernmethoden zu empfehlen.

Beispiel Hausbau: Durch sorgfältige Analyse von Bodenbeschaffenheit und Material sowie dem Einsatz einer Methode, die sich bei anderen Projekten bereits bewährt hat, wird das Bauvorhaben am Ende ein Erfolg.

Komplex

Deutlich unübersichtlicher wird es bei komplexen Systemen, bei denen sich erst im Nachhinein Zusammenhänge identifizieren lassen. In einem solchen Umfeld bedarf es agiler Lösungsansätze. Zügiges Handeln, Reflexion und die permanente Bereitschaft, das Vorgehen immer wieder an die sich verändernden Situation anzupassen ist zwingend erforderlich, um das Problem zu lösen. Darüber hinaus kann die Zusammenarbeit mit anderen Fachgebieten einen entscheidenden Vorteil bringen.

In dieser Dimension müssen wir experimentieren, offen sein für Irrtümer und aus Fehlern lernen. Vorgefertigte Lösungen sowie formale Lehr- und Lernarrangements helfen uns hier nur bedingt weiter, zu groß ist der Einfluss des jeweiligen Kontexts. Stattdessen befähigen uns eine gute Kommunikation sowie agile Formen des Lernens dazu, angemessen zu handeln – und eine umfassende Vernetzung ist dafür geradezu essenziell.

Beispiel Apollo 13: In dem Kinofilm geraten Astronauten in eine Krise. Um sie zu retten, müssen die Mitarbeiter des Kontrollzentrums mit den wenigen Mitteln, über die die Astronauten im All verfügen, eine Lösung entwickeln.

Chaotisch

Bei chaotischen Systemen ist zwischen Ursache und Wirkung keinerlei Beziehung mehr erkennbar. In dieser Dimension geht es primär darum, die Akutsituation zu stabilisieren. Da die in der Regel kaum vorhersehbar und höchst spezifisch ist, müssen via „Trial and Error“ neue Lösungsansätze entwickelt werden.

In solch einem Umfeld gilt es, schnell intuitive Entscheidungen treffen. Auch wenn wir uns auf solche Einzelfälle nicht konkret vorbereiten können, tragen eine solide Wissensbasis, eine gute Vernetzung sowie eine kreative Herangehensweise dazu bei, im „Ernstfall“ zügig den bestmöglichen Lösungsweg zu finden.

Beispiel Brand eines Wohnhauses: Die Bewohner haben keine Zeit, zu experimentieren oder aus Fehlern zu lernen. Sie folgen ihrem Impuls und versuchen, schnell und ohne lange zu überlegen, das Haus zu verlassen.

Solange wir nicht wissen, mit welcher dieser vier Dimensionen wir es zu tun haben, befinden wir uns laut Snowden im Bereich der „Ungewissheit“. Um gute Entscheidungen zu treffen, sollten wir uns vor der Wahl eines Handlungsmusters die jeweilige Situation bewusst machen und prüfen, ob dieses auch tatsächlich zur Lösung beiträgt. Ist das nämlich nicht der Fall, tragen wir im schlechtesten Fall noch dazu bei, dass das System kippt – und am Ende aus einer komplexen Situation ein chaotischer Zustand erwächst.

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