LERNLUST #22 // Vergesst das Vergessen, Ihr Talente!
Wie passend war es da, als ich vor einigen Jahren wieder von Hermann Ebbinghaus und der ihm zugeschriebenen Vergessenskurve gehört habe. Insbesondere als Trainer und Lernberater begegne ich ihr nun immer wieder, denn die berühmten 80% des Vergessens sind eine eingängige Zahl. Erinnern sie doch zu gern an Paretos 80/20 Regel. Doch es ist so ein Ding mit Zahlen und Statistiken. Oft werden sie aus dem Zusammenhang gerissen und dann als Wissen präsentiert. Genau das ist ein Grund, warum wir im LERNLUST Podcast auch über die Vergessenskurve kritisch reden möchten. Und vielleicht ist es gar kein Wunder, wenn wir im Corporate Learning Kontext dann schnell darauf kommen, auch über Talente zu sprechen, denn: Was machen diese Personen richtig, um ihr Wissen und ihre Fähigkeiten nicht zu vergessen?
Das ist unser Einstieg in ein weiteres umfassendes Themenfeld im Corporate Learning.
Shownotes
Host:
Susanne Dube, Teamlead Learning // LinkedIn
Gast:
Axel Lindhorst, Head of Learning Operations // LinkedIn
Die Vergessenskurve und Ihre Implikation in Kürze
Der Spiegel zu Erinnerungstechniken
Informationen zu Talent und der Theorie des bewussten Lernens
https://www.healthyhabits.de/talent/
https://www.healthyhabits.de/lernen/
https://en.wikipedia.org/wiki/Practice_(learning_method)#Deliberate_practice
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Transkript
[Intro]
Lernlust, der Podcast für alles rund ums Thema Corporate Learning. Wir sind Claudia Schütze und Susanne Dube und wir sind Learning Consultants bei der TTS und wir sind die Hosts dieses Podcastes. Und hier werden wir uns über Themen unseres Arbeitsbereiches miteinander austauschen, also alles, was Lernen in Organisationen heute und in der Zukunft betrifft. Und wir werden uns von Zeit zu Zeit interne oder auch externe Experten in unsere Runde einladen. Und wir freuen uns, wenn ihr dabei seid.
[Axel Lindhorst]
Vergesst das Vergessen.
[Susanne Dube]
Das tut richtig weh.
[Axel Lindhorst]
Ja, und wir wären ja eigentlich nur Maschinen. Wir wären ja Automaten, wenn wir jede Information speichern würden und könnten sie nicht mehr eigenständig selektieren, kuratieren und priorisieren.
[Susanne Dube]
Lernen braucht Zeit und Lernen braucht Raum und Lernen ist immer noch etwas, was im Kopf passiert.
[Axel Lindhorst]
Wir wären wahnsinnig.
[Susanne Dube]
Ich bin kein so wahnsinnig großer Fan von Mnemotechniken. Das Thema Talent. Wer ist denn gerade hip und modern?
[Axel Lindhorst]
Dua Lipa. Gibt es zum Beispiel jemanden, der mich fördert und der mir als Lernbegleiter zur Verfügung steht und mir Empfehlungen gibt? Das kann eine Person sein.
Das kann aber auch LXP sein, das mich mit Algorithmen unterstützt.
[Susanne Dube]
Dass jeder jede Fähigkeit erlangen kann, wenn er nur genug dafür trainiert.
[Axel Lindhorst]
Ich reflektiere über das Lernen. Ich weiß, wie ich mir meinen Lernprozess selber schon aufbaue, wie er für mich optimal ist.
[Susanne Dube]
Gut, dann sind wir jetzt fertig. Dann haben wir den Ebbinghaus jetzt ein bisschen auseinandergenommen. Schon seit einiger Zeit begegnet mir auf Messen, in Trainings, in Meetings das Gespenst der ebbinghausischen Vergessenskurve.
Sie ist kein Mythos, sondern Ergebnis einer Untersuchung. Und doch mag ich, als jemand, der sich dem Lernen verschrieben hat, mit einigen Deutungen zum Thema aufräumen. Denn wir vergessen nicht alles immer und sofort.
Vergessen ist da und wichtig, aber kein Totschlagargument gegen das Lernen. Und immer nur am Worst Case orientieren ist nicht mein Ding. Ich möchte mich an den Besten im Lernen orientieren.
Bei meiner Recherche hilft mir heute mein lieber Kollege Axel Lindhorst. Axel ist ein langjähriger Kollege bei TTS und war schon oft mit mir auf der Suche nach Missverständnissen im Lernen. Ich freue mich auf heute.
Hallo Axel, schön, dass wir uns wieder treffen.
[Axel Lindhorst]
Hallo Susanne.
[Susanne Dube]
Mensch Axel, du bist ein ganz, ganz altbekannter Gast und wir beide haben uns ja immer zur Aufgabe gemacht, ein bisschen die Neuromythen, die es da so gibt im Bereich Lernen, auseinanderzunehmen. Zumindest war das unser Start, den wir damals gesetzt hatten. Und ich glaube, heute wollen wir aber gar nicht wirklich auf Neuromythen an sich angehen, sondern auf falsch verstandene Statistiken.
Richtig?
[Axel Lindhorst]
Ja, das könnte man so sagen. Heute geht es uns vor allem um das Vergessen. Was ist eigentlich mit dem Vergessen?
[Susanne Dube]
Genau, wir wollen das Vergessen vergessen, weil wir uns ja das Lernen merken wollen. Da haben wir ja überlegt, dass wir vielleicht ganz gut einsteigen könnten mit dem Thema Ebbinghaus, weil diese Studie von dem Herrn Ebbinghaus ist ja eine, die uns im Unternehmen stark beschäftigt hat. Magst du uns kurz mal vielleicht erzählen, was er denn gesagt hat und was uns vielleicht daran so ein bisschen zum Nachdenken bringt?
[Axel Lindhorst]
Viele kennen wahrscheinlich die berühmte ebbinghausische Vergessenskurve, die besagt, dass wir, wenn wir trainieren, wenn wir lernen, innerhalb von bestimmten Zeiträumen eine gewisse Menge der Informationen vergessen. Und zwar, laut Ebbinghaus, erschreckend viel und erschreckend schnell. Nämlich innerhalb von einer Stunde schon fast die Hälfte.
Das ist viel. Ja, das ist viel. Und wenn man den Zeitraum ausweitet, kann man das beliebig skalieren.
Bis zu nach einem Monat haben wir sowieso bereits ungefähr 80 bis 90 Prozent der Inhalte, die wir gelernt haben, vergessen.
[Susanne Dube]
Genau, und das ist ja immer die Erschreckenszahl für Präsenztrainer, wenn man sie hört. Ja, 80 Prozent dessen, was du den Menschen erzählt hast in deinem Training, haben sie nach einer Woche oder nach einem Monat sowieso vergessen.
[Axel Lindhorst]
Das schockt erst mal.
[Susanne Dube]
Ja, das tut richtig weh.
[Axel Lindhorst]
Das ist ja auch die Grundlage für viele Lernarrangements und Performance-Support-Arrangements, dass man weiß, okay, die Leute vergessen so und so viel. Dann müssen wir sie später, zu späteren Zeitpunkten wieder abholen und unterstützen.
[Susanne Dube]
Genau, da müssen wir wieder rangehen. Aber jetzt lass uns mal den Ebbinghaus ein bisschen genauer angucken. Also, wie ist das denn mit dem Vergessen?
Grundsätzlich, glaube ich, waren wir uns ja beide einig, auch in den Vorgesprächen, dass wir gesagt haben, eigentlich ist ja Vergessen wichtig. Also, man sollte jetzt nicht denken, dass das so schrecklich ist, sondern es hat ja einen Grund, warum das Gehirn was vergisst.
[Axel Lindhorst]
Ja, Vergessen ist wichtig, weil es ein Selektionsprozess ist. Und wenn wir nicht überflüssige Erinnerungen, Informationen, Daten vergessen, also wieder verlieren, können wir neue zu diesen Themen nicht entsprechend aufnehmen. Und wir wären ja eigentlich nur Maschinen.
Wir wären ja Automaten, wenn wir jede Information speichern würden und könnten sie nicht mehr eigenständig selektieren, kuratieren und priorisieren.
[Susanne Dube]
Ganz genau. Also, ich glaube, uns würde der Kopf platzen, wenn wir wirklich alle Informationen, die wir jeden Tag bekommen.
[Axel Lindhorst]
Wir wären wahnsinnig.
[Susanne Dube]
Ja, glaube ich schon. Also, das funktioniert nicht so gut. Ich glaube, diese Möglichkeit braucht es eben auch, dass das Gehirn mal was vergessen kann.
Und das ist ja vielleicht auch so ein bisschen ein Punkt, den man bei Ebbinghaus so kritisieren kann, beziehungsweise nicht unbedingt kritisieren muss, sondern den man braucht zum Einwerten, nämlich dass man tatsächlich sagt, naja, was sollten sich die Leute denn merken im Ebbinghaus-Experiment?
[Axel Lindhorst]
Ja, das ist genau der Ansatz auch für die Kritik an Ebbinghaus. Da geht es um Wortpaare, also beziehungsweise Vokabeln. Und es geht auch einfach um bedeutungslose Silben, die gemerkt werden sollten.
Es geht um einzelne Wörter, Begriffe, Vokabeln und Silben. Und das ist nicht unbedingt die Art des Lernens. Es ist Vokabellernen.
Es ist eine Grundlage der Forschung für das Vokabellernen.
[Susanne Dube]
Genau. Wobei es ja nicht mal wirklich um Vokabeln ging, sondern es waren ja tatsächlich so Sinnlose Silben.
[Axel Lindhorst]
Es waren Sinnlose Silben, aber Vokabel in der Fremdsprache sind für uns auch erst mal Sinnlose Silben.
[Susanne Dube]
Das stimmt natürlich. Bis man die Sprache lernen kann. Und da kommen wir vielleicht auf einen Punkt.
Den haben ja zwei Forscher 1990 schon rausgefunden. Also, alle, die sich die 80 Prozent gemerkt haben, die sollten jetzt mal um die 20, 30 Jahre zurückdenken. Da war Christian Michel und Felix Nowak, so hießen die beiden.
Die haben noch mal genauer nachgeforscht und haben dann tatsächlich festgestellt, na ja, bei Prosa, bei Gedichten und bei Prinzipien sieht das Ganze ein bisschen anders aus. Da gibt es nämlich andere Vergessensraten. Ich habe es jetzt gerade mal so ein bisschen vor der Nase.
Axel, sag mir, wenn ich es falsch sage. Aber Prosa, also Texte, merken wir. Oder da vergessen wir 60 Prozent.
Also wir merken uns zumindest schon 40 Prozent und nicht nur die 20 im vergleichbaren Zeitraum. Gedichte fallen uns schon etwas einfacher. Wer ein Poesiealbum hatte, wird sich vielleicht auch heute noch an die alten Sprüche erinnern.
Da merken wir uns zumindest die Hälfte. Nämlich die, die gut sind wahrscheinlich. Und das Wichtigste an dieser Studie, was ich finde, sind die Prinzipien.
[Axel Lindhorst]
Das ist für uns wichtig, weil das Wissen, was wir im beruflichen Kontext vermitteln, ist am ehesten den Prinzipien ähnlich. Also wenn wir zum Beispiel im regulatorischen Umfeld Compliance E-Learnings machen, ja, da geht es auch um Prinzipien, die man sich merken muss. Was darf ich nicht tun?
Ich darf keine anderen Leute diskriminieren. Ich darf mich nicht bestechen lassen und so weiter. Das sind Prinzipien.
Und da sollen angeblich nur fünf Prozent verloren gehen innerhalb eines Monats, wenn ich das richtig übersehe.
[Susanne Dube]
Das stimmt. Wobei ich denke, bei Compliance, das finde ich gerade ein ganz schwieriges Beispiel, weil ich denke, für manche Leute sind das dann auch nur Vokabeln, Gedichte oder Poser. Da muss man dann in den Compliance E-Learnings oder Trainings oder WBTs dann eben schon auch das Prinzip dahinter klar machen, wo es herkommt und warum das wichtig ist.
Finde ich ein schönes Thema. Aber ja, du hast auf jeden Fall recht. Prinzipien, fünf Prozent.
Finde ich schon bemerkenswert, dass man sich da 95 Prozent dieser Prinzipien gut merkt, wenn man sie eben verstanden hat. Und das, finde ich, ist eine ganz, ganz wichtige Botschaft für uns, die da eben auch ins Lernen geht.
[Axel Lindhorst]
Denn wir haben es ja auch nicht nur mit Prinzipien zu tun, sondern mit Prozessen, Produkten und Abläufen, Aufgaben. Aufgaben, bei denen wir vermitteln wollen, wie die Lernenden sie am besten, zum Beispiel in einer Software, angehen.
[Susanne Dube]
Genau. Und vielleicht ist das dann der Punkt, wie sich ein Rechtsanwalt dann auch seine Sachen merken kann, weil die Gesetzmäßigkeiten ja doch bestimmten Prinzipien unterliegen. Wie sich auch ein Chirurg Dinge merken kann, weil der Körper ja doch einen Zusammenhang hat.
Denn das sind ja die Berufe, wo ich denke, wo so klassischer Performance Support, du hattest ihn vorhin zum Anfang kurz erwähnt, wo der nicht so gut funktioniert, wenn man in so einer Situation am offenen Herzen ist und wo man dann trotzdem schauen muss, dass man sich eben erinnert.
[Axel Lindhorst]
Kurz gesagt, wir nehmen an, dass die Art von Wissen, die wir im Corporate Learning vermitteln, nicht eins zu eins übertragbar ist auf diese Erwin-Hauser-Vergessen-Skurve. Wir gehen einfach von besseren Erfolgen aus, die wir durch Lernen und vor allem durch ausgefeilte Lernerrangements erzielen können. Das stimmt.
[Susanne Dube]
Gut, dann sind wir jetzt fertig. Dann haben wir den Ebbinghaus jetzt ein bisschen auseinandergenommen. Was heißt denn das jetzt für uns fürs Lernen?
Jetzt können wir ja trotzdem überlegen, okay, fünf Prozent vergessen, war trotzdem noch. Und das sind nicht immer nur alles Prinzipien, die wir haben. Manchmal ist es vielleicht doch mal eine Vokabel, die man eben doch sich merken muss, wenn ein System neu ist oder was ähnliches.
Doch eben Punkte, die uns nicht so einfach fallen. Und dann gibt es ja eben noch diese kleinen Sachen, die noch so an Punkten reinspielen in die Dinge, die ich mir merken oder vergessen will. Wie zum Beispiel, dass ich eben just in dem Moment, wo mir jemand ein neues Prinzip beibringt, aufgrund unbewusster Prozesse diesen Menschen gar nicht zuhören will.
Das heißt, natürlich gibt es Dinge, die uns aufs Vergessen bringen. Also das Vergessen bleibt trotzdem relevant und das ist trotzdem da. Also wir vergessen trotzdem Sachen.
Deswegen würde ich, abgesehen davon, wenn ich sage, es sind nicht 80 Prozent, die ich vergesse, sondern es sind überhaupt fünf Prozent oder eben auch 50 Prozent, die ich vergesse. Es ist ein bisschen mehr, was ich vergesse. Da würde ich trotzdem gerne drauf gehen wollen, zu schauen, wie kann man sich Sachen besser merken.
Da hat ja der Spiegel jetzt gestern oder heute einen ganz lustigen Artikel rausgebracht, wo er wieder an bestimmte Techniken erinnert wurde.
[Axel Lindhorst]
Ja, in der Tat. Das passt aktuell sehr gut zum Thema. Die Grundlage ist auch erstmal ausländisch lernen.
Also es geht um Informationen eigentlich oder um Ausländisches Lernen im Studium. Aber das ist natürlich für uns auch interessant. Die Themen, die Techniken, die dort angesprochen werden.
Es gibt drei Techniken, die vorgestellt werden. Eine ist zum Beispiel, dass man sich ein Gesamtbild macht. Global Picture heißt das.
Dann gibt es die berühmte Loki-Methode. Das ist auch eine Demo-Technik. Man verbindet Informationen mit bestimmten Orten in der Wohnung.
Und dann geht man durch die Wohnung und dann fallen einem die Infos wieder ein. Und dann gibt es noch die Feynman-Methode, die darauf abzielt, dass man Fragen anders stellt. Also Wissen anders aufbereitet, indem man Fragen anders stellt.
Und dann quasi konsolidiert gegenüber sich selbst oder noch viel besser, glaube ich, wenn ich das richtig verstehe, durch Peer-Learning. Also durch Austausch in einer Gruppe. Also schon Dinge, die wir natürlich auch ganz gut kennen und auch predigen sozusagen.
[Susanne Dube]
Genau. Ja, da sind wir dann auch immer schon ganz dran. Wobei, was ich tatsächlich durchaus kritisch sehe, ist, ich bin kein so wahnsinnig großer Fan von Demo-Techniken.
Jetzt kann man mich dafür wahrscheinlich schäten, aber ich bin ein großer Verteidiger vielleicht dieser Global Picture-Methode, wie du sie gerade genannt hast. Ich möchte gerne, dass Themen wirklich verstanden werden, weil ich davon überzeugt bin, dass nur dann, wenn ich etwas wirklich verstehe und wenn es für mich einen Sinn ergibt und wenn ich tatsächlich die Sachen auch für mich anwenden kann, dann habe ich etwas gelernt. Und dann wird es für mich in eine Kompetenz übergehen.
Dann wird es für mich in eine Fähigkeit übergehen. Dann werde ich es anwenden können in unterschiedlichen Kontexten und dann funktioniert es besser. Deswegen ist Auswendiglernen für mich immer nicht so das wirkliche Ziel.
Und du hattest Global Picture erwähnt gerade und vielleicht bin ich auch ein Mensch, der immer versucht, sehr global und sehr groß zu denken. Und als wir jetzt in der Vorbereitung zu dieser Podcast-Folge waren, habe ich überlegt, na ja, es geht ums Vergessen. Und tatsächlich für uns geht es ja aber nicht darum, dass wir immer nur über das Vergessen sprechen wollen, sondern über das Lernen.
Also wie können wir Sachen besonders gut lernen? Wie können wir besonders gut erinnern? Wie können wir da besonders gut werden?
Und da habe ich mir einen absoluten Gegenpol ausgedacht, nämlich den Gegenmythos, den ich gerade mal nennen will, und zwar das Thema Talent. Es gibt den Mythos, dass Talent angeboren sei. Ich glaube da nicht dran.
[Axel Lindhorst]
Dass Talent Gott gegeben bzw. Natur gegeben ist, sagen wir so. Das glauben wir nicht.
Genau.
[Susanne Dube]
Das glauben wir nicht. Ich kann ja vielleicht so aus meinem persönlichen Umfeld sprechen, wie ich darauf komme, daran nicht zu glauben und ihr zu sagen, stimmt alles gar nicht. Also mal abgesehen davon, dass die Recherche mich bestätigt hat, ist es tatsächlich so, dass ich, das kann ich vielleicht auch hier sagen, ich habe ein Kind und das Kind bastelt gerne.
Die bastelt gerne, die bastelt gut, die schreibt schön, die malt schön, die macht all diese Sachen besonders gut. Und die Leute sagen, oh, da hat sie ein Talent. Und ich habe das irgendwann mal einer Bekannten von mir erzählt und die hat dann gesagt, nee, nee, das ist nicht Talent, Susanne, du hast mit deinem Kind seit sie ein Jahr ist angefangen zu basteln und zu malen und das zu tun.
Und alle, die mich kennen, werden jetzt vielleicht lachen, aber mein Kind kann seit es zwei oder drei ist schon Fröbelsterne basteln und jetzt können alle googeln, was ein Fröbelstern ist. Ich habe mein Umfeld damit schon sehr genervt, aber mein Kind konnte das von Anfang an, andere können das mit 20 noch nicht. Von daher glaube ich tatsächlich, Talent ist etwas, was man sehr oft tut, wo man viel Energie reingesteckt hat, wo man geübt hat.
Deswegen würde ich sagen, das ist doch vielleicht etwas, wo man viel Kompetenz aufgebaut hat. Das ist etwas, wo man viel drüber gelernt hat. Von daher ist es doch der absolut wunderbare Gegenpol zum Vergessen.
Und ich habe mir überlegt, vielleicht schauen wir uns mal an, wie Talent entsteht, um vielleicht da herauszufinden, was können wir tun, damit Menschen sich Sachen besonders gut merken, beziehungsweise damit sie besonders gut ihre Kompetenzen aufbauen und überhaupt lernen können. Also was können wir von Talenten und daraus, wie sie Talente geworden sind, eigentlich lernen? Hast du Lust, mit mir darüber zu sprechen?
[Axel Lindhorst]
Talent ist deswegen das Gegenstück zum Vergessen, weil es wiederum auch auf Techniken und Methoden basiert, die das Vergessen vergessen lassen.
[Susanne Dube]
Ach, das hast du schön gesagt.
[Axel Lindhorst]
Naja, oder die das Vergessen ausgleichen.
[Susanne Dube]
Genau. Ich habe da im Vorfeld ein bisschen recherchiert gehabt und habe einen ganz großen Blogbeitrag gefunden, wo ich dem Herrn sehr, sehr danken möchte, der das geschrieben hat. Das ist Healthy Habits, heißt der Blog.
Der ist gar nicht so jung. Den Beitrag habe ich auch gelesen. Er ist schon fünf Jahre alt.
Warum haben wir uns nicht schon viel früher darüber unterhalten? Aber hier in diesem Beitrag zum Thema Talente, den wir gerne verlinken, wurden vier Merkmale herausgestellt, wo man sagen kann, das macht Talente zu Talenten. Und vielleicht, Axel, wenn du Lust hast, würden wir uns diese vier Merkmale mal angucken und würden sagen, können wir von den Talenten etwas für den Corporate-Kontext lernen?
Können wir da ein bisschen was rausziehen, wo wir sagen, das könnten Ideen sein, wie wir im Corporate-Umfeld auch lernen unterstützen könnten? Wäre das logisch?
[Axel Lindhorst]
Genau. Bisher haben wir von, sagen wir, außerberuflichen Kontexten eigentlich jetzt eher geredet. Das stimmt jetzt auch nicht so ganz, aber Fröbelsterne sind jetzt zum Beispiel nochmal privat.
Aber auch so musikalische oder sportliche Talente, also die von Kind auf gelernt, vermittelt werden in der Regel von Eltern, Elternfiguren, Trainern, Vorbildern. Und was können wir daraus schließen und wie können wir das übertragen auf unseren Corporate-Learning-Kontext? In unserem beruflichen Umfeld gibt es ja auch, wir sprechen ja auch von Talenten im HR.
Das heißt, wir fördern auch Talente. Was zeichnet die Talente aus? Wie sind sie dahin gekommen, dass sie Talente sind und wie bleiben sie Talente?
Und was wir dafür für Eigenschaften benötigen, wird in diesem Artikel aufgezeigt, zusammengestellt.
[Susanne Dube]
Ja, vielleicht braucht es auch ein bisschen größere Beispiele als mein Kind. Vielleicht können wir Mozart rausziehen, der war ein großes Talent. John Irving ist ein Talent, glaube ich.
Solche Leute haben auch Talent und die können wir da vielleicht, könnt ihr euch, die ihr dazu hört, vielleicht mal so in den Kopf holen, wenn wir jetzt ein bisschen weiterreden.
[Axel Lindhorst]
John K. Rowling und Michael Jackson wurden noch genannt.
[Susanne Dube]
Ja, die wurden noch genannt. Das war, wie gesagt, fünf Jahre alt. Ich weiß nicht, ob man sie heute noch nennen würde.
Ich vielleicht schon, andere nicht. Sind streitbare Talente. Schauen wir uns mal die Merkmale an.
Die sind ja vielleicht sogar noch wichtiger, wo wir mal gucken können. Und ich fange einfach von oben an.
[Sprecher 4]
Ja, fangen wir mal an mit dem ersten.
[Susanne Dube]
Also ein Merkmal, was rausgearbeitet wurde in diesem Blogbeitrag, war, dass Talente tatsächlich dynamisch denken. Was heißt das? Das heißt, dass sie davon ausgehen, dass jeder jede Fähigkeit erlangen kann, wenn er nur genug dafür trainiert.
[Axel Lindhorst]
So, jetzt können wir uns überlegen, was hat das mit uns zu tun im Corporate Learning? Was können wir überhaupt dazu beitragen, dass Leute dynamisch denken, dass Lernende dynamisch denken, dass Talents dynamisch denken?
[Susanne Dube]
Ja, tatsächlich laufen wir in so klassischen Corporate-Kontexten gegenläufig. In so ganz klassischen Strukturen ist es ja so, jemand sitzt auf einer Position und ja, man möchte, dass er sich da weiterentwickelt, aber ich sage mal, so themenbereichsübergreifend auch tätig zu werden, also nicht nur sich auszutauschen, sondern wirklich mal in einen anderen Bereich zu gehen, das ist in manchen Unternehmen ja noch gar nicht so modern.
[Axel Lindhorst]
Ich würde sagen, dass es in einigen Unternehmen wird das so gemacht, also die Job-Rotation.
[Susanne Dube]
Mittlerweile schon, also hat sich gut weiterentwickelt.
[Axel Lindhorst]
Aber noch nicht, aber wie du schon sagst, in den meisten ist es jetzt noch nicht angekommen.
[Susanne Dube]
Genau, aber das ist vielleicht genau der Punkt, dass man da überlegt, also offen zu bleiben, wirklich die Interessen von den Mitarbeitenden anzugucken und dann zu schauen, wo wollen sie vielleicht tätig sein und sie da rein schnuppern zu lassen, eben mit Optionen für Job-Rotation und ähnlichem, weil ich meine, das Job-Rotation hat ja noch viele andere Vorteile, dass man seine eigene Arbeit auch erweitern kann, dass man den Übergangsblick hat. Also das ist tatsächlich etwas, wo man drin steckt und ich glaube, dass man immer wieder als Mitarbeiter auch gefordert sein muss, so ein bisschen, dass man überhaupt merkt, okay, da kriege ich noch Lust auf.
[Axel Lindhorst]
Die Annahme, die da dahinter steckt, ist, dass man im Prinzip jede Fähigkeit erlangen kann, wenn man genug dafür trainiert, aber das muss man eben auch wollen. Und zu dem Punkt kommen wir auch noch.
[Susanne Dube]
Da kommen wir noch hin?
[Axel Lindhorst]
Ja, ich meine, ich kann jede Fähigkeit erlangen, wenn ich genug dafür trainiere, ist erstmal, ja, okay.
[Susanne Dube]
Ja, dann brauche ich Zeit dafür.
[Axel Lindhorst]
Genau, das ist der zweite Punkt. Und nicht nur Zeit, ich muss diese Zeit auch mit etwas füllen, was für mich sinnvoll ist und was mir was bringt. Ja, wir sind beim dritten Punkt gleich tatsächlich.
[Susanne Dube]
Ich nenne doch erstmal alle vier Punkte, damit die Leute immer wissen, wenn wir so kommentär springen. Also der erste, weil sie denken dynamisch. Der zweite ist, sie lernen bewusst über eine lange Zeit, wobei bewusst lernen da noch eine bestimmte Bedeutung hat.
Aber wenn ich bewusst lernen als bewusst lernen nehme, dann macht das für mich auch schon Sinn. Reden wir gleich noch drüber. Sie haben einen starken inneren Antrieb.
Da sind wir dann so ein bisschen im Thema Motivation. Da kommen dann so diese Klassiker wie Autonomie, Können, Sinnerfüllung, die wir auch schon alle öfter gehört haben. Und sie nutzen günstige Gelegenheiten.
Das finde ich auch einen sehr, sehr schönen Punkt. Also das brauchen wir. Wenn wir das machen in einem Thema, sind wir die größten Talente.
Also lasst uns Maler werden, Künstler oder im beruflichen Kontext tatsächlich weiterkommen. Also wir haben jetzt gesagt, okay, fürs dynamische Denken müssen wir, und da sind wahrscheinlich die Unternehmen selber gefragt, gar nicht, wieso aus dem Trainingsbereich, sondern generell Führungskräfte und ähnliches dafür sorgen, dass wir merken, wo die Interessen hingehen, dass wir dann eben auch die Fähigkeit unterstützen. Und da könnte man jetzt direkt zum vierten Punkt springen, nämlich günstige Gelegenheiten dafür suchen und auch anbieten.
[Axel Lindhorst]
Also günstige Gelegenheiten zum dynamischen Denken, zum sich weiterentwickeln, also zur Weiterentwicklung in einer eigenen Organisation. Aber günstige Gelegenheiten bedeutet auch, günstige Gelegenheiten, sich weiterzubilden.
[Susanne Dube]
Das stimmt. Und damit verknüpft sich schon Punkt vier mit Punkt drei. Also wir brauchen günstige Gelegenheiten, um dieses bewusste Lernen über eine lange Zeit zu ermöglichen.
Was könnten so Gelegenheiten sein im Unternehmenskontext? Was denkst du, Axel?
[Axel Lindhorst]
Das hat generell mit dem Lernumfeld zu tun. Was können günstige Gelegenheiten sein? Wir haben überlegt, gibt es zum Beispiel jemanden, der mich fördert und der mir als Lernbegleiter zur Verfügung steht und mir Empfehlungen gibt?
Das kann ja eine Person sein. Das kann aber auch auf moderne Art und Weise sein. Das kann LXP sein, das mich mit Algorithmen unterstützt, mit Lernerfehlungen, mit Kuration im Hintergrund.
Und aus diesen Möglichkeiten, die mir eröffnet werden, kann ich dann wiederum Gelegenheiten wahrnehmen, die mir weiterhelfen auf meinem langen Pfad, auf meinem langen Weg des bewussten Lernens, um mein Talent zu kompletieren, um meine Fähigkeiten zu kompletieren.
[Susanne Dube]
Ich finde ja auch, wenn wir über Gelegenheiten sprechen, dass tatsächlich solche Peer-to-Peer-Formate, wir haben es ja im Podcast schon öfter mal erwähnt, so das, was Claudia auch unterstützt mit ihrem Fridays for Learning, das wären ja so Gelegenheiten, die man nutzen kann, tatsächlich, um sich auch einem Talent zu widmen oder einer Fähigkeiten zu widmen.
[Axel Lindhorst]
Impulse von außen, die durch Peers kommen oder die auch durch Social Media entstehen, die können aufgenommen werden und weiterverfolgt werden.
[Susanne Dube]
Genau. Oder ich kann sie eben auch selber setzen, indem ich zum Beispiel sage, ich interessiere mich für ein Thema. Ich weiß noch gar nicht so richtig, ob das was für mich wird oder nicht, aber ich nutze mal die Gelegenheit, die ich da habe.
Es gibt einen Slot im Fridays for Learning und ich biete dazu eine Session an. Und ich hole mir die Leute, die mit mir darüber reden wollen und dann schaffe ich mir den Raum. Das ist ja so ein bisschen was, was auch bei diesen Working-out-loud, Learning-out-loud-Geschichten sind.
Du holst dir deine Leute, du holst dir den sozialen Kontakt und guckst, wen habe ich da, der mich unterstützen kann und nutze dann eben solche Optionen, die ich habe. Ich glaube, das sind dann schon so Gelegenheiten. Und LXP hast du ja auch schon genannt gehabt.
Genau. So und dann komme ich aber in diesen Punkt rein, wo ich dann das Lernen gestartet habe. Aber hier wird ja ganz bewusst gesagt, jemand lernt bewusst über eine lange Zeit.
Jetzt müssen wir vielleicht kurz erklären, was mit bewusst lernen gemeint ist.
[Axel Lindhorst]
Selbstgesteuert?
[Susanne Dube]
Selbstgesteuert, ja. Aber tatsächlich auch, dass man das so strukturiert, so dieses klassische Lernen. Ich fange bei den Grundlagen an und ich baue mir kleine Häppchen, in denen der Anfang, also dass ich jetzt nicht hingehe und zum Beispiel, wenn ich sage, ich möchte Gitarre lernen, dann würde ich nicht bewusst lernen, indem ich sage, ich nehme mir ein Lied von, wer ist denn gerade hip und modern?
[Axel Lindhorst]
Dua Lipa.
[Susanne Dube]
Dua Lipa kenne ich nicht, okay, aber von Dua Lipa, ich bin nicht hip und modern. Harry Styles. Harry Styles.
Nehme ich ein Lied und spiele das? Nein, sondern man fängt ja Gitarre oder Piano oder irgendwas an mit den Grundlagen. Also man guckt sich Noten an oder man spielt bestimmte Akkorde oder bestimmte Notenfolgen.
Man lernt erstmal, was C-Dur ist und C-Dur und weiß ich nicht, was es da so alles gibt und dann gehe ich erst weiter. Das wäre bewusstes Lernen.
[Axel Lindhorst]
Ich reflektiere über das Lernen. Ich reflektiere über das Lernen. Ich weiß, wie ich mir meinen Lernprozess selber schon aufbaue, wie er für mich optimal ist.
Das ist das bewusste Lernen. Natürlich, ich gehe von den Grundlagen zu den einzelnen Ausprägungen. Ich baue Wiederholungen ein.
Ich baue vielleicht Challenges ein, Kritik, durch die ich Inhalte reflektiere, Feedback. Und ich brauche jemanden, der mich dabei unterstützt, wenn ich in der Organisation tätig bin, nämlich im Prinzip das Management und auch die Mitarbeiter. Also ich brauche irgendeine Form von Umfeld, das funktioniert.
[Susanne Dube]
Genau. Und wenn ich dir gerade so zuhöre, dann ist das für mich die absolute Werbung, das absolute Marketing für wunderbare klassische Lernkonzepte, die wir uns natürlich auch ausdenken können, die es aber nicht bis zum Ende schaffen werden. Wahrscheinlich, weil wir ja diesen langen Zeitraum haben.
Das heißt, wo wir sagen, würden wir für das bewusste Lernen, können wir gute Lernkonzepte bauen, die den Grundstein legen und dem Lernenden dann helfen, mit einer guten Lernbegleitung das dann entsprechend weiterzuführen, um dann wirklich gut drin zu werden. Er muss kein super Talent sein, er oder sie. Ich muss immer aufpassen.
Bei mir ist er auch immer sie in der Sprache. Es tut mir leid, ich kriege das nicht immer gut hin, aber ich gebe mir Mühe.
[Axel Lindhorst]
Ja, wir kriegen das schon hin.
[Susanne Dube]
Ja, ihr erzieht mich schon gut. Also die Lernenden, dass sie da tatsächlich dann eben doch weiterkommen bis zu dem Grad, wie es für sie tatsächlich hilft. Den wichtigsten Punkt, den dritten, den haben wir noch nicht besprochen.
Das ist der starke Antrieb. Das ist die Motivation.
[Axel Lindhorst]
Ja, die Motivation, da hattest du es schon angedeutet. Es geht darum, dass man sich autonom fühlt beim Lernen und beim sich entwickeln. Wir hatten das als Können definiert oder angesprochen.
Vor allen Dingen, das bedeutet auch Mastership, Mastery. Also sich als wirklich kompetent auch selbst sieht und dass einem das auch eine Sinnerfüllung verschafft. So eine Art Flow, könnte man vielleicht auch noch sagen.
Also dass man sich in einer Zone befindet, beim Lernen und sich entwickeln, die positiv auf die Psyche auswirkt.
[Susanne Dube]
Und haben wir das denn im Unternehmenskontext immer tatsächlich, diese Motivation? Also das sind ja alles Sachen, die kommen so aus mir heraus.
[Axel Lindhorst]
Ja, das sind interne Faktoren. Wir haben eben schon über externe Faktoren gesprochen. Was steht uns zur Verfügung?
Gibt es Lernbegleiter? Gibt es Führungskräfte, die uns unterstützen? Gibt es Technologien, die uns unterstützen?
LXPs? Das hier sind innere Faktoren, die wir dem gegenüberstellen können und die das ergänzen müssen. Ja, sonst würde es nicht funktionieren.
Die kommen aus einem eigenen Interesse.
[Susanne Dube]
Und wenn ich mir jetzt aber wirklich so einen IT-Rollout vorstelle, aber vielleicht ist es dann auch am Thema vorbei und schon so weit. Aber wenn ich jetzt wirklich überlege, okay, ich komme irgendwohin, es gibt einen großen Rollout, neue Systeme kommen rein. Ist dann tatsächlich diese Autonomie gegeben, etwas lernen zu wollen?
Oder ist das dann eher ein Muss? Wie wird dann wohl der Antrieb von den Lernenden sein?
[Axel Lindhorst]
Na, dann sind wir bei Stichwort, ja, die Sinnerfüllung muss sich im Arbeitskontext ergeben. Und beim Stichwort User Adoption, also die Lernenden zu beteiligen an dem Prozess zum Beispiel einer Software-Einführung oder eines organisatorischen Change, um den Lernenden auf ihrem Weg früh mitzugeben, dass sie an einer Entwicklung beteiligt sind und dass sie davon profitieren. Ich glaube, das sind die beiden Hauptstichwörter, die man dann in dem Zusammenhang nennen kann.
[Susanne Dube]
Wobei ich glaube, dass das tatsächlich nichts ist, was ich Ihnen geben kann, sondern ich muss den Prozess, er muss, also erst mal muss, und das ist ja, glaube ich, auch eine Idee von User Adoption. Also ich würde ja das System nicht ändern, wenn es den Mitarbeitenden nichts bringt, sondern es soll den Mitarbeitenden was bringen und auch dem Unternehmen. Also vielleicht in erster Linie dem Unternehmen, aber auch den Mitarbeitenden.
Und dann die Kollegen so zu unterstützen, dass sie teilhaben dabei, also dass sie wirklich dabei sind und das mittragen, diese Veränderung. Und dann eben die Motivation rausholen, weil sie verstehen, wo es herkommt, weil sie vielleicht selbst mitbestimmt haben, welche Änderungen kommen, welche nicht, in welcher Form, weil sie im Change-Prozess mitgenommen wurden, mitnehmen. Ich weiß, ist nicht das ideale Wort dafür, aber am Ende ist es das, dass ich jemanden mit einpacke ins Projektteam und das Projektteam halt weitgreife und da dabei habe.
Ich glaube, dann habe ich wirklich die Autonomie auch dabei. Und das Können ist dann für den Antrieb natürlich, schließt wieder zurück auf diese Punkte, günstige Gelegenheiten zu geben, dass die eben da sind, dass jemand auch lernen kann. Und ich komme immer wieder auf diesen Faktor Zeit.
Wir leben in einer Zeit, in der gedacht wird, man kann Lernen schneller machen, in der gedacht wird, wir können Lernen effizient machen, in der gedacht wird, wir können Lernen so weit auslagern, dass es das Unternehmen gar nicht mehr merkt, das Mitarbeitende Lernen. Und ich glaube, ich bin fest davon überzeugt, Lernen braucht Zeit und Lernen braucht Raum und Lernen ist immer noch etwas, was im Kopf passiert. Deswegen müssen wir den Mitarbeitern, wenn wir wollen, dass sie gut sind, eben diese Zeit und diesen Raum auch geben.
Und dafür braucht es dann eben auch diese Peer-Formate, dafür braucht es das Mitdenken bei Systemrollouts in Form von User Adoption, dafür braucht es eben tatsächlich auch mal eine Offenheit, wenn ein Mitarbeiter Interesse hat.
[Axel Lindhorst]
Kein Wissen ohne Vorwissen. Das ist auch ein wichtiger Punkt in diesem Zusammenhang. Informationen kann ich nur aufnehmen und entsprechend kuratieren, also für mich nutzbar machen, wenn ich Vorwissen habe.
Ich brauche Grundlagen und ohne Grundlagen kann ich nicht einzelne Aufgaben bewältigen und Informationen oder Hilfen dazu finden, wenn ich nicht weiß, in welchem Arbeitskontext ich mich bewege und mir eben dieses entsprechende Vorwissen fehlt. Das ist, glaube ich, ein wichtiger Punkt, den ich immer gerne betonen möchte in diesem Zusammenhang. Vielleicht können wir das auch noch mal als eine der Erkenntnisse aus diesem Podcast mitnehmen.
Vielleicht können wir alles noch mal zum Schluss ein bisschen zusammenfassen.
[Susanne Dube]
Ja, du hast ja mit diesem Grundlagenwissen auch wieder den Bogen so ein bisschen zurückgeschlagen zu dem Vergessen.
[Axel Lindhorst]
Genau, wir sind vom Vergessen gekommen.
[Susanne Dube]
Genau, also vielleicht auch noch mal diesen Bogen zu Ende zu schlagen. Warum ich jetzt sage, das ist der Bogen zurück zum Vergessen. Tatsächlich, wenn wir Grundlagenwissen haben, an das wir neue Vokabeln, neues Wissen, neue Informationen andocken können, dann geht das in Richtung Prinzipien und dann wird das Vergessen nicht so stark sein, sondern dann werden wir uns die Dinge eher merken können.
Von daher haben wir dann jetzt wirklich gut diesen Kreis geschlossen, dass wir gesagt haben, wir sind vom Vergessen gekommen, haben gesagt, na ganz so schlimm wie Ebbinghaus es sagt, ist es wahrscheinlich im Unternehmenskontext nicht, aber Vergessen ist trotzdem ein Thema, was da ist und trotzdem müssen wir darauf achten, dass wir uns Dinge merken können. Da gibt es natürlich die Klassiker zum Auswendiglernen, die wir aus der Schule oder für Studium kennen. Wir glauben aber, ich zumindest, dass es für den Corporate-Kontext größer ist und da ich mich immer an großen Sachen orientiere, haben wir uns hier das Thema Talente noch mal vorgenommen und haben überlegt, was machen Talente richtig, also was macht jemand richtig, der ein Talent entwickelt hat, in dem Talent, das er da entwickelt hat und haben hier vier Merkmale herausgefunden, dynamisches Denken, bewusstes Lernen über eine lange Zeit, einen starken Antrieb und günstige Gelegenheiten und haben uns da jetzt ein bisschen ausgelassen, wie wir vielleicht im Unternehmenskontext das unterstützen können, wohl wissend, dass wir nicht nur Talente herausfiltern wollen, sondern einfach generell ein gutes Lernen ermöglichen wollen.
[Axel Lindhorst]
Ein gutes Lernen, genau. Und noch mal zusammenfassend vielleicht auf das, auf Ebbinghaus und die Vergessenskurve noch mal zurückzukommen. Wenn ich in eine Schulung gehe und mir werden Vokabeln vermittelt, unbekannte Vokabeln, unbekannte Silben, vielleicht die gar keinen Sinn ergeben möglicherweise und ich mir die merken soll, klar, dann vergesse ich die echt schnell.
Wenn ich aber zum Beispiel in eine SAP-Schulung gehe und ich kannte vorher gar keine SAP, aber ich kenne zumindest schon so etwas wie Software, weil ich Computer benutze. Ich weiß auch was über Geschäftsprozesse, weil ich einfach Geschäftsprozesse kenne, weil ich ein Einkäufer bin oder ich bin ein Logistiker oder Controller oder was auch immer. Das weiß ich auch und vielleicht habe ich sogar schon mal mit einer Business-Software gearbeitet.
Jetzt kommen wir aus einer ganz anderen Situation in so einer Schulung, die wir im beruflichen Kontext machen, üblicherweise. Es sei denn, ich bin halt kompletter Newbie, aber auch dann habe ich irgendeinen Hintergrund, schon irgendeinen Wissenshintergrund. Dann komme ich aus einer ganz anderen Situation, als wenn mir random Vokabeln oder Wörter oder Silben vorgelegt werden, die ich mir merken soll.
[Susanne Dube]
Genau und nichtsdestotrotz kann es passieren, dass ich immer noch ein bisschen was vergesse und wenn ich das tue, dann greifen ja zumindest im Software-Kontext wunderbare Performance-Support-Systeme, die man dann einsetzen kann, genau dann, wenn es darauf ankommt. Wunderbar, hat Spaß gemacht. Haben wir jetzt alles besprochen, was wir besprechen wollten, Axel?
[Axel Lindhorst]
Ja, klar. Wir haben über Vergessen gesprochen, wir haben über Talente gesprochen und wir haben über Wege gesprochen, wie wir das Vergessen, naja vergessen können, nicht vergessen können, im Lernprozess unterdrücken können.
[Susanne Dube]
Genau, unterdrücken können.
[Axel Lindhorst]
Und Talente fördern können.
[Susanne Dube]
Genau, Talente fördern, das finde ich sehr viel schöner, als sagen vergessen, unterdrücken. Auch ein Talent muss mal etwas vergessen, wenn es nicht mehr gebraucht wird. Vielleicht sollten wir noch mal irgendwann über das andere Vergessen sprechen, in einem anderen Podcast, nämlich darüber, warum es wichtig ist, Dinge auch zu vergessen, die nicht mehr up to date sind.
Du erinnerst dich, Windows 98.
[Axel Lindhorst]
Relearning.
[Susanne Dube]
Genau. Okay, dann sage ich jetzt schon mal vielen, vielen Dank, Axel. Ich hoffe, euch da draußen hat es Spaß gemacht, uns ein bisschen zuzuhören.
Mir hat es Spaß gemacht, mich dem Thema Vergessen und Talente zu widmen und wir, Axel und ich, wünschen euch eine tolle Zeit, oder?
[Axel Lindhorst]
Vielen Dank, ja, ich wünsche allen unseren Zuhörerinnen und Zuhörern eine schöne Zeit.
[Susanne Dube]
Bis bald.
[Axel Lindhorst]
Tschüssi.
[Susanne Dube]
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