LERNLUST #7 // Was sind Qualitätskriterien für gutes Lernen?
Menschen, die im Corporate Learning arbeiten, haben oft einen besonders hohen Qualitätsanspruch an sich selbst. Vielleicht ist das so, weil das Thema Lernen nicht nur wichtig, sondern im Unternehmenskontext oft unterschätzt wird. Doch was können tatsächlich Kriterien für gutes Lernen sein?
Mitarbeiter der tts haben sich dieser Frage bereits vor langer Zeit gewidmet. Die tts-Qualitätskriterien für gute Trainings sind die Antwort. Doch die Zeit dreht sich weiter. Müssen die Kriterien heute getauscht werden oder sind sie noch so valide wie damals vor mehr als 10 Jahren? Spannend, wenn ein Unternehmen seinen Standard schon so lange an wissenschaftlichen Erkenntnissen ausrichtet. Und umso spannender, diese immer wieder auch kritisch hinterfragen zu können.
Shownotes
Host:
Susanne Dube, Teamlead Learning // LinkedIn
Gast:
Gabriele Schröter-Jank, Learning Manager // LinkedIn
Der Link zur Basisliteratur…: https://www.cornelsen.de/produkte/praxisbuch-meyer-was-ist-guter-unterricht-15-auflage-buch-kartoniert-9783589220472
…und zu den tts-Qualitätskriterien für gutes Lernen: https://goto.tt-s.com/asset/la--qualitaetskriterien-fuer-gutes-lernen
Podcast zu 11 Thesen zur Entwicklung des Lernens in Organisationen mit Johannes Starke und Claudia Schütze: https://lernlust-podcast.podigee.io/5-lerntrends
Und hier noch ein Bezug zu den Prinzipien der Neurodidaktik: https://de.wikipedia.org/wiki/Neurodidaktik
Transkript
[Intro]
Lernlust, der Podcast für alles rund ums Thema Corporate Learning. Wir sind Claudia Schütze und Susanne Dube und wir sind Learning Consultants bei der tts und wir sind die Hosts dieses Podcastes. Und hier werden wir uns über Themen unseres Arbeitsbereiches miteinander austauschen, also alles was Lernen in Organisationen heute und in der Zukunft betrifft und wir werden uns von Zeit zu Zeit interne oder auch externe Experten in unsere Runde einladen.
Und wir freuen uns, wenn ihr dabei seid.
[Susanne Dube]
Die tts Qualitätskriterien für gutes Training gibt es mittlerweile seit über zehn Jahren. Damals wurden sie noch mit dem Fokus auf Präsenztrainings entwickelt. Die Formate haben sich seitdem gewandelt.
Nicht nur klassisches E-Learning kam dazu, auch welches Classroom Training und noch viel mehr. Die Qualitätskriterien haben sich weiterentwickelt. Im Moment ist es tatsächlich so, dass wir uns wieder in einer Phase der Veränderung befinden.
Das Lernen wird noch selbstorganisierter, die Produkte sollen noch schneller verfügbar sein, die Lernenden bestimmen mehr und mehr selbst und können aus einer Vielzahl von Angeboten entscheiden. Auch andere bemerken, dass das Lernen im Unternehmen sich im Wandel befindet und das bedeutet, dass es immer noch mehr Technik, noch mehr Methoden, noch mehr Formate gibt. Die Lernangebote werden sich also auch in Zukunft weiter verändern und das Thema Qualität bleibt eben eines auch bei tts.
Und genau deswegen und vor diesem Hintergrund habe ich Lust, einmal über die tts Qualitätskriterien für gute Trainings zu sprechen. Was sind sie? Wie sind sie entstanden?
Haben sie sich weiterentwickelt? Welche Bedeutung haben sie vielleicht für die Zukunft? Und ich bin sehr glücklich, dass sich dafür meine geschätzte Kollegin Gabriele Schutter-Jank mit mir aufs Kaffeeküchen so vertraut.
Viel Spaß beim Zuhören. Hallo liebe Gaby und hallo liebe Zuhörer, herzlich willkommen zum aktuellen Lernlust-Podcast. Heute zum Thema Qualitätskriterien und ich habe mir Gaby Schutter-Jank eingeladen.
Darf ich Gaby sagen?
[Gabriele Schröter-Jank]
Wie viele Jahre kennen wir uns?
[Susanne Dube]
Na 10. Gut und ich bin mal frech, Gaby. Ich stelle dich vor, was du für mich bist und du sagst mal am Ende, ob du dich wieder findest, ob du sagst, okay, ja, das könnte ich sein.
Und zwar, Gabriele Schutter-Jank, die ich nun seit zehn Jahren kenne, ist mein persönlicher Wissenspool. Sie ist systemische Denkerin, sie ist meine Auf-den-Punkt-Bringerin, sie ist Mathematikerin und das ist vielleicht auch etwas, was dazu führt, dass sie so viele Sachen auf den Punkt bringt. Und tatsächlich das Wichtigste für den heutigen Termin ist, sie ist eine der Urheberinnen der tts-Qualitätskriterien.
Und liebe Gaby, ach nein, erst mal eine Frage. Stimmt das so oder haut das so hin? Findest du dich wieder in meiner Beschreibung?
[Gabriele Schröter-Jank]
Naja, jetzt ein bisschen schon, weil ich natürlich so einen Hang habe zu diesen systemischen Geschichten, weil ich immer noch gerne mich mit irgendwelchen mathematischen Sachen beschäftige. Also insofern fühle ich mich da schon ein Stück auch beschrieben. Was ich für dich bin, kann ich natürlich nicht selber beurteilen.
Aber wenn du sagst, dass ich für dich der Wissenspool bin, dann ist das so. Das kann ich natürlich gut und gerne annehmen. Das ist ja gar keine Frage.
[Susanne Dube]
Sehr schön. Und jetzt habe ich tatsächlich als einen Punkt auch gesagt, du bist eine der Urheberinnen der tts-Qualitätskriterien. Und die sollen ja heute unser Thema so ein bisschen sein.
Wir hatten gesagt, wir wollen mal schauen, was ist das eigentlich? Wie sind wir dazu gekommen und was bedeuten die vielleicht auch in der heutigen Zeit? Denn vielleicht kannst du ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.
Wann sind die denn entstanden und wie seid ihr überhaupt dazu gekommen, euch mit dem Thema Qualitätskriterien zu beschäftigen?
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, das ist schon wirklich viele Jahre her, dass wir uns damit beschäftigt haben. Und ich würde mich auch nicht als Urheberin davon bezeichnen, sondern wir sind eine Arbeitsgruppe gewesen von vier, fünf Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von tts. Und wir haben uns damals Gedanken gemacht, wie können wir eigentlich unseren Unterricht, den wir bei Kunden machen, wo wir ja IT-Systeme schulen, wie können wir den attraktiv machen?
Und wir hatten eigentlich sehr stark diese Motivation, zu sagen, wir müssen methodisch attraktiv arbeiten. Und irgendwann hatte ich aber den Punkt, und das ist schon etwas, was von mir gekommen ist, dass ich gesagt habe, allein die Auswahl von attraktiven, aktivierenden Methoden macht noch nicht automatisch guten Unterricht. Da gehört mehr dazu.
Und das war eigentlich so der Auslöser, dass wir gesagt haben, an was muss man denn im Umfeld noch denken, wenn Methoden alleine nicht guten Unterricht ausmachen. Und ich habe lange Jahre, ich habe Pädagogik studiert, habe viele Jahre bei Herbert Mayer studiert, Schulpädagoge in Oldenburg, den ich sehr, sehr schätze. Und der hatte ein Buch veröffentlicht über was ist guter Unterricht und hatte damit einige Studien ausgewertet, die entstanden sind damals im Umfeld dieser PISA-Krise, als es hieß in den Schulen, der Unterricht ist nicht gut genug, die Kinder lernen zu wenig.
Und der hat eine Metastudie sozusagen gemacht, also hat diese Studien ausgewertet und hat daraus zehn Kriterien für guten Unterricht abgeleitet. Und die haben wir uns vorgeknöpft, dann haben die abgeklappert und haben geguckt, passt das, was eigentlich für Schule gedacht ist, passt das auch allgemeiner auf die Durchführung, Planung von Präsenzunterricht im Wirtschaftskontext in Unternehmen. Und so ist das entstanden, dass wir von diesen zehn Merkmalen dann gesagt haben, 16 für uns haben wir identifiziert, damals wären für uns relevant.
[Susanne Dube]
Wir müssen, glaube ich, heute gar nicht so im Detail auf jedes Kriterium eingehen, nur da, wo es passt. Aber vielleicht kannst du mal die sechs nennen, die wir damals für wichtig gehalten haben und vielleicht auch die vier, die wir nicht für wichtig gehalten haben und auch warum genau die Entscheidung so gefallen ist.
[Gabriele Schröter-Jank]
Also wir haben gesagt, von diesen zehn Kriterien ist die Methodenvielfalt natürlich eines, was da auch eine Rolle spielte, was ja so unser Ansatzpunkt gewesen ist. Aber dazu gehörte auch eine klare Strukturierung von Unterricht. Das haben wir für wichtig gehalten und haben auch natürlich überlegt, wie wir das umsetzen können in unserem Kontext.
Lernförderliches Klima ist ein Thema gewesen. Die inhaltliche Passung, die ist bei Herbert Mayer, hieß die inhaltliche Klarheit. Wir haben inhaltliche Passung daraus gemacht, wo wir gesagt haben, es muss der Unterricht, das, was wir unterrichten, muss auf die Zielgruppen passen.
Wir müssen eine gute Bildungsbedarfsanalyse haben, müssen an den Inhalten arbeiten, die den Arbeitskontext der Teilnehmer betreffen, also daran andocken. Das ist das, was wir unter inhaltlicher Passung verstanden haben. Methodenvielfalt habe ich genannt.
Intelligentes Üben, also viele Übemöglichkeiten zu schaffen, die auch hier wieder sehr nah am Arbeitskontext der Teilnehmer sind. Intelligentes Üben aber auch insofern, dass wir methodisch attraktiv und unterschiedlich vorgehen, sodass man am System Dinge ausprobieren kann, aber auch über Inhalte reden kann und ganz unterschiedliche Übungszugänge zu den Themen, die wir behandeln, ermöglichen kann. Das sechste Kriterium war transparente Leistungserwartung.
Aus diesem Gedanken heraus eine klare Zielvorgabe den Teilnehmern mitgeben zu können, damit eine Zielorientierung und auch das anzukoppeln an das, was bei großen IT-Projekten an Change-Management notwendig ist, weil damit verändert sich ja Arbeit. Dass man auch sagen kann, an einer Schulung teilzunehmen und sich mit dem Inhalt auseinanderzusetzen, hat das Ziel, dass man hinterher auch tatsächlich im Unternehmen seine Arbeit gut machen kann, mit neuen Werkzeugen gut machen kann. Das ist eine Erwartung, die das Unternehmen auch an die Mitarbeiter und an die Mitarbeiterinnen hat.
Diese Ankopplung zu diesen Change-Aspekten, das war für uns auch ein wichtiges Kriterium.
[Susanne Dube]
Ja, das sind alles richtig spannende Punkte und über die vielen Jahre, die ich jetzt auch für tts gearbeitet habe, habe ich immer wieder festgestellt, dass sich diese Kriterien immer wieder bewahrheitet haben. Dass ich gemerkt habe, wenn ich ein Training wirklich nicht gut fand, dann hat entweder etwas in der Struktur quasi nicht gepasst oder wenn ich selbst an einem Training teilgenommen habe und mir war gar nicht klar, was wird von mir erwartet zum Beispiel, was ist das drin? Dann kann ich rückblickend natürlich auch sagen, klar, da hat an dieser Stelle vielleicht ein bisschen was gefehlt.
Du hast gerade einen wichtigen Punkt genannt. Du hast gesagt, wir machen Systemtraining. Vielleicht ist das eine wichtige Einordnung auch nochmal für die Kriterien oder würdest du sagen, die sind eigentlich allgemeingültig?
[Gabriele Schröter-Jank]
Ich glaube schon, dass die eine allgemeine Gültigkeit haben. Ich glaube, dass man sie, je nachdem was der Schulungsinhalt ist, wahrscheinlich ein bisschen anders beleuchten und austarieren wird. Aber ich glaube, dass auch wenn man andere Themen im Unterricht behandelt, dass trotz alledem so etwas wie, es muss inhaltlich passen, das Klima muss ein lernförderliches sein.
Es braucht eine klare Struktur, wie die Vorgehensweise in dem Kurs ist, dass das genauso wichtige Kriterien sind. Dass sich vielleicht die Methoden unterscheiden. Dass sich auch die Möglichkeiten, was kann ich an Übungssituationen anbieten, was kann man an Reflexionsmöglichkeiten anbieten.
Dass sich das unterscheidet von den Themen her. Dass man das von daher anders ausdeuten kann. Aber die Kriterien an sich sind für mich nach wie vor themenunabhängig.
[Susanne Dube]
Ja, das macht Sinn, so wie du das beschreibst. Jetzt hatten wir vorhin auch gesagt, vier Kriterien habt ihr ausgeblendet. Welche waren das und warum?
Vielleicht gab es ja einen Grund dafür.
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, gab es natürlich schon, weil man muss ja bedenken, dass dieses Buch von Hilbert entstanden ist in der Betrachtung von Unterricht in allgemeinbildenden Schulen. Und da ist zum Beispiel ein Punkt dabei gewesen, der nennt sich vorbereitete Umgebung. Wenn ich Lehrer an der Schule bin, dann kann ich natürlich einen Klassenraum gestalten.
Wenn ich Trainer in einem Wirtschaftsunternehmen oder für Wirtschaftsunternehmen bin, dann gehe ich, was ich in einem großen Chemiekonzern finde, einen Schulungsraum vor, der keine Fenster hat, wo die Wände grau sind, die Tische grau sind und der Fußboden dunkelgrau, voller PCs, Kabel, die irgendwo rumhängen. Da habe ich wenig Möglichkeiten, die Umgebung so vorzubereiten. Vor allen Dingen, wenn man von Ort zu Ort reist, hast du auch jetzt nicht Ausstattungsmöglichkeiten, die du mit dir schleppst, um einen Raum ansehnlich zu gestalten.
Manchmal weiß man gar nicht, wie der aussieht. Also von daher haben wir gesagt, das ist was, was wichtig wäre, aber was eigentlich nicht unbedingt in unseren Einflussmöglichkeiten liegt oder nur sehr begrenzt. Deswegen haben wir das ausgeblendet.
Wir haben ausgeblendet den Punkt sinnstiftendes Kommunizieren. Ein Punkt, den ich extrem wichtig finde, aber den haben wir sozusagen gekoppelt mit Methodenvielfalt. Wir haben gesagt, unsere aktivierenden Methoden, die wir entwickelt haben, die führen eigentlich mit dazu, dass man viele Möglichkeiten findet, miteinander zu kommunizieren, über das, was man lernt, zu reden.
Und deswegen haben wir das nicht als eigenen Punkt übernommen, als eigenes Kriterium.
[Susanne Dube]
Da grätsche ich jetzt mal rein, weil da finde ich es ganz wichtig, dass wir wirklich auch beachten, dass Methodenvielfalt ja nicht heißt, irgendwelche wilden Spiele oder sowas mit Teilnehmern zu spielen, einfach nur, damit sie Spaß am Training haben, sondern die sollen tatsächlich ja, und so betrachte ich das immer und ich glaube du auch, die haben ja schon eine Ausrichtung zum Ziel des Trainings oder zu dem, was ich eigentlich da behandeln will. Also nicht einfach nur, dass ich sage, ach, ich mache da jetzt mal ein Brainstorming, weil Brainstorming Spaß macht oder ich mache mal eine Klatschübung, weil eine Klatschübung Spaß macht oder sowas, sondern wenn, dann muss das einen Bezug zu dem haben, was ich tatsächlich tue.
Richtig.
[Gabriele Schröter-Jank]
Und deswegen, also Methoden sollten immer auch die Möglichkeit bieten, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über das, womit sie sich auseinandersetzen sollen in dem Kurs, dass sie sich darüber auch Gedanken machen, dass sie sich austauschen können, dass sie ins Reden kommen. Weil ich glaube, über das, was man lernt zu reden und zu kommunizieren, ist ein ganz wichtiger Baustein, um Dinge auch zu verinnerlichen und annehmen zu können. Also das ist nicht nur mit den Fingern auf der Tastatur eine Übung zu machen, sondern eben auch darüber in den Austausch zu gehen.
Und deswegen war das für uns so nah an der Methodenvielfalt, dass wir das tatsächlich nicht als einen eigenen Punkt aufgenommen haben. Auch weil wir gedacht haben, für uns sind zehn solche Kriterien, gute Kriterien, Qualitätskriterien, sind uns zu viel. Wir wollen das ein bisschen abspecken und uns so auf das Wesentliche konzentrieren.
Individuelles Fördern war zum Beispiel auch eines, was im Schulkontext natürlich auch nochmal eine andere Rolle spielt, weil wir da über einen langen Zeitraum mit Schülern zusammenarbeiten, über so ein ganzes Schuljahr. Und du natürlich dann auch Schüler anders kennenlernst, auch kennenlernen musst, wo ist ein bestimmter Förderbedarf, wo braucht jemand nochmal eine besondere Unterstützung. Das kannst du im Wirtschaftskontext, wenn du eine eintägige Schulung mit acht Erwachsenen hast, kommst du gar nicht dazu, dass du großindividuelle Fördermöglichkeiten entwickeln kannst.
Da geht man rum und hilft und unterstützt, wo es gebraucht wird, macht nochmal eine Erklärung mehr, wenn es notwendig ist. Aber es ist nicht so dieser Aspekt von, ich überlege mir jetzt, was individuell an Fördermöglichkeiten hier noch greifen kann, um jemandem das Lernen zu erleichtern.
[Susanne Dube]
Das ist ein sehr spannender Punkt, da komme ich auch gleich nochmal darauf zurück. Aber wir sind noch nicht mit allen durch, die ihr ausgeklammert habt.
[Gabriele Schröter-Jank]
Ein hoher Anteil echter Lernzeit, das war der vierte, den wir weggelassen haben. Auch der hing uns zu sehr mit der Methodenvielfalt zusammen, weil ein Satz von Methoden für uns immer das Ziel hatte, echte Lernzeit zu erhöhen. Also nicht nur Leute irgendwie zu bespaßen, sondern viel Lernen damit zu ermöglichen.
[Susanne Dube]
Wie lange habt ihr gebraucht? Ihr habt euch scheinbar sehr ausführlich damit beschäftigt. Wie lange habt ihr euch damit auseinandergesetzt, bevor ihr gesagt habt, das sind jetzt die, die wir wirklich nehmen wollen?
[Gabriele Schröter-Jank]
Ich weiß es nicht mehr genau. Wir haben immer wieder mal Meetings gehabt, wo wir zu viert den ganzen Tag zusammensaßen und gelesen haben, diskutiert haben, Gedanken ausgetauscht haben, kreative Phasen hatten. Wir haben bestimmt sechs, sieben solche Tage gehabt, wo wir uns über diese Themen auseinandersetzen konnten.
[Susanne Dube]
Ich frage das auch vor dem Hintergrund, weil ich tatsächlich das Gefühl habe, so in den letzten Monaten, viele Entwicklungen kommen Schlag auf Schlag auf Schlag auf Schlag auf Schlag. Und ich habe manchmal das Gefühl, dass ich mich gerne mal zurücknehmen würde und mir Zeit nehmen würde, um sowas konzeptionell zu durchdenken. Und ich glaube, tatsächlich etwas, was so nachhaltig auch meine Trainings geprägt hat und auch die Art und Weise, wie wir Training bei uns machen oder lernen bei uns gestalten, da kommen wir gleich noch mal ein bisschen tiefer dazu.
Ich glaube, es ist schon für mich schön zu sehen, dass ihr euch dafür auch Zeit genommen habt und auch eine gute Grundlage genommen habt.
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, also ich glaube, dass man, wenn man tatsächlich so, und für uns waren das grundlegende Themen, wenn man an solchen Themen arbeiten will, dass es wichtig ist, einen Austausch mit anderen zu haben, sich gegenseitig auch anzuregen, sich auch mal wechselseitig zu korrigieren. Wenn einer so auf eine Fährte abdriftet, wo man sagt, nee, das ist jetzt nicht wirklich zielführend, also dass man so Feedback und Resonanz hat. Das war wertvoll.
Es war wirklich wertvoll. Und ich hatte auch und ich denke, das ist anderen auch nicht anders gegangen, die da mitgewirkt haben. Wir hatten das Gefühl, dass was wir damals entwickelt haben, war als Teamleistung tatsächlich mehr, als jeder Einzelne von uns hätte erstellen können und denken können, sondern es ist wirklich ein Teamprodukt gewesen.
Und das hat uns auch stolz gemacht und das hat uns auch verbunden miteinander.
[Susanne Dube]
Das finde ich einen sehr, sehr, sehr, sehr schönen Gedanken. Den lasse ich jetzt auch einfach so stehen, weil ich den so schön finde. Ich habe vorhin noch etwas gehört und das bringt mich so ein bisschen auf meine nächste Frage, die ich mir aufgeschrieben habe.
Und zwar hattest du vorhin diesen Punkt individuelles Fördern genannt und hast gesagt, den haben wir ja bewusst rausgelassen, weil man das im Training nicht machen kann. Und rückblickend ist, finde ich das sehr, sehr spannend, das mal so rum zu betrachten, weil das ja auch eine Kritik an Training immer war. Warum ja dann jetzt heute das auch anders gesehen wird.
Das heißt, generell wäre für mich mal die Frage, wie hat sich denn deine Sicht auf das Lernen und auf die Qualitätskriterien in den letzten zehn Jahren verändert? Würdest du das heute alles noch genauso unterschreiben wie damals?
[Gabriele Schröter-Jank]
Also ich würde das, was wir damals gemacht haben, heute noch unterschreiben, wenn wir das beziehen auf die Durchführung von IT-Trainings im Wirtschaftskontext und auf Präsenztrainings. Ich glaube, dass das da immer noch richtig ist. Aber Lernen passiert heute eben nicht mehr so, sondern wir haben eine Entwicklung, die sehr stark digitale Lernmedien mit einbezieht in die Gestaltung von Lernprozessen.
Und damit werden andere Aspekte meiner Ansicht nach plötzlich wichtiger, die wir damals erst mal zur Seite gelegt haben, weil wir das nur auf Präsenzunterricht bezogen haben. Wenn wir zum Beispiel den Einsatz von Lernprogrammen, von WBTs, wenn man darüber nachdenkt, dann haben wir eine Lernsituation, wo Teilnehmer eigentlich für sich alleine ein Lernprogramm durchblicken. Und hier, glaube ich, ist ein wichtiger Aspekt, dass wir darüber nachdenken, wie man sinnstiftendes Kommunizieren, das war ja eines der Kriterien, die wir erst mal weggelegt hatten, wie man ein sinnstiftendes Kommunizieren ermöglichen kann in dem Lernen, das mit digitalen Medien passiert.
Dass das nicht in Inseln lernen wird, sondern dass das auch im Austausch mit anderen passieren kann. Also gerade da würde ich sehr stark mal dahin tendieren zu sagen, dieses Kriterium, das wir damals weggelegt haben, weil wir es auf Präsenzunterricht bezogen haben, wird im Kontext von digitalen Lernmedien für mich plötzlich sehr bedeutsam.
[Susanne Dube]
Ja, weil tatsächlich im Präsenzunterricht, da hast du ja vorhin ganz klar gesagt, da hat das zur Methodenvielfalt gehört, weil da redet man ja miteinander, aber wenn es um Selbstlernen geht, heißt Methodenvielfalt ja nicht zwingend, dass es der Austausch mit anderen ist. Und damit fehlt ja da ein ganz großer Teil. Das finde ich schon einen wichtigen Punkt, den du nennst.
Eine Sache erinnere ich mich auch noch, die ist uns im Vorgespräch aufgefallen. Ich hatte irgendwann mal ganz frech, als ich in das Virtual Classroom-Thema vorgeprescht bin, habe ich zu den sechs Qualitätskriterien vor ein paar Jahren ein Siegertest dazu gedichtet, weil ich das gut fand. Das hieß Ziel für entgenutzte Technik.
[Gabriele Schröter-Jank]
Genau, das korrespondiert ein bisschen mit dieser vorbereiteten Umgebung, wo ich vorhin gesagt habe, man hat graue Wände, graue Tische und viel Kabel in den Schulungsraum. Wenn du virtuell schulst, kannst du den Raum gestalten. Und da wird das plötzlich relevant.
Ja, also dieser Einsatz von den digitalen Möglichkeiten im Lernen bringt andere dieser Qualitätskriterien wieder stärker in den Vordergrund.
[Susanne Dube]
Ja, und gerade mit der zielführend eingesetzten Technik habe ich im Moment das Gefühl, es wird so viel Technik auf den Markt gebracht und immer wieder neu und verschiedenste Aspekte, die man gerade eben auch in diesen virtuellen, aber auch in den Selbstlernbereichen alle nutzen kann, wo ich tatsächlich gerne dieses zielführende immer mit drin habe. Das hat Hilbert Mayer nicht geschrieben, das ist so seine Dube. Genau.
Ja, ich habe noch einen weiteren Punkt so ein bisschen vorbereitet gehabt. Ich habe mal ein bisschen rechts und links geschaut gehabt. Es gibt, wir sind ja nicht die Einzigen, die mit Qualitätskriterien gearbeitet haben.
Gerade jetzt im Kontext, genau gerade im Kontext vom agilen Arbeiten und immer mehr selbst organisiertem Lernen weiß ich, dass unser geschätzter Kollege Johannes Starke, der hat seine elf Thesen zum guten Lernen oder zur Zukunft des Lernens aufgeschrieben. Es gibt zwölf, ja zwölf Prinzipien des Lernens, die sich aus der Neurodidaktik entwickelt haben. Ich habe die von Margret Arnott vor der Nase, die basieren so ein bisschen auf Renate Numela Cain tatsächlich.
Und ich bin die im Vorfeld mal durchgegangen und ich würde dir mal drei nennen und du sagst mal, ob dir spontan eins von unseren Kriterien da einfällt. So, wollen wir das mal so spielen? Das können wir mal probieren.
Okay. Und zwar ist eins der Kriterien, ich nehme mal ein schwieriges. Das fand ich nicht so einfach.
Ich challenge dich mal gleich mit dem Herz. Lernen. Lernprozesse sind effektiver, wenn die Interessen und Ideen der Lernenden berücksichtigt werden.
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, das ist so dieses sinnstiftende, das mit den Inhalten, das sich mit den Inhalten verbinden können muss. Das wird mich jetzt eher mal im Moment ist meine erste Assoziation nicht diese zehn Kriterien, über die wir gesprochen haben, sondern das, was mit Motivation für Lernen zusammenhängt, wie Motivation für Lernen entsteht. Und da ist natürlich ein ganz wesentlicher Aspekt, dass das, was ich lerne, für mich Sinn machen muss.
Passt am ehesten zu dem Kriterium der inhaltlichen Passung. Also der Inhalt, mit dem ich mich beschäftige, muss auf mich passen. Der muss mir Sinn geben.
Ich muss ein Gefühl dafür haben, dass das, was ich da lerne, mich in irgendeiner Weise weiterbringt. Man muss zur Entwicklung beitragen. Also das ist so inhaltliche Passung.
Oder wenn man an Motivationsgeschichten denkt, ist es der Sinngehalt, den ich daran erkennen kann.
[Susanne Dube]
Dann noch eins, was ich ein bisschen leichter fand. Lernen wird verbessert, wenn Zeit zum Reflektieren bleibt.
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, das ist Anteil hoher Lernzeit. Dass man Zeit hat, sich damit zu beschäftigen, ist ganz klar. Und eben auch so ein bisschen autonom und selbstgesteuert sich mit Inhalten beschäftigen können und dafür Zeit und Raum zu haben, das tun zu können.
Ja, das finde ich auch einen ganz wichtigen Aspekt davon. Das sind eigentlich immer nur, glaube ich, so andere Formulierungen, ein bisschen andere Ausleuchtung von dem, was in diesen zehn Kriterien eigentlich auch schon drinsteckt.
[Susanne Dube]
Ich glaube, das ist auch so der Punkt, der mir aufgefallen ist, als ich die zwölf Prinzipien gelesen habe. Die findet man übrigens bei Wikipedia ganz einfach. Von daher, wenn man Neurodidaktik eingibt, findet man das.
Von daher würde ich hier auch gar nicht noch tiefer reingehen. Mein Eindruck war in letzter Zeit, dass ich ganz oft das Gefühl hatte, ich bin kein Mensch, der immer viel Neues braucht, wenn ich die alten Sachen gut finde. Ich bin extrem konservativ und hatte da das Gefühl, oftmals konnte ich das, was ich an Entwicklungen draußen gelesen habe, auf unsere Qualitätskriterien beziehen.
Jetzt kann man aber natürlich sagen, ja, sie versucht, alles da reinzupressen. So soll es auch nicht sein, sondern ich möchte tatsächlich offen bleiben. Du hast vorhin noch einen Punkt genannt, du hast gesagt, das passt so ein bisschen zum Thema Motivation des Lernens.
Willst du das vielleicht auch noch mal in Bezug bringen zu den Qualitätskriterien?
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, da können wir gleich noch mal darüber nachdenken. Mir geht gerade ein anderer Gedanke noch durch den Kopf, der mir wichtig ist. Diese zehn Kriterien, mit denen wir uns beschäftigt haben, die von Herbert Meier kommen, das ist ja eigentlich nur ein, das ist ja nicht die Wahrheit.
Das ist ja nicht die Wirklichkeit, die da beschrieben wird. Sondern das ist ja eigentlich auch nur wieder ein Modell, das dazu dienen soll, beim Vorbereiten und Durchführen von Unterricht verschiedene Aspekte im Auge zu behalten. Und für mich als Trainerin eine Klarheit in mein Handeln aufzukriegen.
Insofern ist das ein Modell, das ich benutzen kann oder das man benutzen kann. Und es gibt andere Modelle, die auch versuchen zu erklären, wie Unterricht und wie Lernen erfolgreich funktionieren kann. Und die sind genauso gut und richtig.
Der Sinn und Zweck dieser Modelle oder Auflistungen von Kriterien ist aus meiner Sicht immer, Lernende und Lehrende zur Reflexion anzuregen. Und wenn sie denen dienlich sind, dann haben sie für mich auch einen Zweck erfüllt.
[Susanne Dube]
Genau, eigentlich stimme ich dir da voll und ganz zu. Was mir gerade so in den Kopf kommt, ist, dass ich tatsächlich in meinem Arbeitsleben diese Kriterien auch oft mit dazugenommen habe und versucht habe, sie in einem anderen Zweck zuzuführen. Also beispielsweise, wenn es um Virtual Classroom Training ging, habe ich ja versucht, nicht nur den Teil zu betrachten, der im virtuellen Klassenraum mit mir gemeinsam stattfindet, sondern auch den Teil, den die Lerner tatsächlich in der Selbstleihenphase haben.
Und ich behaupte jetzt einfach mal, dass eigentlich, wenn wir wollen, dass Menschen selbstgesteuert lernen, dann müssen wir ihnen helfen, selbstständig und selbstorganisiert diese zehn Kriterien für sich selbst zu erfüllen. Weil das ist ja dann wie Unterricht für sich selbst machen.
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, vielleicht sind es dann diese zehn Kriterien. Vielleicht würde man das auch ein bisschen anders beschreiben, aber man hätte genauso wieder eine Überlegung, was an Rahmenbedingungen notwendig ist. Was passieren kann im Setting von Lernprozessen und in der Gestaltung von Lernprozessen, die für die Lerner hilfreich und dienlich sind?
Und ob das jetzt diese zehn sind oder ob man sagt, von diesen zehn sind drei jetzt besonders relevant oder werden besonders relevant, das sei mal dahingestellt. Auf jeden Fall glaube ich, dass sie den Sinn haben, als Trainer, als Gestalter von Lernmöglichkeiten einfach ein bisschen breiter zu denken. Und nicht nur, ich muss irgendeinen Inhalt didaktisch aufbereiten und mit einer netten Methode versehen, sondern es braucht halt etwas mehr drumherum.
Und dieses mehr drumherum, diese Gedanken in die Breite zu bringen, das erfüllen für mich diese Überlegungen zu diesen Qualitätskriterien oder wie immer man das nennt.
[Susanne Dube]
Das finde ich einen tollen Gedanken und hatte gerade noch einen und eine letzte Frage, die ich dir stellen will. Und dann kommen wir, glaube ich, auch langsam zum Ende. Und das ist die, hast du das Gefühl, aus der heutigen Sicht, dir fehlt ein Kriterium?
[Gabriele Schröter-Jank]
Mir würde keins fehlen. Ich glaube, dass ich andere Schwerpunkte setzen würde heute. Also gerade in diesem zunehmenden Anspruch und Wunsch, selbst organisiert zu lernen, in dem, wo wir über agiles Lernen reden, wo also Lerner und Lernerinnen selber über Inhalte, Methoden, Zielrichtungen, Zeiten von Lernen bestimmen können sollen, wird für mich wichtiger so etwas wie, was ist die Unternehmensstrategie, was ist das Ziel eines Bereichs, wie wird das verkoppelt mit Lernen?
Also das, was eigentlich mal transparente Leistungserwartung war, dass das sehr viel stärker in Kommunikation kommen sollte, weil das den Orientierung, den inhaltlichen Orientierungsrahmen gibt, den ein Unternehmen setzen kann. Also insofern würde ich da heute nochmal ein stärkeres Augenmerk drauflegen. Ich würde auch ein stärkeres Augenmerk drauflegen auf das, was als sinnstiftendes Kommunizieren beschrieben ist, weil Lernen immer auch stattfinden wird im Austausch mit anderen, im Austausch mit Teamleitern, im Austausch mit Lernbegleitern, im Austausch mit Kollegen, mit anderen Lernern, die Lernerfahrungen machen, die Wissen bereitstellen.
Dieses ganze Wissensaustausch in Communities wird eine sehr hohe Bedeutung, eine viel stärkere Bedeutung noch kriegen, als wir das heute haben. Und eben dieses sinnstiftende Kommunizieren, das zu ermöglichen, das ist, glaube ich, wäre für mich heute wichtiger, dahin zu gucken und zu gucken, wie man das realisieren und unterstützen kann.
[Susanne Dube]
Super, das ist eigentlich ein guter Ausblick auf einen nächsten Podcast, den wir machen könnten, wo wir uns mal diesem einen Kriterium widmen und dann mal schauen, was machen wir damit im selbstorganisierten Lernen. Hättest du da Lust drauf?
[Gabriele Schröter-Jank]
Ja, das können wir gerne machen. Also ich merke auch jetzt, wo ich mit dir darüber rede, es gibt so viele Dinge, über die man sich austauschen kann und die eine Bedeutung haben. Und ich finde es irgendwie schön, dazu mal wieder ins Gespräch zu kommen und zu merken, dass es eine ganze Menge Gedanken gibt, die man lange nicht mehr ausgesprochen hat und die es aber wert sind, ausgesprochen zu werden.
[Susanne Dube]
Genau, und dafür bieten wir so ein kleines Medium mit dem Podcast, die Claudia und ich. Von daher sage ich für heute schon mal Danke für dich oder danke an dich, dass du dir die Zeit genommen hast. Das war sehr spannend, dir zuzuhören und sage für jetzt erst mal vielen, vielen Dank und auf Wiederhören, bis zum nächsten Mal.
Ja, danke auch an dich Susanne. Tschüss. Übrigens, habt ihr uns schon abonniert?
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