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Agiles Change Management: Es geht auch ohne großen Wurf

Wie schnell und erfolgreich Unternehmen auf Veränderungen reagieren können, sobald sie agile Methoden nutzen, das hat Corona gezeigt. Immer mehr Organisationen überdenken deshalb ihre Command-and-Control-Ansätze und orientieren sich an Konzepten des agilen Change Managements. Endlich!
14. August 2023
7 min
Katrin Kulkowski, Knowledge Transfer Consultant, tts Katrin Kulkowski

Mark Twain soll einmal gesagt haben: „Prognosen sind schwierig – vor allem, wenn sie die Zukunft betreffen.“ Dass Ausmaß und Tempo von Veränderungen in Zukunft weiter zunehmen werden, dürfte allerdings mehr als wahrscheinlich sein. Für Unternehmen wird Veränderungskompetenz damit zur vielleicht wichtigsten Schlüsselqualifikation in der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts.

Agiles Change Management ist notwendig

Schon jetzt sind Organisationen mit disruptiven Umbrüchen und hoher Planungsunsicherheit konfrontiert. Damit sie diesen Herausforderungen erfolgreich begegnen können, brauchen sie einfache, effiziente und vor allem neue Change-Konzepte.

Mit einer Erfolgsrate von etwa 30 Prozent scheint das traditionelle Change Management keine passenden Lösungen für den digitalen Wandel parat zu haben. Und es spricht wenig dafür, dass sich daran etwas ändern wird, solange am traditionellen Vorgehen festgehalten wird. Für Unternehmen wird es deshalb höchste Zeit, ihr Veränderungsmanagement von Grund auf neu zu denken. Um zu einer lernenden Organisation zu werden, müssen sie sich agil aufstellen - mit agilen Prinzipien und agilen Arbeitsweisen.

5 Gründe: darum scheitert traditionelles Change Management

In den meisten Fällen scheitern traditionelle Change-Konzepte an ihrer mangelnden Flexibilität und am Widerstand der Mitarbeitenden, weil beides in den klassischen Top-down-Ansätzen nur eine untergeordnete Rolle spielt.

An erster Stelle stehen für das Projektmanagement die unternehmerische Neujustierung, die damit verbundenen Ziele und die dafür nötigen Change-Maßnahmen auf der Basis von Best Practices. Dabei handelt es sich in der Regel um groß angelegte, komplexe Vorhaben, die vom Management minutiös geplant und über definierte Milestones im Rahmen von Top-down-Anweisungen linear umgesetzt werden.

Zwar bieten Veränderungsprojekte, die auf dem klassischen Wasserfall-Modell beruhen, den Vorteil, dass das Management über hohe Planungssicherheit verfügt, von Agilität kann dabei aber keine Rede sein. Jede Phase wird konsequent nach Plan durchgeführt. Iterative Zwischenschritte oder gar nachträgliche Korrekturen sind nicht vorgesehen – auch dann nicht, wenn sich die Ausgangssituation oder die Kundenanforderungen zwischenzeitlich geändert haben.

Zu dem Risiko, ein Change-Projekt auch dann durchzuziehen, wenn es bereits auf halber Strecke überholt ist, kommt ein weiteres hinzu: Nicht selten werden die Menschen, die den Wandel tragen, vom Management erst eingebunden, wenn die Planung bereits abgeschlossenen ist, oder sie werden vorab nur unzureichend informiert. Die Mitarbeiter:innen werden vor vollendete Tatsachen gestellt und sind vom geplanten Wandel entsprechend überrascht. Einige begrüßen ihn, andere reagieren mit Unverständnis, fühlen sich überfordert und lehnen die geplanten Maßnahmen rundweg ab. Zielgerichtete Kommunikation sieht anders aus!

Probleme lassen sich kaum beheben

Die damit verbundenen Probleme lassen sich kommunikativ kaum beheben, obwohl viele Unternehmen auf der gesamten Kommunikationsklaviatur spielen – vom Video-Event über Townhall-Meetings bis zu Einzelgesprächen. Denn: der Fehler liegt im System, sozusagen in der DNA des klassischen Change Managements.

So sind bei jedem Projekt die Fragen nach dem Was, Warum und Wie zu beantworten und an die Mitarbeiter:innen zu kommunizieren. Über Erfolg oder Misserfolg entscheidet, wie und wann diese Fragen beantwortet werden und wer kommuniziert – und zwar unabhängig von der Methode oder vom Thema. An diesem Punkt, nämlich an der Aufgabe, Veränderungsprojekte nachhaltig in der Unternehmenskultur zu verankern und ein agiles Mindset zu schaffen, scheitern viele Unternehmen jedoch.

Kontinuierlicher Kompetenzaufbau im Rahmen von Change-Prozessen
© tts - digital adoption solutions

Findet im Rahmen von Change-Prozessen ein kontinuierlicher Kompetenzaufbau statt, wandelt sich anfängliche Ablehnung in Neugier. Es entsteht der Wunsch, die neuen Anwendungen oder Prozesse in den eigenen Arbeitsalltag zu integrieren.

Was agiles Change Management anders macht

Anders als bei der klassischen Vorgehensweise gibt es in agilen Organisationen keine umfassende Vorausplanung und keinen Big Bang. Für Agile Change Manager ist Veränderung ein kontinuierliches Thema, ein Prozess, der in kleinen, iterativen Schritten abläuft und die betroffenen Menschen zu Beteiligten macht. Konkret bedeutet das: Die Mitarbeitenden gestalten die Veränderungen selbst und setzen sie Schritt für Schritt in einer für sie akzeptablen Geschwindigkeit um.

Grundidee des agilen Change Managements

Die Idee für diesen radikal neuen Ansatz geht auf das „Agile Manifest“, das „Agile Manifesto“ aus dem Jahr 2001 zurück, das eine Gruppe von Softwareentwicklern nach einem Netzwerkevent in Utah erarbeitet hat. Aus Frust über die viel zu große Zeitspanne zwischen der Äußerung eines Kundenwunsches und der Bereitstellung des fertigen Produkts formulierten sie Grundwerte, die zu den Eckpfeilern agiler Arbeit geworden sind:

  • Änderungen sind jederzeit willkommen, auch in späten Projektphasen.
  • Veränderungen werden nicht im großen Maßstab durchgeführt, sondern in kleinen Sprints, die nur wenige Wochen dauern.
  • Es werden keine detaillierten Lösungswege vorgegeben, sondern die einzelnen Schritte zum Ziel werden selbstverantwortlich erarbeitet, verbunden mit der dafür nötigen Unterstützung.
  • Im regelmäßigen Austausch werden Status quo und Optimierungsmöglichkeiten besprochen. Die Teams passen ihr Verhalten an die Gesprächsergebnisse an.

Zentraler Erfolgsfaktor agiler Veränderung

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor bei der sogenannten Agile Transformation ist die hohe Akzeptanz der beteiligten Mitarbeiter:innen. Auch das hat Methode: Wie in der agilen Produktentwicklung werden auch hier die erwünschten Auswirkungen der Maßnahmen nicht ausschließlich von oben vorgegeben, sondern über regelmäßige Feedback-Schleifen vom Team validiert. Zeigt sich bei der Erfolgsmessung, dass der erreichte Zwischenstand hinter den Erwartungen zurückbleibt und keine Akzeptanz findet, wird der Plan angepasst und revalidiert, bis das Ergebnis stimmt und das nächste Change-Projekt in Angriff genommen werden kann.

3 Schritte: Experimentieren, Lernen und Anpassen

Um geordnet ans jeweilige Projektziel zu kommen, bietet der Agile-Change-Zyklus Veränderungsmanagern und Führungskräften eine praktikable Gebrauchsanleitung, die sich in kleineren Teilprojekten testen lässt.

1. Hypothesen bilden und experimentieren

Der Kick-off beim Agile-Change-Kreislauf startet mit dem Aufstellen von Hypothesen auf Basis von Informationen, Erkenntnissen und den vorhandenen Optionen. Auf diese Weise lässt sich erkennen, welche Prozesse nicht rundlaufen, welche Maßnahmen sich anbieten und wo mit Fallstricken zu rechnen ist. Welche Option am Ende das Rennen macht, hängt von mehreren Variablen ab, etwa vom Kostenaufwand, den erzielbaren Quick Wins oder den möglichen Folgerisiken. Ist die Entscheidung im Team gefallen, geht es ans Experimentieren, das sich idealerweise am Design Thinking orientiert. Dabei gilt: Tempo ist wichtiger als Genauigkeit.

2. Lernen durch schnelles Feedback

Agiles Change Management ist adaptives Veränderungsmanagement und lebt von schnellem Feedback. Die unmittelbare Rückmeldung aller von der Neuerung betroffenen Menschen sorgt dafür, dass die Veränderungen methodisch und präzise an den tatsächlichen Bedarf oder an neue Gegebenheiten angepasst werden. Durch den täglichen Austausch von weiteren Informationen, Kommentaren und Kommentar-Antworten kann das Team schnell und flexibel reagieren – ohne von vorab festgelegten Plänen ausgebremst zu werden.

3. Kontinuierliche Verbesserung

Agilität im Veränderungsmanagement erhöht die Anpassungsfähigkeit aller Beteiligten, weil eine Kultur des kontinuierlichen Lernens gefördert wird. Anders als beim klassischen Vorgehen ist Veränderung hier keine einmalige Aktion, die nach dem Big Bang abgeschlossen ist. Agile Transformation ist vielmehr ein kontinuierlicher, Feedback-getriebener Prozess, der in kleinen Schritten an vielen Stellen zur Verbesserung und Weiterentwicklung der gesamten Organisation beiträgt. Dabei werden größere Risiken vermieden, und eine produktive Fehlerkultur wird etabliert, die neuen Freiraum für Innovation schafft. Kontinuierliche Trainings bzw. Schulungen und Coachings, beispielsweise durch Change Agents bzw. den Agile Coach oder Scrum Master, begleiten diesen Prozess.

Lean Management oder agiles Change Management?

Immer öfter fällt der Begriff „Lean Change Management“, wenn von agilem Change Management gesprochen wird, die Begriffe Agile und Lean Change Management werden häufig synonym verwendet. Tatsächlich lassen sich in methodischer Hinsicht kaum Unterschiede ausmachen. Dennoch gibt es sie. So orientiert sich die Lean-Variante an dem 2011 veröffentlichten Buch „The Lean Startup“ von Eric Ries, das Lösungen für möglichst kostensparende und risikofreie, aber dennoch effiziente Produktentwicklungen von Start-ups vorstellt.

Lean Change Management nutzt die kurzen und meist hierarchiefreien Wege in typischen Start-ups, um auch in völlig unvorhersehbaren, also nicht planbaren Situationen einen Ansatzpunkt zu finden, von dem aus Verbesserungen angestoßen werden können. Konkrete Vorgaben zum Vorgehen gibt es nicht. So können bei allen Projektschritten Tools, Methoden und Modelle aus dem agilen oder dem klassischen Change Management sowie aus der Systemtheorie oder der Neurowissenschaft zum Einsatz kommen. Unternehmen, die ihre Organisation agil weiterentwickeln oder umfassend digital aufstellen wollen, können sich also das Beste aus allen Welten für ihr Business aussuchen.

Fazit: Besser ohne großen Wurf

Agiles Change Management hat gerade heute eine Daseinsberechtigung, weil es den Unternehmen beim Umgang mit dem hohen Tempo der Veränderungen von Umwelt- und Rahmenbedingungen hilft. Beispiel Digitalisierung: Anders als die klassische Vorgehensweise, wirkt ein agiles Vorgehen während der digitalen Transformation geradezu wie eine Konstante. Denn die Veränderungen werden nicht mehr mit dem einen, ganz großen Wurf umgesetzt, sondern erfolgen mit dem digitalen Wandel Schritt für Schritt und werden jederzeit dynamisch an neue Situationen angepasst.

Wie das Vorgehen beim Thema Change Management im Einzelnen aussieht und ob der Schwerpunkt beispielsweise auf Agile oder Lean Change gelegt wird, liegt im Ermessen jedes einzelnen Unternehmens. Entscheidend ist in allen Fällen: Anfangen und gemeinsam Erfahrungen sammeln. Und, ganz wichtig: Keine Angst haben! Auch schlechte Erfahrungen sind wertvoll, weil sie zeigen, wie es besser geht. Wann wagen Sie den ersten Schritt?

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