KI in HR auf dem Prüfstand: Wo es läuft, wo es hakt
Wir beleuchten die aktuelle Rolle von Künstlicher Intelligenz (KI) im HR-Bereich und halten fest, dass ihr Potenzial bei vielen Unternehmen noch ungenutzt bleibt – trotz wachsender Offenheit. Erfolgreiche Praxisbeispiele wie der SAP-Chatbot „Joule“ oder KI-gestütztes Skill Management zeigen, wie KI HR-Prozesse effizienter und objektiver machen kann. Gleichzeitig bremsen Datenschutzbedenken, fehlendes Wissen, unklare Kosten und mangelnde Datenqualität den breiten Einsatz. Um die Kluft zwischen Potenzial und Realität zu schließen, empfehlen wir einen strategischen, schrittweisen Einstieg mit bewährten Anwendungen, guter Datenbasis und klarer Kommunikation.


KI – eine Bestandsaufnahme
KI kommt auf Touren
KI ist den Kinderschuhen entwachsen – und hat das Potenzial, HR nachhaltig zu verändern. Diese Realität ist jedoch noch nicht im Markt angekommen, wie die Studie Digital HR 2024 zeigt. Demnach kennen die meisten Unternehmen die Möglichkeiten von KI gar nicht. Nur wenige erproben einzelne KI-Funktionalitäten, und so gut wie kein Unternehmen setzt KI bislang flächendeckend ein. Gleichzeitig meinen zwei von drei Befragten, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, um KI im HR voranzutreiben. Handeln tun jedoch die wenigsten. Woher kommt diese Kluft zwischen Erwartung und Umsetzung?
KI in HR: Hype ist nicht gleich Nutzen
Licht ins Dunkel bringt der neueste Gartner Hype Cycle für HR Technology. Er zeigt, wie einzelne KI-Anwendungen verschiedene Reifegrade haben und daher unterschiedlich wahrgenommen bzw. bewertet werden. So versprechen sich Unternehmen etwa besonders viel von einem KI-unterstützten Skill Management – also dem Ansatz, die Fähigkeiten von Mitarbeitenden mittels KI identifizieren und analysieren zu lassen, um daraus maßgeschneiderte Empfehlungen für Weiterbildungen abzuleiten. Gleichzeitig ist noch gar nicht vollständig ersichtlich, welche Möglichkeiten sich damit für das Skill Management als Ganzes auftun.
Anders sieht es bei der Nutzung generativer KI aus, etwa bei Assistenztools. Sie werden bereits breit eingesetzt und machen besonders das Recruiting und Talent Acquisition effizienter und einfacher wie folgende Anwendungsbeispiele zeigen.
Jan Bitterli, Junior SAP Consultant
KI-Anwendungen machen HR-Prozesse effizienter und einfacher. Beste Beispiele sind Einsätze beim Recruiting und Talent Acquisition.
Multitalent Joule: Use Case Recruiting
Vielleicht die KI-Anwendung par excellence ist derzeit „Joule“, der Chatbot in SAP SuccessFactors. Er ist seit Neuestem auch in Microsoft Teams verfügbar. Dadurch wird der Recruiting-Prozess noch schneller und einfacher, denn HR-Verantwortliche und Führungskräfte können nun in MS Teams agieren und müssen nicht eigens in SAP SuccessFactors wechseln. Joule erinnert die Führungskraft so nicht nur an das Bewerbungsgespräch – sondern erstellt bei Bedarf auch gleich die passenden Interviewfragen.
Dass Joule noch mehr kann, zeigen die beiden Anwendungen Lohnausweis und Positionserstellung. Mitarbeitende können sich beispielsweise mit wenigen Klicks ihren Lohnausweis anzeigen lassen – jederzeit und für jeden Zeitraum. Dadurch sparen sie Zeit; zugleich wird das HR-Team entlastet. Gleiches gilt für die Positionserstellung. Was zuvor lästige Abstimmungschleifen zwischen HR und Führungskraft erforderte, geht jetzt innerhalb von Sekunden. Das beschleunigt den Recruiting-Prozess immens und hält ihn schlank.
Paradebeispiel Skill Management
Ähnlich hilfreich wie Joule in den genannten Anwendungen ist der KI-Einsatz beim Talent und Skill Matching. Der Clou: Die KI prüft, inwieweit die Skill-Angaben der Bewerber:innen mit den Anforderungen des Stellenprofils übereinstimmen. Das System zeigt die Kandidat:innen mit den besten Matches an, aber auch, welche Skills ihnen noch fehlen. Das beschleunigt den Auswahlprozess deutlich – und macht ihn im besten Fall objektiver, indem Verzerrungen durch subjektive Wahrnehmungen ausgeglichen und unterbunden werden.
Was KI ausbremst
So eindeutig die Vorteile von KI sind, so offensichtlich sind die Bedenken der Unternehmen hinsichtlich eines breiten Einsatzes von KI in HR. Diese Vorbehalte nehmen auch wir in unseren Gesprächen mit Kunden wahr. Sie betreffen unter anderem:
- Vorbehalte aufgrund des Datenschutzes. Da HR personenbezogene Daten verarbeitet, gilt der Datenschutz. Inwieweit ist dieser beim Einsatz von KI gewährleistet? Welche Folgen drohen bei Verstößen? Fragen, die es gerade auch aufgrund der unterschiedlichen Herangehensweisen und Vorgaben in Europa und in den USA zu beantworten gilt.
- Vorbehalte aufgrund von Intransparenz. Da bei KI-Anwendungen häufig klare Kontrollmechanismen fehlen, entsteht Misstrauen. Auch, weil die Alhorithmen hinter der KI verborgen bleibt. Zudem bangen viele durch den Einsatz von KI um ihren Arbeitsplatz.
- Vorbehalte aufgrund mangelnder Kompetenzen. Auch Nicht-Wissen erzeugt Misstrauen. Wie Umfragen und Studien belegen, ist KI einem Großteil der Belegschaft fremd. Folglich wissen sie auch nicht, wie damit umzugehen ist.
- Vorbehalte aufgrund unzureichender Datenqualität. Der Nutzen von KI steht und fällt mit der Qualität der zugrundeliegenden Daten. Je besser die Daten, desto größer sind die Vorteile. Das heißt, eine Investition in KI-Anwendungen lohnt sich erst, wenn die Datenqualität stimmt – und Verzerrungen ausgeschlossen werden können (siehe Skill Management und Recruiting).
- Vorbehalte aufgrund unklarer Kosten. Viele Unternehmen wollen zwar in KI-Anwendungen investieren. Allerdings sind die Kosten für viele nicht greifbar. Eine plausible Kosten-Nutzen-Rechnung ist schwierig, da sich der tatsächliche Nutzen erst später herauskristallisiert.
Sebastian Krebs, Managing Consultant
Der Hype um KI ist in eine Entwicklung übergegangen, die auch HR nachhaltig verändern wird. Unternehmen sollten daher jetzt handeln.
Eine Strategie entwickeln
Das Gebot der Stunde heißt handeln, klare Ziele setzen und eine Roadmap erstellen. Doch welche Maßnahmen haben Vorrang? Und welche langfristigen Ziele gibt es? Wir empfehlen Unternehmen, mit praxiserprobten KI-Anwendungen zu starten. Dazu zählen zum Beispiel das KI-gestützte Erstellen von Stellenanzeigen und die automatisierte Analyse von Lebensläufen, das sogenannte CV Screening. Solche Anwendungen bringen einen schnellen Mehrwert, was wiederum hilft, Akzeptanz aufzubauen und Vertrauen zu schaffen. Dieser Effekt lässt sich noch verstärken, wenn man die Einführung der Software-Module ehrlich und transparent kommuniziert und dabei die wichtigen Stakeholder einbindet.
Als Basis für den weiteren KI-Ausbau sollte die Datenqualität stimmen und es gilt, eine klare KI-Governance aufzubauen. Ein zentraler Bestandteil davon sind ethische Richtlinien, die Fragen beantworten wie: Welche Entscheidungen dürfen im Unternehmen durch KI getroffen werden? Wie ist die nötige Objektivität sichergestellt? Etc. Parallel dazu ist es wichtig, Weiterbildungsprogramme zu etablieren, um HR für KI fit zu machen. Dann öffnen sich für HR ganz neue Perspektiven mit dem Ergebnis: bessere HR-Prozesse und damit verbunden neue Aufgaben, Rollen und Strukturen. Jetzt ist der Zeitpunkt, damit zu beginnen.