Die vier Phasen einer erfolgreichen Learner Journey

Lernen ist kein einmaliges Training, sondern ein fortlaufender Prozess. Allzu oft endet die Reise jedoch in einer Sackgasse oder bevor das Lernziel erreicht ist. Daher ist es wichtig, bei der Konzeption der sogenannten „Learner Journey“ vier zentrale Phasen zu berücksichtigen.
11. September 2023
7 min

Von der „Individualreise“, bei der die Mitarbeitenden ihre eigene Lernroute planen, bis zur „Safari“ im Silicon Valley, bei der die Teilnehmer:innen in moderne Formen der Zusammenarbeit und Innovationsprozesse bei Start-ups hineinschnuppern können – Learner Journeys liegen im Corporate Learning voll im Trend. Allerdings zeigt die skizzierte Bandbreite: In den Unternehmen kursieren ganz unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie eine solche Journey eigentlich aussieht. Das spiegelt sich schon darin, dass die Begrifflichkeiten „Learner Journey“ und „Learning Journey“, wie auch in diesem Beitrag, meist synonym verwendet werden. Denn so anschaulich das Bild der Reise auch sein mag, so unterschiedlich wird es in der Praxis von den Unternehmen ausgelegt.

Was ist eine Learning Journey?

In einer Zeit, die von schnellen Wissenszyklen, hohem Produktivitätsdruck und diversifizierter Arbeitsgestaltung geprägt ist, sind vom Arbeiten abgekoppelte und zeitlich separierte Lernprozesse selten erfolgreich. Punktuelle Trainings allein reichen nicht aus, um Wissen und neue Kompetenzen wie die viel beschworenen „Future Skills“ agil und direkt im Arbeitsprozess zu erwerben. Eine Learning Journey begreift das Lernen daher sowohl als individuellen wie auch als sozialen Prozess. Das eröffnet eine neue Perspektive auf das Lernen selbst, aber auch auf die Werkzeuge und Lernformen.

Die Learner Journey zeichnet sich durch drei Merkmale aus:

  • Sie fokussiert nicht darauf, Lerninhalte in einem einzelnen Workshop, einem klassischen Weiterbildungskurs oder einem digitalen Training zu komprimieren. Stattdessen unterstützen didaktisch sinnvoll verknüpfte, digitale Lernangebote die Mitarbeiter:innen so lange, bis sie das neue Wissen verinnerlicht und die relevanten Kompetenzen aufgebaut haben und korrekt im Arbeitsalltag anwenden können.
  • Sie ist aus der Perspektive der Lernenden konzipiert. Die Mitarbeitenden können Route und Aktivitäten ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend auswählen, um den Lernprozess im eigenen Tempo zu durchlaufen und selbstbestimmt zum Ziel zu gelangen.
  • Sie ist keine Abfolge von Lernaktivitäten im Sinne eines vorgegebenen linearen Lernpfades in einem Learning-Management-System. Vielmehr beschreibt die Learning Journey alle Aktivitäten und Methoden, mit denen sich Mitarbeitende ein Thema erschließen, aneignen und schließlich anwenden. Dazu gehört, es mit eigenen Erfahrungen (z. B. Erwartungen und Bedenken) aufzuladen, sich mit Kolleg:innen auszutauschen und das Wissen mit anderen zu teilen.

Erfahrungen reflektieren, aus ihnen lernen und das neue Wissen in der Praxis anwenden, das braucht Zeit. Eine Learning Journey kann daher Wochen, Monate, manchmal sogar Jahre dauern.

Wo beginnt die Learning Journey – und wo hört sie auf?

Eine Learning Journey beginnt mit dem ersten Kontakt mit der Thematik und reicht über die initiale Lernphase und die tägliche Anwendung im Arbeitskontext bis zu dem Punkt, an dem die Lernenden das Sujet beherrschen und selbst zur Etablierung und Weiterentwicklung des Lernthemas oder Lernangebots beitragen.

Das Konzept geht somit weit über das formale Training hinaus. Das zugrunde liegende Verständnis des Lernprozesses orientiert sich an dem 70:20:10-Prinzip, das Morgan McCall, Robert W. Eichinger und Michael Lombardo bereits in den 1980er-Jahren entwickelt haben. Nach diesem Konzept erwirbt der Mensch – stark vereinfacht – seine Kompetenzen nur zu rund 10 Prozent durch traditionelle Methoden der Weiterbildung wie Seminare, E-Learning oder das Lesen eines Buches. Der Großteil des Lerntransfers, rund 90 Prozent, geschieht außerhalb des klassischen Lernkontexts, z. B. im Austausch mit anderen.

Endet die Reise vor dieser Diskussionsphase, steigt das Risiko des Scheiterns, das beobachten wir in der Praxis immer wieder. Fokussieren Unternehmen etwa bei der Einführung eines Collaboration-Tools wie Microsoft 365 in der Journey lediglich darauf, wie das Tool bedient wird, fehlt es an der wichtigen Phase des gemeinsamen, sozialen Lernens, der Aushandlung, wie das Tool im Arbeitsalltag angewendet werden soll, um die Zusammenarbeit zu verbessern. Mit dem Ergebnis, dass zwar individuelle Grundlagen geschult werden, die elementare Phase der gemeinsamen Arbeit aber nicht berücksichtigt ist. Infolgedessen werden unzählige Teams angelegt und sämtliche Kolleg:innen damit geflutet. Die Konsequenz: Verwirrung und Frustration, das Projekt kommt nicht zum „Fliegen“.

Wie entwickle ich eine erfolgreiche Learning Journey?

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Eine gute Learning Journey umfasst daher nicht nur die initiale Lernphase. Sie bezieht auch den Auslöser mit ein, die Anwendung im Arbeitsalltag sowie die Etablierung des Gelernten durch Teilen, Fördern und kontinuierliches Verbessern. Denn erst in diesen beiden letzten der insgesamt vier Phasen erfolgt der nachhaltige und für die spätere Wertschöpfung des Unternehmens entscheidende Praxistransfer.

Bevor wir als HR-Verantwortliche oder Learning Academy jedoch mit dem Design der vier zentralen Phasen beginnen, sollten wir uns mit der Vorplanung befassen. Folgende Punkte sind zu klären:

  • Wer sind die Lernenden?
    Eine Lernreise ist konsequent aus Sicht der Zielgruppe (Learner Personas) entwickelt. Inhalte und Methoden werden entsprechend der individuellen Bedürfnisse ausgewählt, wobei die Learning Experience zunehmend in den Vordergrund rückt, also personalisierte Lernlandschaften und -erlebnisse.
  • Was brauchen die Lernenden?
    Zur Entwicklung des Lernangebots ist eine umfassende Auseinandersetzung mit den Bedarfen und Bedürfnissen der Zielgruppe essenziell. Das geschieht durch Interviews und ggf. eine Untersuchung der Arbeitsrealitäten.
  • Wo geht die Reise hin?
    Welche strategischen oder Performance-Ziele der Organisation sollen unterstützt werden? Je klarer die Lernziele und der Kontext der Zielgruppen definiert sind, desto besser lässt sich ein didaktisch sinnvoller und ineinandergreifender Mix von Formaten (z. B. Blended Learning) und Methoden komponieren.

Aus den genannten Punkten wird deutlich: Die Entwicklung von Learner Personas ist ein zentraler Erfolgsfaktor, denn je nach Zielgruppe können ganz unterschiedliche Learning Journeys benötigt werden.

Die vier Phasen einer erfolgreichen Learner Journey

Vier zentrale Phasen der Learner Journey – darauf kommt es an

Jetzt heißt es, die vier Phasen der Learning Journey im Detail auszugestalten. In unserem Beispiel geht es darum, die Zusammenarbeit von Vertriebsmitarbeitenden eines Unternehmens durch den Einsatz von Microsoft 365 besser zu unterstützen und die digitale Transformation voranzutreiben.

1. Auslöser

In welchem Zusammenhang treffen die Lernenden zum ersten Mal auf die Thematik, mit der sie sich im Rahmen der Learner Journey auseinandersetzen werden? Das kann zufällig geschehen, z. B. über den Flurfunk oder durch informelle Empfehlungen von Kolleg:innen, in der Regel ist es aber im Sinne des Unternehmens, die Hinführung zum Thema bewusst zu gestalten und die Erkenntnisse, die durch die Erarbeitung der Personas entstanden sind, mit einfließen zu lassen. Welche Relevanz hat es für die Lernenden? Wie sollen die Lernenden damit in Kontakt kommen? Inwiefern profitieren sie von der Auseinandersetzung damit?

Diese Phase legt den Grundstein für die Learning Experience und die weitere Erfahrung der Lernenden mit der Learner Journey und verlangt daher besondere Aufmerksamkeit.

2. Initiale Lernphase

Im Fokus steht der „klassische“ Wissens- und Kompetenzaufbau, es geht um grundsätzliche Fragen, zum Beispiel: Welche Ziele werden mit dem Change verfolgt? Was ist die Idee dahinter? Wie bediene ich die Tools? Wie lege ich ein Team an? Wie wollen wir die neuen Möglichkeiten in Zukunft für unsere Zusammenarbeit nutzen? Für das initiale Lernen wird ein aufeinander abgestimmter Mix an Lernformaten ausgewählt. Es können beispielsweise Blended-Learning-Konzepte entwickelt werden, die Onlinetrainings, Workshops, Virtual Classroom, Lernzirkel oder Learning Nuggets miteinander kombinieren.

Diese Phase steht traditionell im Zentrum der Betrachtung von Learner Journeys. Die Lernenden erfahren, was sie können sollten. Es werden alle notwendigen Grundlagen für die spätere Anwendung gelegt.

3. Anwendungsphase

Hier steht nicht mehr das Lernen im Fokus, sondern die tägliche Anwendung des Gelernten und die direkte Unterstützung der Arbeit. Wird etwa ausnahmsweise eine selten genutzte Funktion von Microsoft 365 verwendet, möchte niemand ein komplettes Training durcharbeiten, die Anwender:innen brauchen in diesem Fall schnell und unkompliziert Antworten auf diesbezügliche Fragen. Es gilt, sie in diesem „Moment of Need“ mit dem richtigen Angebot effizient zu unterstützen. Geeignet sind u. a. Performance Support (z. B. Schritt-für-Schritt-Anleitungen), Communities oder Social-Learning-Angebote, die es den Nutzer:innen ermöglichen, sich selbst zu helfen. 

Diese Phase wird von Unternehmen häufig vernachlässigt – mit der Folge, dass die Lernenden das Tool nicht effektiv nutzen und die erwarteten Produktivitäts- bzw. Effizienzgewinne nicht eintreten.

4. Etablierungsphase

Im Fokus steht hier der Austausch mit den Kolleg:innen, der dazu dient, das Thema voranzutreiben und zu verbessern, beispielsweise im Rahmen einer Community. In unserem konkreten Beispiel könnten erfahrene Vertriebsmitarbeitende in einer „Community of Practice“ daran arbeiten, ein auf Microsoft 365 basierendes Wissensmanagement aufzubauen und die Erkenntnisse daraus in die Learner Journey für künftige Anwender:innen zu überführen. Mit Erreichen dieser Phase können Lernende selbst als Mentor:innen fungieren und die Kolleg:innen in ihrer Entwicklung oder beim Onboarding unterstützen, etwa durch User-generated Content.

Diese Phase gilt als das „Sahnehäubchen“, denn nicht alle Teilnehmer:innen erreichen die nötige Expertise oder zeigen ein solches Engagement .

Die Roller der HR als „Reiseanbieterin“

Auch wenn die vier Phasen chronologisch dargestellt wurden, heißt das nicht, dass sie tatsächlich in dieser Reihenfolge durchlaufen werden. Die Lernenden können flexibel zwischen den Phasen hin- und herspringen, die Unterteilung dient lediglich zur Orientierung bei der Strukturierung der Learning Journey. Selbst in Phase 4 kann es notwendig sein, noch mal ins initiale Lernen (Phase 2) zurückzukehren, etwa weil im Rahmen des digitalen Wandels eine neue technische Funktion relevant wird.

Grundsätzlich müssen wir uns als HR-Verantwortliche und Learning Professionals fragen: Wie sieht unsere Rolle als „Reiseanbieter:in“ aus? Nicht alle Faktoren, die zum Lernprozess beitragen, lassen sich planen. Daher gilt es, den Mitarbeiter:innen alle Formate und Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen – auch remote. Wir müssen die Reise so gestalten, dass die Lerner:innen über eine Reihe von Ein- oder Ausstiegspunkten die Möglichkeit haben, bestimmte Inhalte zu überspringen. Denn: Es wäre eine unglaubliche Vergeudung von Potenzial, wenn wir uns ausschließlich auf den initialen Aufbau von Wissen fokussieren und nach Phase 2 Schluss ist.

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