Der Virtual Man im Dschungel digitaler Komplexität

Mit Industrie 4.0 und der damit einhergehenden Digitalisierung und Vernetzung verschmelzen reale und virtuelle Welt immer mehr. In der Folge ändern sich auch Bewertungsstandards und Gestaltungsrichtlinien, die Komplexität der Arbeitswelt nimmt zu. In deren Zentrum: der Virtual Man. Doch wie kann er sich behaupten?
08. Januar 2020
4 min
Danica Hundt, Learning Manager, tts Danica Hundt

Der „natürliche“ Lebensraum des Virtual Man zeichnet sich vor allem durch neueste Informations- und Kommunikationstechnologien aus. Allerdings führen die zunehmende Digitalisierung, künstliche Intelligenz und das Internet of Things zu einer stärkeren Verknüpfung von Systemen und Maschinen. Die Grenzen sind fließend geworden und nur noch bei genauerer Betrachtung erkennbar. Maschinen kommunizieren und interagieren im Hintergrund und unbemerkt vom Virtual Man. Doch davon profitiert er.

Routinen erlauben Maschinenlernen, maschinelles Lernen führt zu Prozessoptimierung, Entscheidungen werden durch Computer gestützt, Assistenzsysteme vereinbaren telefonisch Termine, geben den Weg an und lesen Textnachrichten vor – sprachlich sicher und kaum mehr von einem Menschen zu unterscheiden. Wissen steht in Unmengen zur Verfügung und kann beinahe von überall immer abgerufen werden.

Das Menschenbild der Gegenwart

Die schöne neue Welt kommt allerdings ohne Bedienungsanleitung oder Support-Hotline daher. Und mittendrin steht der Virtual Man – der Mensch der Gegenwart –, der versucht, sich zurechtzufinden, der nach Klarheit, Struktur und Sicherheit strebt. Er steht für das Bild eines Menschen, der die Welt erlebt, als sei sie neu erschaffen worden, denn seine Welt ist vom stetigen Wandel geprägt. Damit einher gehen

  1. der Verlust von Traditionen als Handlungsvorgaben (Enttraditionalisierung)
  2. fehlende Vergleichsmöglichkeiten aufgrund der Neuheit von Situationen (Individualisierung)
  3. die Notwendigkeit, kontinuierlich Entscheidungen zu treffen, um aus einer Überzahl an Möglichkeiten zu selektieren (Optionierung)

Der Virtual Man begibt sich in den stetigen Fluss der Veränderung, zeigt sich flexibel und anpassungsfähig. Er baut Netzwerke auf, um sich mit anderen auszutauschen und eigene Routinen zu entwickeln.

Dennoch ist er hohen Belastungen ausgesetzt: Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität – willkommen in der VUKA-Welt! Was also braucht der Mensch, um die Vorteile seiner Zeit in Anspruch nehmen zu können? Wie lässt sich die tägliche Belastung reduzieren?

Zeitgemäßes Lernen als Weg

Bedarfs- und bedürfnisgerechtes Lernen sind der Kompass, mit dem sich der Virtual Man im Dschungel der Möglichkeiten zurechtfindet.

Bedarfs- und bedürfnisgerechtes Lernen sind der Kompass, mit dem sich der Virtual Man im Dschungel der Möglichkeiten zurechtfindet

Komplexität verstehen

Die neue Technik trägt dem Aspekt der Usability (Nutzerfreundlichkeit) Rechnung. Sich mit ihrer Bedienung vertraut zu machen fällt relativ leicht. Vor allem im Kontext der täglichen Arbeit liegt die Herausforderung jedoch darin, zu verstehen, wie die einzelnen Elemente untereinander vernetzt sind. Wie interagieren sie? Welche Konsequenzen hat die Änderung einer Einheit für die damit verbundene Struktur?

Qualifizierung anpassen

Der Virtual Man braucht einen Lotsen, der Zusammenhänge aufzeigt und einen Weg vorgibt. Übertragen auf den beruflichen Kontext bedeutet dies, dass sich mit der Einführung neuer Technologien auch der Schwerpunkt der Qualifizierung verschiebt. Ging es früher primär um die Vermittlung von Anwendungswissen, geht es heute auch um die Entwicklung eines globalen Verständnisses der Wechselwirkungen.

Teamebene berücksichtigen

Neben der individuellen Ebene gewinnt im Qualifizierungsprozess damit auch die Teamebene an Bedeutung. Welche Vorgehensweisen eignen sich? Welche Prozesse könnten sich bewähren? Die gemeinsame Etablierung neuer Richtlinien unterstützt den Umgang mit der hohen Komplexität und hilft, Unsicherheiten aufseiten der Mitarbeitenden zu reduzieren.

Coaches statt Trainer

Statt „klassischer“ Trainer braucht es zunehmend Berater und Coaches, die flexibel auf die individuellen Anforderungen und die Bedürfnisse von Organisationen und Mitarbeitenden eingehen. Ergänzend zum Anwendungswissen müssen sich diese nun deutlich stärker in Prozesse und Strukturen hineindenken und eine Brücke zu den Ansprüchen ihrer Zielgruppe schlagen.

Workshops statt Trainings

Qualifizierungsmaßnahmen entwickeln sich vor diesem Hintergrund weg vom traditionellen Training hin zu Gruppenveranstaltungen mit Workshopcharakter. In diesem Szenario übernimmt der Coach Moderation und Ausgestaltung. Die Lösung für die jeweilige Situation erarbeitet das Team unter seiner fachlichen Anleitung jedoch eigenständig.

Die Evolution des Menschenbildes führt zwangsläufig zu einer Revolution der Qualifizierungslandschaft. Statt Standardlösungen braucht es individuelle Ansätze, die der agilen, selbstbestimmten Gemeinschaft Rechnung tragen. Mit dem richtigen Partner an seiner Seite – einem Berater oder Coach, der genau das verstanden und verinnerlicht hat – behält der Virtual Man auch im Universum digitaler Vielfalt stets die Orientierung. So ist er bestens für die Veränderungen gewappnet, die die Digitalisierung mit sich bringt.

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