So sieht die Arbeitswelt von morgen aus
Vier Tage arbeiten, aber für fünf Tage bezahlt werden? Das würde sich wohl fast jeder Arbeitnehmer gerne gefallen lassen – und blickte deshalb Anfang des Jahres sehnsüchtig in Richtung Finnland. Denn die neue finnische Regierungschefin Sanna Marin hatte genau das vorgeschlagen. Allerdings nicht im Regierungsprogramm, sondern lediglich als eine Idee während einer Podiumsdiskussion, wie die finnische Regierung wenig später per Tweet klarstellte. Aus der Traum! Auch für die Finnen.
Dabei führt eine Arbeitszeitverkürzung nicht zwingend zu Produktivitätsverlusten. Im Gegenteil: Laut einer neuseeländischen Studie aus dem Jahr 2018 sind Mitarbeiter, die statt fünf Tagen nur vier arbeiten müssen, glücklicher, weniger gestresst und sogar produktiver. Ein einmonatiges Experiment von Microsoft in Japan kam zu ähnlichen Ergebnissen. Innerhalb von vier Wochen stieg dort die Produktivität der Mitarbeiter um satte 40 Prozent.
Kürzere Arbeitswoche erhöht die Produktivität
Und damit nicht genug. Die Viertagewoche könnte auch helfen, die Corona-bedingte Wirtschaftskrise zu bewältigen. Davon ist zumindest die neuseeländische Premierministerin Jacinda Ardern überzeugt. In einem Facebook-Video ermuntert sie Arbeitgeber deshalb, ruhig einmal über die Einführung der Viertagewoche und andere flexible Arbeitsmodelle nachzudenken. Bei deutschen Arbeitnehmern würde sie damit offene Türen einrennen. Denn mehr als die Hälfte von ihnen würde laut einer repräsentativen Studie sogar gerne weniger verdienen, wenn es im Gegenzug dafür mehr Freizeit gäbe.
Trotzdem haben hierzulande bislang nur wenige Betriebe die verkürzte Arbeitswoche umgesetzt. „Viele tun sich noch schwer, sich von ihren Arbeitszeitmodellen oder Schichtdiensten zu lösen“, erklärt Arbeitspsychologe Prof. Tim Hagemann von der Fachhochschule der Diakonie Bielefeld in einem Spiegel-Beitrag. Wohl auch, weil der Arbeitsmarkt seit jeher auf die Devise „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“ setzt.
Kein Wunder also, dass Arbeitsminister Hubertus Heil mit seinem Gesetzesentwurf zum „Recht auf Homeoffice“ lange auf verlorenem Posten stand. Inzwischen hat sich das Blatt aber gewendet. Denn nachdem im März ganze Heerscharen von Angestellten ihren Arbeitsplatz „holterdiepolter“ in die eigenen vier Wände verlagern mussten, zeigt sich, wie gut das funktioniert: Laut einer Umfrage des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT finden 40 Prozent der Befragten, dass sie zu Hause deutlich produktiver sind als im Büro, knapp 15 Prozent schätzen ihre Produktivität sogar als wesentlich höher ein – und liegen damit gar nicht so falsch. Immer mehr Arbeitgeber merken derzeit, dass ihre Mitarbeiter auch gute Arbeit leisten, wenn sie von zu Hause arbeiten und nicht durch Stechuhr, digitale Zeiterfassungssysteme oder ihre Vorgesetzten kontrolliert werden können.
Vertrauen ist gut, Kontrolle ist schlechter
Höchste Zeit also, überkommene Denkansätze über Bord zu werfen und das Thema Vertrauensarbeitszeit auf die Agenda zu setzen. Am bestens übrigens nicht nur im Homeoffice. Schließlich hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer Studie ermittelt, dass Vertrauen gut, Kontrolle dagegen schlechter ist. Denn, so das Ergebnis der Studie, je stärker Angestellte kontrolliert werden, desto unzufriedener sind sie. Wer Arbeitszeit und -ort dagegen innerhalb vorgegebener Rahmenbedingungen frei gestalten kann, arbeitet nicht nur lieber, sondern auch besser. Zwei gute Gründe mehr, dass sich Personalchefs mit flexiblen Arbeitszeiten und -modellen auseinandersetzen.
Denn „je nachdem, wie die Arbeitszeiten zuvor organisiert waren, braucht es einen grundlegenden Wandel in der Unternehmenskultur“, weiß IW-Personalleiterin Ulrike Kenkenberg. Wer in seinem Unternehmen künftig auf Vertrauensarbeitszeit setzen wolle, müsse diesen Schritt unbedingt als Veränderungsprozess begreifen, der besondere Aufmerksamkeit erfordert, empfiehlt die Expertin. Genau hier sind Personalabteilungen besonders gefordert. Sie können und müssen den erforderlichen Wandel als treibende Kraft begleiten, gestalten und mit ganzer Kraft vorantreiben.