Upskilling für die digitale HR-Transformation

Digital HR erfordert nicht nur Investitionen in IT, sondern auch ein neues Rollenverständnis und die dafür nötigen Kompetenzen. Aber welche HR-IT-Skills bringen den gewünschten Mehrwert und wie lassen sich die dafür nötigen Strukturanpassungen bewältigen?
Zusammenfassung

Digital HR erfordert nicht nur Investitionen in IT, sondern auch ein neues Rollenverständnis und die dafür nötigen Kompetenzen. Um die Digitalisierungskrise in den HR-Abteilungen zu bewältigen, plädieren Amelie Bester und Simone Leininger für eine grundlegende Neuausrichtung. Im Zentrum stehen hier eine ganze Reihe neuer wie bekannter methodischer, digitaler und persönlicher Kompetenzen. Erst so gelingt es den HR-Abteilungen, sich selbst und das Unternehmen erfolgreich zu digitalisieren und die Chancen der Digitalisierung für eine echte HR-Transformation zu nutzen.

16. Oktober 2023
6 min

Gerade erst haben Personaler den großen Exodus ins Homeoffice gemanagt, neue Kollaborationsformen aus dem Boden gestampft und eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass sie Krisenbewältigung können. Trotzdem werden viele HR-Abteilungen beim Thema Digitalisierung nach wie vor vergessen.

Studie "Future of HR in Strategy, Sustainability and Technology"

Über 50 Prozent der Personalabteilungen in Deutschland haben seit über 30 Jahren keine maßgeblichen Digitalisierungsfortschritte gemacht.

Studie "Future of HR in Strategy, Sustainability and Technology"

Wie angespannt die Situation ist, zeigt die Studie "Future of HR in Strategy, Sustainability and Technology" der Deutschen Gesellschaft für Personalführung und der Boston Consulting Group von 2022. Demnach nutzen aktuell nur 8 Prozent der befragten Unternehmen eine zeitgemäße Lösung zur Analyse von Personendaten. Mehr als die Hälfte setzt hierfür immer noch auf Excel – ein Programm von 1985.  

Über 50 Prozent der Personalabteilungen in Deutschland haben demnach seit über 30 Jahren keine maßgeblichen Digitalisierungsfortschritte gemacht. Keine dieser Abteilungen hat die nötigen Werkzeuge, Analytics- und IT-Kompetenzen zur agilen Umsetzung von komplexen Personalstrategien. Und das in einer Zeit, in der HR immer mehr Aufgaben übernehmen muss und ihre Leistungsfähigkeit beim People Management zunehmend darüber entscheidet, wie wettbewerbsfähig ein Unternehmen ist.

Höchste Zeit für eine grundlegende Neuausrichtung

Für viele HR-Abteilungen geht es also auch weiterhin um alles. Können sie ihren Auftrag nicht erfüllen, verspielen sie Ansehen und Bedeutung. Nutzen sie dagegen den Rückenwind aus dem Krisenmanagement der letzten Jahre als Chance für eine Neupositionierung, können sie ihr Unternehmen bei den anstehenden Herausforderungen auch gestaltend unterstützen und zum strategierelevanten Partner der Geschäftsleitung werden.  

Viel Zeit dafür bleibt nicht. Gerade erst hat Microsoft die Hype-KI ChatGPT und das GPT-Sprachmodell MS Teams integriert. Die Software übersetzt Meetings live in 40 Sprachen, erstellt automatisch Protokolle und schlägt nach der Besprechung personalisierte Aufgaben für Team-Mitglieder vor. Das ist nur eines von unzähligen Beispielen, die zeigen, wie massiv Technologie die Arbeitswelt verändert und wie dynamisch die Transformation voranschreitet. In immer kürzeren Zeitabständen müssen Mitarbeitende zum Teil grundlegend neue Fähigkeiten und Kompetenzen beherrschen, weil innovative Technologien neue Formen der Wertschöpfung ermöglichen, auf die kein größeres Unternehmen verzichten kann.

HR braucht eine zukunftsfähige Vision als Orientierung für eine grundlegende Neuausrichtung sowie eine Digitalstrategie, die berücksichtigt, dass Technologie allein kein Treiber für Produktivität ist.

Excel und isolierte Datensilos sind die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für die Bewältigung der damit verbundenen Aufgaben. Stattdessen braucht HR eine zukunftsfähige Vision als Orientierung für eine grundlegende Neuausrichtung sowie eine Digitalstrategie, die berücksichtigt, dass Technologie allein kein Treiber für Produktivität ist. Auch die technologische Befähigung der HR-Mitarbeitenden sowie ein technologieaffines Mindset spielen eine zentrale Rolle, weil Datenanalyse, Datenverständnis und darauf basierende Entscheidungen der Schlüssel zum Erfolg sein werden.

Kompetenzen für eine kundenzentrierte HR

Über die fachlichen Kompetenzen hinaus gehören diplomatisches Geschick, Einfühlungsvermögen und Kommunikations- bzw. Networking-Fähigkeiten zum klassischen Skillset von Personalern. Grundsätzlich wird sich daran auch in Zukunft nichts ändern. Angesichts von Digitalisierung, Fachkräftemangel und New Work rücken jedoch zusätzlich ganz andere Kompetenzen in den Vordergrund.

Infografik HR-IT Skills

Beispiel Recruiting: Neben objektiven Kriterien bestimmen immer auch Meinungen, Vorurteile und andere subjektive Faktoren die Entscheidung für oder gegen eine Anstellung. In den Bewerbungsrunden erscheint der Recruiter eher als Beisitzer und Organisator des Termins, anstatt als kompetenter Entscheider, Experte und Coach der Fachabteilung. Der Fokus liegt mehr auf der Terminorganisation und dem Abstimmen von Inhalten, als auf dem objektiven inhaltlichen Gestalten und Beurteilen von Kompetenzen und Qualifikationen.

Beim digitalen Recruiting verteilen sich die Schwerpunkte ganz anders. Die Hauptarbeit findet im Vorfeld statt. Dabei geht es im Wesentlichen um die Schärfung des Profils in enger Abstimmung mit der Fachabteilung, damit vor dem Schalten der Stellenanzeige ein präzises Anforderungsprofil der gewünschten Kandidat:innen vorliegt. Erst und nur dann können digitale Tools den Auswahlprozess mittels KI oder teilautomatisierten Prozessen erleichtern. Hinzu kommt, dass Recruiting heute in weiten Teilen auf Social-Media-Kanälen stattfindet. Dadurch rücken Employer Branding und eine proaktive Herangehensweise deutlich stärker in den Vordergrund als beim klassischen, eher passiven Bewerbermanagement. Gleichzeitig bedeutet Active Sourcing auch, dass Recruiting mehr und mehr zu einer Sales-Aufgabe wird, bei der diejenigen erfolgreich sind, die ihr Unternehmen verkaufen können.

Entscheidend ist aber, Digitalisierung nicht primär als Mittel zur Effizienzsteigerung zu sehen, sondern als Chance für eine echte HR-Transformation, die die Bedürfnisse von Kandidat:innen, Mitarbeitenden und weiteren Stakeholdern in den Mittelpunkt ihrer Aktivitäten stellt. Denn genau das macht erfolgreiche HR-Digitalisierung aus: die wichtigsten Kundengruppen zu kennen und deren Motive sowie Präferenzen bedarfsgerecht in Prozessen abzubilden – sei es beim Recruiting, bei der Personalentwicklung, bei administrativen Leistungen und Self Services oder bei der Business- und Kulturtransformation. Wie die Grafik zeigt, ist dafür ein ganzes Bündel an bekannten und neuen Kompetenzen erforderlich.

HR übernimmt im Rahmen der digitalen Transformation eine Doppelrolle: Einerseits muss sie den Wandel hin zu einer Unternehmenskultur fördern, die Wachstum, Anpassungsfähigkeit, soziale Verantwortlichkeit und Resilienz ermöglicht. Andererseits muss sie mit Digital HR und einer Umgestaltung ihrer Arbeitsorganisation die Grundlage dafür schaffen, diesen Gestaltungsauftrag auch erfüllen zu können.

1. Methoden- und Problemlösungskompetenz 

Dieser Herausforderung zu begegnen erfordert nicht nur die Fähigkeit, lösungs- statt problemorientiert zu denken und zu handeln. Ebenso wichtig sind Kompetenzen im Change-Management, in agiler Führung und in der Anwendung entsprechender Methoden wie Scrum, Design Thinking oder selbstorganisiertem Teamwork. Gepaart mit Experimentierfreude und einer fehlerverzeihenden Kultur entsteht so das nötige Framework, um analytische und intuitive Herangehensweisen zu verbinden und flexibel auf dynamische Veränderungen zu reagieren.  

2. Digitale Kompetenzen 

Predictive Analytics, Active Sourcing, datenbasiertes L&D, Digital Leadership, ethisch abgewogener KI-Einsatz: Der Umgang mit diesen und anderen Tools erfordert neben neuen Anwendungskompetenzen auch die Fähigkeit, Daten zu analysieren und richtig zu interpretieren.  

Nur so können das Management und Mitarbeitende im Einklang mit der Unternehmensstrategie und den daraus abgeleiteten KPIs Maßnahmen mit messbarem Erfolg ergreifen. Dazu müssen sie relevante von weniger wichtigen Informationen unterscheiden und neue Erkenntnisse abstrahieren können, um Herausforderungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten. Ebenso wichtig ist die Fähigkeit zur digitalen Integration. Sie ermöglicht den Aufbau einer digitalen Kultur und die reibungslose Integration neuer Technologien in den Arbeitsalltag.  

3. Persönliche Kompetenzen 

Akzeptanz und Umgang mit neuen Technologien sind eng verbunden mit Enablement und Habitualisierung. Der Aufbau eines Digital Mindset ist daher untrennbar mit einem systematischen Aufbau der dafür nötigen Kompetenzen verbunden. So lassen sich Ängste und Vorbehalte abbauen. Gleichzeitig werden die Weichen für ein wachsendes Interesse an digitalen Technologien und Arbeitsweisen gestellt, etwa dem Teilen von Wissen, der Nutzung sozialer Netzwerke und dem verantwortungsvollen Umgang mit sensiblen Daten.  

Ein Digital Mindset ist auch die Voraussetzung für eine weitere Schlüsselkompetenz: eine positive Einstellung gegenüber Veränderungen. Sie ist unerlässlich, weil disruptive oder kontinuierliche Veränderungen im Zuge der digitalen Transformation die kritische Prüfung und ständige Optimierung von Prozessen und Vorgehensweisen erfordern. Nur so kann flexibles Reagieren ohne viel Aufwand zum Standard werden. 

Kompetenzbedarf und -aufbau an der Jobarchitektur ausrichten

Zwar mag es auf den ersten Blick wünschenswert erscheinen, dass sämtliche Personaler über alle genannten Kompetenzen verfügt. Das ist aber weder realistisch noch sinnvoll. Vielmehr sollte das erforderliche Kompetenzprofil einer Abteilung immer aus der HR-Strategie und der Jobarchitektur abgeleitet werden und dann je nach Position differenziert werden.  

Insbesondere die Jobarchitektur ist eine zentrale Voraussetzung für die erfolgreiche Implementierung und effiziente Nutzung jedes HR-Systems, da die Struktur des Personalkörpers vom HR-System übernommen wird und die Grundlage für alle systemgestützten Prozesse bildet. Daher sollten vor jeder IT-Implementierung die Planung, Evaluierung und Optimierung der Jobarchitektur im Einklang mit der HR-Strategie priorisiert werden. 

Das Ergebnis dieser Arbeit ist eine strukturierte, aufeinander abgestimmte Ordnung der Funktions- und Rollenprofile. Zugleich liefert die Jobarchitektur eine fundierte Basis für die Analyse und detaillierte Beschreibung der je nach Rolle erforderlichen Kompetenzen. Dabei ist es hilfreich, die betroffenen Mitarbeiter:innen von Beginn an einzubeziehen und selbst an der eigenen Entwicklung der geforderten Kompetenzen arbeiten zu lassen.  

Auf diese Weise gewinnen HR-Abteilungen eine transparente und detaillierte Sicht auf fehlende Kompetenzen, die es anschließend mit passenden Entwicklungsangeboten und Anreizen zum eigenverantwortlichen Lernen gezielt zu fördern gilt. Zudem helfen die Anforderungsprofile bei der Suche nach neuen Talenten, die das Team beim Auf- und Ausbau einer zukunftsfähigen HR perfekt ergänzen.  

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