Der Betriebsrat – unterschätzter Hebel für die digitale HR-Transformation
Das Vorhaben ist genehmigt, das Budget ist freigegeben, eigentlich kann das HR-Digitalisierungsprojekt starten – wenn da nicht noch die Abstimmung mit dem Betriebsrat wäre. Nicht wenige Firmen scheuen diesen Aufwand, denn in der Regel wird der Betriebsrat als „Bremser“ wahrgenommen. Jedes dritte Unternehmen bezieht den Betriebsrat daher nur unzureichend in die Digitalisierung ein, jedes zehnte Unternehmen missachtet die betriebliche Mitbestimmung sogar komplett (Quelle: WSI Report Nr. 40, Mai 2018, Hans-Böckler-Stiftung).
Die Erfahrung zeigt jedoch: Die Einbindung des Betriebsrats kann sich durchaus lohnen – vorausgesetzt, Sie beherzigen die folgenden fünf Punkte:
- Tragen Sie der betrieblichen Mitbestimmung Rechnung.
- Beachten Sie die vier zentralen Rollen des Betriebsrats.
- Binden Sie den Betriebsrat frühzeitig und proaktiv ein.
- Setzen Sie den Betriebsrat als Multiplikator ein.
- Etablieren Sie einen kontinuierlichen Austausch und stellen Sie Expertise sicher.
Dann nämlich kann der Betriebsrat als Multiplikator und Stakeholder das Projektteam entlasten, die Akzeptanz der Transformation bei den Mitarbeitenden erhöhen, die Digital Adoption fördern sowie das Erreichen der Projektziele beschleunigen.
1. Tragen Sie der betrieblichen Mitbestimmung Rechnung
Die meisten (HR-)Digitalisierungsvorhaben setzen die Beteiligung des Betriebsrats voraus; die Grundlage dafür bildet das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG). Beispielsweise ergibt sich immer dann ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats, wenn technische Einrichtungen eingeführt werden sollen, die das (potenzielle) Überwachen des Verhaltens der Mitarbeiter ermöglichen (§ 87 BetrVG). In Bezug auf die HR-Digitalisierung betrifft dies insbesondere Tools im Bereich des Performance Management, da hier die Leistungen der Mitarbeitenden digital erfasst und analysiert werden, etwa zur Nachwuchsförderung oder zum Erkennen von Schulungsbedarf.
2. Beachten Sie die vier zentralen Rollen des Betriebsrats.
Mit Blick auf die Einbindung des Betriebsrats bei der HR-Digitalisierung sollten die Unternehmen die folgenden Rollen des Betriebsrats im Auge behalten:
Der Betriebsrat ist ein …
… Akteur in digitalisierten HR-Prozessen, wenn HR-Prozesse digitalisiert werden, an denen der Betriebsrat aktiv beteiligt ist, zum Beispiel das Einholen der gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmung bei der Personaleinstellung über eine Software für das Bewerbermanagement.
… mitbestimmungsberechtigter Partner bei Umstrukturierungen, wenn zum Beispiel infolge der Einführung digitaler HR-Tools ein bestehendes Team aufgelöst wird und die Mitglieder neue Aufgaben übernehmen sollen.
… Stakeholder bei der Qualifizierung der Mitarbeitenden, wenn er sich an der Ermittlung des Fortbildungsbedarfs beteiligt, um die Belegschaft auf neue oder sich verändernde Tätigkeiten vorzubereiten, die sich durch die HR-Digitalisierung oder daraus resultierende Umstrukturierungen ergeben.
… gestaltender Partner bei Betriebsvereinbarungen, denn der Abschluss von Betriebsvereinbarungen (z. B. Festlegen der Rahmenbedingungen, wie digitale HR-Instrumente genutzt werden sollen) schafft Rechtssicherheit für Beschäftigte und Arbeitgeber.
3. Binden Sie den Betriebsrat frühzeitig und proaktiv ein.
Unternehmen sollten den Betriebsrat bereits früh, idealerweise noch vor dem offiziellen Projektstart, in alle vier oben genannten Rollen einbinden. Am besten ist es, den Betriebsrat nicht nur darüber zu informieren, was sich ändern soll und welche Ziele erreicht werden sollen, sondern ihn zusätzlich auch an der Planung zu beteiligen. Das schafft eine gemeinsame Vertrauensbasis, nimmt Ängste vor drohenden Veränderungen und generiert nützliche Vorschläge.
Ein weiterer Vorteil: Durch das Einbeziehen der Perspektive des Betriebsrats und damit der Mitarbeitenden lassen sich frühzeitig elementare Fragestellungen adressieren, die das Projektteam andernfalls eventuell erst zu spät berücksichtigen würde. Daher gilt: Kritisches Nachfragen unbedingt zulassen!
Bei Themen wie Datenschutz oder Funktionalität cloudbasierter HR-Tools kann darüber hinaus das Einbeziehen des Implementierungspartners hilfreich sein, da dieser über wertvolle Erfahrungen aus vergleichbaren Vorhaben verfügt.
4. Setzen Sie den Betriebsrat als Multiplikator ein
Eine umfassende Kommunikation und vielfältige Qualifizierungsangebote erhöhen die Bereitschaft des Betriebsrats, die geplanten Veränderungen mitzutragen. Solche Maßnahmen sind entscheidend, um den Transformationsprozess in die Belegschaft zu tragen, und damit für den Projekterfolg. Eine zentrale Rolle übernehmen dabei die verschiedenen Interessensgruppen (Stakeholder) und hier meistens die Entscheidungsträger bzw. Führungskräfte. Ist der Betriebsrat eingebunden, kann auch er als Multiplikator fungieren. Indem er die betrieblichen Gremien und Teams auf dem Laufenden hält, Fragen von Mitarbeitenden kompetent beantwortet und auf Vorbehalte eingeht, kann er das Change Management unterstützen und das Projektteam entlasten.
5. Etablieren Sie einen kontinuierlichen Austausch und stellen Sie Expertise sicher
Häufig wird dem Betriebsrat mangelnde IT-Affinität nachgesagt – oft zu Unrecht. Auf keinen Fall sollte dies ein Grund dafür sein, den Betriebsrat nicht in ein Digitalisierungsvorhaben einzubinden. Stattdessen sollten man ihm – als Investition in eine konstruktive Zusammenarbeit – geeignete Schulungsmaßnahmen anbieten. Es empfiehlt sich darüber hinaus auch, einen regelmäßigen Austausch mit dem Betriebsrat zu etablieren und ihn beispielsweise zu Projektmeetings oder Strategie-Round-Tables einzuladen.
Fazit
Die Praxis zeigt: Wie bei der HR-Transformation lohnt es sich auch bei der HR-Digitalisierung, den Betriebsrat frühzeitig und kontinuierlich in die Planung, Auswahl und Priorisierung von Transformationsprojekten einzubeziehen. Das Unternehmen profitiert auf diese Weise von einer rechtssicheren HR-Digitalisierung und kann das Projekt in der Regel „on time and on budget“ abschließen – ganz ohne „Bremseffekte“.