Change Management in SAP-Projekten

Eine reibungslose und nachhaltige SAP-Einführung ist nicht nur eine Frage der Technik, sondern auch der Nutzerakzeptanz. Deshalb kann ein Change-Management-Beauftragter maßgeblich zum Erfolg des Projektes beitragen, indem er die Veränderungen identifiziert und die Führungskräfte im Prozess des Wandels aktiv unterstützt.
26. November 2019
8 min

Unternehmen schaffen flexible IT-Landschaften, damit sie schneller auf den dynamischen Wandel durch wechselnde Marktanforderungen im globalen Wettbewerb reagieren können. Allerdings scheitern viele Veränderungsvorhaben im IT-Bereich, weil dabei zu sehr die Technik im Vordergrund steht, weniger die Nutzerakzeptanz. Denn häufig wird unterschätzt, welche tiefgreifenden Auswirkungen technische Änderungen auf das Unternehmen und die Mitarbeiter haben. Und auch dass Führungskräfte – vor allem auf den unteren Ebenen – solche Veränderungsprozesse aktiv unterstützen können, wird oft zu wenig beachtet.

Tatsächlich ist ein umfassendes Change Management einer der kritischen Faktoren für den Erfolg jedes größeren IT-Projekts, denn es geht darum, die Mitarbeiter auf dem Weg des Wandels mitzunehmen.

Veränderung auf technischer Ebene

In dem folgenden Szenario hat eine Projektgruppe vom oberen Management den Auftrag erhalten, in einem vorgegebenen Zeit- und Budgetrahmen ein SAP-System den Erfordernissen des Unternehmens entsprechend zu implementieren. Die Gruppe soll Altsysteme ablösen, Prozesse und Systemfunktionen dokumentieren.

Beteiligt an dieser Aufgabe sind interne und externe IT-Berater. Sie alle sind bestens mit dem bisherigen System vertraut, kennen seine Verankerung in der IT-Landschaft des Unternehmens und alle Schnittstellen und sind über den Funktionsumfang des zu implementierenden SAP-Systems informiert.

In Abstimmung mit den Geschäftsbereichen passen sie die Geschäftsprozesse an und richten das zukünftige System ein. Damit dies optimal gelingt, wird die Projektarbeit von Key Usern aus den Fachabteilungen unterstützt. Sie bringen ihr internes Fachwissen und ihre Erfahrung mit den bisherigen Arbeitsabläufen und den fachlichen Anforderungen in das Projekt ein.

Sowohl die internen wie auch die externen Berater haben dabei allerdings vor allem systemtechnische Aspekte im Blick, zum Beispiel: Wie müssen die Stammdaten strukturiert sein? Welche Daten können aus den Altsystemen übernommen werden? Welche Reports müssen zur Verfügung gestellt werden? Was wird davon im Standard bereits abgebildet, was muss zusätzlich individuell programmiert werden? Wie sollen die Rollen und Berechtigungen im System definiert werden?

Risiken bei ausschließlicher Betrachtung der technischen Ebene

Welche Auswirkungen das neue IT-System auf die zukünftigen Nutzer hat, auf ihre Arbeitsprozesse und auf das Beziehungsgefüge, in dem sie ihre Arbeit erbringen, wird von den Beratern bzw. den Projektfachleuten meist erst kurz vor dem Go-live des Systems gesehen. Das ist verständlich, denn der Scheinwerfer war notwendigerweise auf die Aspekte der technischen Umsetzung des Projekts gerichtet. Erst wenn das System weitgehend fertiggestellt ist, werden Schulungsinhalte definiert, die zeigen, in welcher Weise und in welchem Umfang die Mitarbeiter umlernen müssen.

Der Zeitpunkt für begleitende Change-Management-Maßnahmen ist dann aber oft schon überschritten. Führungskräfte, die zu spät erfahren, welche Veränderungen ein Systemwechsel mit sich bringt, können ihre Mitarbeiter nicht rechtzeitig informieren oder sie vorbereiten. Mitarbeitern, die nicht erfahren, was sich für sie verändern wird, fehlt dann die Orientierung. Es entstehen Gerüchte über die vermeintlichen Nachteile des neuen Systems, die Ablehnung nimmt zu, vereinzelt auch die Angst, den neuen Anforderungen nicht gewachsen zu sein. Mit dieser Einstellung gehen die Mitarbeiter dann unter Umständen auch an die Systemschulungen heran: Sie machen sich vor allem auf die Suche nach Fehlern und lernen mit weniger Motivation und Erfolg.

Dabei ist es ein zentraler Faktor für den Projekterfolg, dass die zukünftigen User nicht nur das System beherrschen, sondern auch die Veränderungen mittragen, die die neue Technik mit sich bringt. Die rechtzeitige Unterweisung der Mitarbeiter im Umgang mit der neuen Anwendung ist notwendig und wichtig – als alleinige Maßnahme reicht sie jedoch nicht aus.

Von zentraler Bedeutung ist, dass die Führungskräfte eine gemeinsame Vorstellung von den Zielen der SAP-Einführung entwickeln. Sie sollten die Veränderungen einschätzen können und sich für die damit verbundenen Vorteile engagiert einsetzen. Dazu müssen sie im Detail wissen, was sich mit der Einführung des neuen Systems für ihre Mitarbeiter und ihren eigenen Bereich verändern wird.

Erst dann können sie ihre Mitarbeiter über die anstehenden Veränderungen, deren Ziele und Hintergründe informieren und zur konstruktiven Auseinandersetzung und Mitwirkung einladen. Notwendige organisatorische Schritte können rechtzeitig unternommen werden. Eine SAP-Einführung wird somit auch zur Führungsaufgabe.

Veränderung auf Prozess- und Rollenebene

Ändern kann sich zum einen die Zuordnung von Aufgaben, es entstehen neue Rollen, z. B. in der Stammdatenpflege. Die Führungskraft muss daher wissen, ob die Rollen und Aufgaben vor und nach der Systemeinführung gleich sind bzw. wo genau die Unterschiede liegen. Für den Projektmitarbeiter dagegen ist der zukünftige Rollenzuschnitt wichtig, aus dem er die Zugriffsrechte auf das System ableitet.

Veränderung der persönlichen Arbeitsorganisation und der Gewohnheiten

Der Lagermitarbeiter in der Kommissionierung hatte bisher die Aufgabe, die Lieferscheine zu sammeln, und ließ sie einmal pro Woche von der Aushilfskraft buchen. Im neuen Real-Time-System muss er die Wareneingänge nun selbst buchen, und zwar sofort. Der Kommissionierer, der bisher selbst bestimmt hat, in welcher Reihenfolge er die Artikel aufnimmt, bekommt dies jetzt vom System vorgeschrieben, auch wenn er mitunter anders vorgehen würde.

Für den Mitarbeiter findet der wirklich spürbare Wandel auf der Prozessebene statt und auf der Ebene seiner persönlichen Arbeitsorganisation. Viele gewohnte Abläufe und Denkweisen funktionieren nicht mehr, mitunter ändert sich sogar die eingespielte und vertraute Zusammenarbeit mit Kollegen, manchmal entfällt sie.

Wird eine solche Veränderung, die der Mitarbeiter zunächst als persönliche Verschlechterung erfährt, übersehen, wächst sein Widerstand gegen die neue Lösung. Nicht selten heißt es dann von betroffenen Anwendern: „Die IT führt mal wieder ein neues System ein, aber keiner hat eine Ahnung, was das für mich bedeutet!“

Change Manager im Projekt

Es lohnt sich daher, einen Change-Management-Beauftragten einzusetzen. Er oder sie erkennt die Auswirkungen der Systemeinführung frühzeitig, unterstützt die Führungskräfte im Verlauf des Prozesses und sorgt so dafür, dass die Mitarbeiter rechtzeitig einbezogen werden und das Projekt den gewünschten Erfolg erzielt.

So kann im Projekt ein zweiter „Scheinwerfer“ installiert werden, der die Auswirkungen ausleuchtet, die die neue Systemlösung auf die Menschen hat, und sie so für die Mitarbeiter, die Führungskräfte wie auch für die am Projekt Beteiligten frühzeitig sichtbar werden lässt. Change Management stellt den Menschen in den Mittelpunkt der Betrachtung, nicht die Technik.

Das Change Management hat wichtige Aufgaben in einem SAP-Projekt. Es hat für regelmäßige und gesicherte Information und Kommunikation zu sorgen sowie die system- und prozessbezogene Ausbildung der zukünftigen Anwender sicherzustellen. Hinsichtlich der Bedeutung der Veränderungen für die Menschen und der Stärkung der Rolle der Führungskräfte hat ein Change-Management-Beauftragter aber noch weitere Aufgaben.

Gemeinsames Verständnis des Managements erreichen

In Workshops mit den Führungskräften sollte man sich auf einheitliche Antworten auf die folgenden Fragen in Bezug auf die SAP-Einführung verständigen:

  • In welcher Situation befindet sich das Unternehmen heute?
  • Aus welchen Gründen wird die Veränderung (der IT-Systeme) notwendig?
  • Welche Ziele sollen damit erreicht werden und auf welche Weise?
  • Was verändert sich für die Mitarbeiter, und was hat Bestand?

Mit der Klärung dieser Fragen erreicht man ein einvernehmliches Verständnis der Führungskräfte für das Projekt und legt den Grundstein für die Kommunikation mit den Mitarbeitern.

Veränderungen identifizieren

Führungskräfte, die ihre Mitarbeiter für eine Veränderung gewinnen wollen, brauchen Informationen darüber, wie sich das neue System auf den Einzelnen auswirkt. Dabei ist es nicht notwendig, alle Änderungen im Detail vorausschauend zu erkennen. Wichtig ist, mögliche Auswirkungen einzukalkulieren, die wichtigsten davon zu identifizieren und geeignete Maßnahmen gegen Negativeffekte zu entwickeln.

Eine Aufgabe des Change Managers ist es, diese Themen mit den Führungskräften gemeinsam zu erarbeiten und dazu die folgenden Fragen zu klären:

  • Welche Rollen gab es bisher, welche wird es zukünftig geben?
  • Sind bestehende Rollen zukünftig anders zugeschnitten?
  • Haben dieselben Mitarbeiter diese Rollen?
  • Wo entsteht mehr Arbeit, wo gibt es Entlastung?
  • Wer muss seine Arbeit anders organisieren?
  • In welcher Weise verändert sich die Zusammenarbeit mit anderen Bereichen?

Die Key User und die Führungskräfte identifizieren diese Unterschiede, jede Führungskraft leitet anschließend für ihren eigenen Bereich ab, welche Umstellungen auf die Mitarbeiter zukommen. Dadurch kann sie abschätzen, welche Bedenken und Widerstände bei den Mitarbeitern entstehen könnten. Die Führungskraft kann sich überlegen, wie sie ihre Mitarbeiter konkret unterstützen kann, und geeignete Maßnahmen entwickeln.

Das Change Management stellt eine eigene Aufgabe in einem derartigen Projekt dar und sollte auch eigens besetzt werden, zum Beispiel durch einen Mitarbeiter, der im Unternehmen gut vernetzt ist, bei Führungskräften Anerkennung findet, Erfahrung in Change Management und in der Projektarbeit hat sowie gute SAP-Kenntnisse und Prozesswissen mitbringt. Ein externer Change-Management-Berater kann den internen Change Manager coachen und entlasten oder sogar die Funktion des Change-Management-Beauftragten übernehmen.

Fazit: Systematisches Change Management sichert den Projekterfolg

IT-Projekte, vor allem im Zusammenhang mit einer SAP-Einführung, verändern mehr als nur die Systemlandschaft. Häufig hat die zuständige Projektgruppe wichtige Aspekte des Change Managements jedoch gar nicht auf dem Radar, weil sie sich auf technische Fragen konzentriert. Dabei setzt der Erfolg eines jeden IT-Projekts eine hohe Nutzerakzeptanz voraus.

Aus diesem Grund sollte frühzeitig ein Change-Management-Beauftragter im Projekt etabliert werden. Seine Aufgabe ist es, die Führungskräfte zu stärken, sodass sie ihre Mitarbeiter in dem Veränderungsprozess engagiert unterstützen können.

Manche Mitarbeiter fürchten jegliche Veränderung und reagieren sofort abwehrend. Gerade auf ihre Veränderungsbereitschaft wirkt es sich positiv aus, wenn sie konkret und persönlich einschätzen können, was auf sie zukommt. Sich als Führungskraft mit diesem Thema zu beschäftigen heißt, Wertschätzung gegenüber den Mitarbeitern auszudrücken – das ist der Schlüssel für ein erfolgreiches Change Management.

Aufgaben des Change-Management-Beauftragten in einem SAP-Projekt:

  • Einheitliches Verständnis für die Ziele der SAP-Einführung im Management schaffen
  • Führungskräfte und Mitarbeiter über konkrete Veränderungen informieren
  • Führungskräfte bei ihren Aufgaben im Change-Prozess unterstützen
  • Information und Kommunikation sicherstellen (regelmäßig und bidirektional)
  • Prozess- und systemseitige Ausbildung der Mitarbeiter organisieren

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