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Die Top-5-Hindernisse agilen Arbeitens

Agilität ist eines der Topthemen der aktuellen Leadership-Literatur, denn die Chancen, die sich eröffnen, wenn sich ein Unternehmen zu einer agilen Organisation wandelt, sind enorm. Damit der Wandel in der Praxis auch gelingt, bedarf es aber mehr als der Einführung agiler Methoden.
22. November 2019
4 min
Laura Heß, tts - knowledge matters. Laura Heß

Nähe, Offenheit und Transparenz sind die zentralen Merkmale agiler Organisationsstrukturen – Agilität beginnt im Kopf. Doch das anzuerkennen und entsprechend weitreichende Veränderungen einzuleiten ist ein Mammutprojekt, vor dem viele Fach- und Führungskräfte zurückschrecken. Stattdessen beschränken sie sich lieber auf die Einführung agiler Methoden, die sie dann – ganz konventionell – als die eine, heilbringende Lösung präsentieren.

Die Top-Five-Hindernisse

In der Praxis gibt es eine Reihe von Stolpersteinen, die den Wandel eines Unternehmens zur agilen Organisation erschweren. Die Top Five sind:

Top-5-Hindernisse agilen Arbeitens: statische Mindsets, starre Strukturen, Reduktion auf Technologien und Techniken, falsche Anreize, kein Top-down-Projekt

Was bedeutet Agilität?

Wirkliche Agilität bedeutet, eine Haltung zu entwickeln, die Widersprüche und Irritationen zulässt, die ergebnisoffen ist und eine Kultur des Irrtums integriert. Denn nur wenn Unternehmen experimentieren, falsche Annahmen akzeptieren und aus ihnen lernen, können wirkliche Innovationen entstehen.

Top 1: Statische Mindsets

„Wer glaubt, etwas zu sein, hat aufgehört, etwas zu werden.“ Ganz im Sinne dieses Zitats von Philip Rosenthal zeichnet sich Agilität durch postkonventionelles Denken aus, fernab von Tradition und Dogmatismus. Diese volatile Geisteshaltung steht im krassen Gegensatz zu der Einstellung vieler erfolgreicher Unternehmer, die sich auf ihre Routinen verlassen und Produkte schrittweise optimieren. Oder jener Berater, die eine neue Methode als allein seligmachende propagieren, oder der Führungskräfte, die glauben, Agilität bedeute, auf Regeln verzichten zu können. Agilität bedeutet vielmehr, die stetige Veränderung anzunehmen, eine positive Fehlerkultur zu leben, sich nicht an alten Rollen festzuklammern sowie den Kontrollverlust als Chance zu begreifen – denn erst dann entsteht wirklich Raum für Innovation.

Top 2: Starre Strukturen

Silo-Strukturen und starre Prozesse ersticken Agilität bereits im Keim. Räumliche Gegebenheiten wie Einzelbüros und geschlossene Türen, Reporting-Strukturen oder gesetzliche Regelungen – es gibt zahllose Beispiele für organisatorische Routinen, die als zentrale Hemmnisse für Agilität identifiziert wurden. Agile Organisationen setzen deshalb auf bereichsübergreifende Zusammenarbeit, denken Themen wie „mobile work“ konsequent und verzichten auf eine strikte Trennung von Funktionen – weg von der Ellenbogenmentalität hin zu einem kollaborativen Wir.

Top 3: Reduktion auf Technologien und Techniken

Zweifelsohne ist es häufig die Technologie, die den Startschuss für den digitalen Wandel einer Organisation gibt. Tatsächlich wären viele moderne Geschäftsmodelle ohne sie nicht möglich. Dennoch: Wer Agilität auf die technologische Transformation reduziert, wird keine agile Organisation aufbauen. Genauso wenig erfolgversprechend ist es, agile Spiele als Einzelmaßnahmen einzuführen. Zwar liefern solche Techniken durchaus Impulse für Agilität, doch, aus dem Zusammenhang gerissen, führen sie mittelfristig am Ziel vorbei. Es gilt also, ein stimmiges Gesamtkonzept zu entwickeln, das über den technischen und methodischen Wandel hinausgeht.

Top 4: Falsche Anreize

Anreizsysteme dienen dazu, Fach- und Führungskräfte zu besseren Leistungen zu motivieren. Doch nicht immer wecken klassische KPIs auch den Teamgeist und fördern das agile Arbeiten. Wer nämlich ausschließlich für sichtbare Erfolge belohnt wird, unterlässt es womöglich, innovativ zu denken und sich auch auf unsicheres Terrain vorzuwagen: Zu hoch ist das Risiko, am Ende keinen Bonus zu erhalten. Das bedeutet nicht, dass Anreizsysteme nicht mehr zeitgemäß sind. Vielmehr gilt es zu überlegen, wie sie flexibel gestaltet werden können und welche Messgrößen eine schnelle Reaktion auf Märkte abbilden können.

Top 5: Kein Top-down-Projekt

Die meisten Unternehmen sind hierarchisch strukturiert, und nicht selten geht das Hand in Hand mit einer Art „Angstkultur“, die agiles Denken und Handeln unmöglich macht. Damit sich das gemeinsame Leitbild ändern und eine Kultur des Vertrauens und des Austauschs entstehen kann, braucht es einen Visionär, der möglichst weit oben in der Hierarchie des Unternehmens angesiedelt sein sollte. Nur wenn er das Projekt „top down“ ins Unternehmen trägt, kann aus Kontrolle Vertrauen werden, aus Abgrenzung Kollaboration und aus Verantwortung Autonomie.

Fazit

Agilität kann dann entstehen, wenn der Arbeitsalltag von einer volatilen Geisteshaltung, bereichsübergreifender Kollaboration und einer Kultur des Vertrauens geprägt ist. Kommen dazu noch ein stimmiges Gesamtkonzept und wohlüberlegte Anreizsysteme, schaffen Organisationen die besten Voraussetzungen, um ihre Innovationskraft voll zu entfalten.

Doch viele Unternehmen leben heute noch eine Fake-Agilität, denn ergebnisoffen an Projekte heranzugehen bedeutet nicht, am Ende kein Ergebnis vorweisen zu können. Vielmehr geht es darum, den Irrtum als Teil des Prozesses zu verstehen, damit das Problem am Ende bestmöglich – wenn auch vielleicht anders, als ursprünglich erwartet – gelöst werden kann.

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