Arbeitest du noch, oder bist du schon produktiv? Zugegeben, die Idee für diesen Slogan ist nicht von uns. Die Frage trifft die Sache aber auf den Punkt. Denn laut Gartner Research verbringen Angestellte 61 Prozent ihrer Zeit mit der Verwaltung von Arbeit und nur 39 Prozent damit, zielgerichtet und effektiv zu handeln.
Wie sieht der Arbeitsalltag der meisten Mitarbeitenden aus? Verbringt nicht jeder, zumindest gefühlt, viel zu viel Zeit mit der Suche nach Dokumenten oder Informationen? Das liegt meist nicht an mangelnder Organisation, sondern vielmehr an der komplexen Architektur der Softwarelandschaft, mit der wir arbeiten, gilt es doch, mit verschiedenen Insellösungen wie Intranet, Enterprise Content Management und diversen Collaboration-Tools zurechtzukommen und sich die Informationen aus all diesen Quellen mühsam zusammenzusuchen. Auf diese Suche entfallen laut einer Studie tagtäglich immerhin knapp zwei Stunden. Die unzureichende Digitalisierung beeinträchtigt die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter:innen. Und wir sprechen hier nicht von Einzelfällen. Nahezu alle Mitarbeitenden sind mit Insellösungen konfrontiert. Die unvermeidlichen Schnittstellen zwischen den Anwendungen bringen die Abläufe und Prozesse ins Stocken und wirken sich nachteilig auf die Produktivität der und des Einzelnen aus.
Coronakrise als Treiber
Die Coronakrise hat dieses Problem noch verschärft. Denn mit der Verlegung des Arbeitsplatzes ins Homeoffice sind die Schnittstellen in vielen Unternehmen zu Brüchen, zuweilen sogar zu Gräben aufgeklafft, etwa wenn die Mitarbeiter:innen im Homeoffice nicht mehr auf alle Dokumente und Informationen zugreifen können, die sie für ihre Arbeit benötigen. Oder wenn die virtuelle Zusammenarbeit mit Kolleg:innen, Partner:innen und Kund:innen aufgrund der technologischen Rahmenbedingungen hakt. Dann muss dringend geklärt werden: Welche Hardware und welche Software benötige ich, um voll arbeitsfähig zu sein?
Jetzt schlägt die Stunde des Digital Workplace. Der Begriff ist in der IT-Fachwelt gerade in aller Munde, unweigerlich denken wir an moderne Technologien wie Artificial Intelligence, Chatbots, Mobile Devices, Virtual Reality und Cloud-Lösungen. Der digitale Arbeitsplatz prägt die Arbeitswelt von heute und steht gewissermaßen für eine moderne und neue Art zu arbeiten, die viele verschiedene Faktoren berücksichtigt, darunter Raum, Umwelt, Technologien und Tools.
Der Digital Workplace befindet sich dort, wo der Mensch produktiv ist – das kann im Büro sein, im Homeoffice oder an jedem anderen Ort dieser Welt, vorausgesetzt, dieser „Platz“ verfügt über einen Internetanschluss.
Ein Begriff, viele Definitionen
Geprägt haben den Begriff die IT-Spezialisten Charles Grantham und Larry Nichols bereits im Jahr 1993 in ihrem Buch „The Digital Workplace: Designing Groupware Platforms“. Sucht man nach dem Begriff im Internet, findet sich keine einheitliche Definition. Von den einen wird Digital Workplace als Softwarelösung beschrieben, als zentrale digitale Arbeitsplattform, die den Nutzer:innen alle für ihre Arbeit wesentlichen Informationen, Programme oder Funktionen zur Verfügung stellt. Die anderen betrachten ihn als nächste Evolutionsstufe des Arbeitsplatzes, wobei das Wort „Platz“ missverstanden werden kann, denn einen festen Ort zum Arbeiten sieht der Digital Workplace gar nicht mehr vor. Der Digital Workplace befindet sich dort, wo der Mensch produktiv ist – das kann im Büro sein, im Homeoffice oder an jedem anderen Ort dieser Welt, vorausgesetzt, dieser „Platz“ verfügt über einen Internetanschluss.
Charakteristisch für den Digital Workplace ist eine gewisse Dynamik. Gartner definiert sie sogar als entscheidendes Merkmal und beschreibt den digitalen Arbeitsplatz als „das Ergebnis eines fortlaufenden Bemühens um eine benutzerfreundliche IT-Umgebung […], die das Engagement sowie die Agilität der Mitarbeiter steigert“, als einen anstrebenswerten, Idealzustand.
Die Frage nach einer allgemeingültigen Definition kann also nicht einheitlich beantwortet werden. Beschäftigt man sich mit den verschiedenen Ansätzen, zeigt sich eine zentrale Erkenntnis: Jede Definition von Digital Workplace verfolgte mit ihren Ansätze ein Ziel: den Benutzer:innen eine effektive Arbeitsumgebung bereitzustellen – egal, ob strategisch, konzeptionell oder technologisch –, damit sie ihre Aufgaben schnell und einfach ausführen können.
Daher muss der digitale Arbeitsplatz ganzheitlich betrachtet werden – als ein neues und modernes Konzept von Arbeit, Arbeitsplatz und Arbeitsumgebung.
Theorie und Praxis klaffen auseinander
In der Fachwelt findet ein solcher ganzheitlicher Ansatz mittlerweile einen breiten Konsens. Doch wie sieht es in der betrieblichen Praxis aus? Angesichts der zunehmenden Bedeutung des Homeoffice sind die Unternehmen zum Handeln gezwungen. Sie müssen ihren Mitarbeiter:innen Hard- und Software sowie eine sichere Verbindung zum Unternehmen zur Verfügung stellen. Wenn, wie zu Beginn der Pandemie im Jahr 2020, Eile geboten ist, besteht allerdings die Gefahr, voreilig zu agieren und digitale Lösungen zu etablieren, die dem Konzept des Digital Workplace eher zuwiderlaufen. Da wird rasch hier eine Collaboration-Lösung ergänzt oder dort ein neues Tool angedockt. Heraus kommt ein digitaler Flickenteppich, mit dem man zwar arbeiten kann, jedoch nur unter Einbußen in puncto Produktivität, ganz zu schweigen von den so entstehenden Sicherheitsrisiken, Stichwort Schatten-IT bzw. IT-Sicherheit.
Die Vorteile auf den Punkt gebracht
Nicht so mit dem Digital Workplace. An diesem Konzept führt, zumal in Zeiten der digitalen Transformation, kein Weg vorbei. Der digitale Arbeitsplatz legt Zeiträubern das Handwerk und sorgt so für höhere Produktivität. Die Vorteile:
- Er macht Prozesse, Kundenservice und die Zusammenarbeit effizienter.
- Er fördert Innovationen, beschleunigt die Markteinführung von neuen Produkten und Services und vereinfacht das Onboarding von Mitarbeitern.
- Er verbessert die Work-Life-Balance und beflügelt die Motivation und das Engagement der Mitarbeiter.
- Er reduziert Sicherheitsrisiken.
Wie sich die Investition in Digitalisierung und virtuelle Zusammenarbeit positiv auswirkt und so den erzielten Gewinn messbar macht, zeigen die nachfolgenden Punkte:
Beispiel Zusammenarbeit
Im Schnitt nehmen die Mitarbeitenden an 62 Meetings pro Monat teil; das sind 30 Stunden pro Woche, von denen laut einer Forschungsstudie 30 bis 50 Prozent von den der Teilnehmer:innen als verschwendete Zeit gewertet werden. Der digitale Arbeitsplatz hilft, unproduktive Meetings zu vermeiden, indem er zum Beispiel Status-Meetings überflüssig macht, in denen nur To-do-Listen abgeglichen werden– eine Ersparnis von rund 9.000 US-Dollar pro Mitarbeiter:in und Jahr. Eine Einsparung in ähnlicher Größenordnung ergibt sich, wenn sich mithilfe des Digital Workplace das lästige Verwalten von E-Mails erübrigt.
Beispiel Onboarding
Je schneller neue Mitarbeiter:innen im Job ankommen, desto früher profitiert das Unternehmen von der Arbeitskraft und desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Neuzugang das Unternehmen bald wieder verlässt. Untersuchungen von Glassdoor, dem Betreiber einer Website, auf der ehemalige und aktuelle Mitarbeitende ihr Unternehmen bewerten können, haben ergeben, dass die Wahrscheinlichkeit, Mitarbeiter:innen längerfristig zu halten, bei Unternehmen mit digitalem Onboarding um mehr als 80 Prozent höher liegt als bei Unternehmen mit einem traditionellen Einstellungsprozedere.
Beispiel Mitarbeiterengagement
Laut dem US-amerikanischen Meinungsforschungsinstitut Gallup haben motivierte Mitarbeitende einen besseren Draht zu ihrer Kundschaft, sind produktiver und agieren in der Summe um 21 Prozent effektiver als weniger motivierte Mitarbeitende. Im Umkehrschluss heißt das: Vorteil Digital Workplace! Denn das Engagement der Mitarbeiter:innen steigt im selben Maß wie die Qualität der technologischen und IT-technischen Ausstattung des Arbeitsplatzes zunimmt. Diesen Zusammenhang beachten viele Unternehmen noch zu wenig, obwohl sich fast die Hälfte der Mitarbeitenden bessere Anwendungen und digitale Optionen wünscht.
Digitalisieren – aber mit Plan
Es zahlt sich für eine Organisation nachweislich aus, eine Digital-Workplace-Strategie zu entwickeln und umzusetzen, sofern sie Faktoren wie Ganzheitlichkeit und Dynamik berücksichtigt und der digitale Arbeitsplatz bei Bedarf stets dem sich ändernden Arbeitsumfeld der Betroffenen angepasst werden kann. Jeder Digital Workplace sollte individuell gestaltet sein, ein „One size fits all“-Ansatz ist ausgeschlossen, stattdessen sollte eine ganzheitliche Herangehensweise gewählt werden.
Auf der einen Seite sollten die Mitarbeiter:innen betrachtet werden: Wie muss der Digital Workplace beschaffen sein, damit der oder die Mitarbeitende seiner bzw. ihrer Tätigkeit bestmöglich nachgehen kann? Welche IT-Anwendungen sind nötig, um ihm und ihr den Arbeitsalltag zu erleichtern? Denn mit bestmöglicher Unterstützung arbeiten die Mitarbeitenden engagierter, flexibler und produktiver. Das wiederum kann sich positiv auf die Zufriedenheit der Kund:innen und Konsument:innen auswirken und pusht den Unternehmenserfolg insgesamt.
Doch auch die richtige Auswahl der Tools, Technologien und Anwendungen spielt eine wichtige Rolle. Die zentralen Fragen lauten hier: Nutzen die Mitarbeitenden mobile Devices oder eher Desktops? Wie findet der Austausch von Informationen statt und wo sind diese zu finden? In der Beantwortung dieser Fragen sollten dabei die vorherigen Punkte zu den Anforderungen der Nutzer einbezogen werden.
Nur wenn die Mitarbeitenden mit den Tools, Technologien, Anwendungen und Mobile Devices, die ihnen ihr digitaler Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, harmonisch interagieren und den Support erhalten, den sie benötigen, kann man von einer gelungenen Employee Experience sprechen. Dann werden sich die Mitarbeiter:innen auch mit den Werten, der Botschaft und der Gesamtausrichtung des Unternehmens identifizieren. Das ist die Basis für eine positive Unternehmenskultur – und das Idealmodell eines Digital Workplace.
Fragen – aber die richtigen
Um dieses Ziel zu erreichen, sollte zunächst mithilfe folgender Fragen die Ausgangssituation im Unternehmen ermittelt werden:
- Wer sind unsere Mitarbeitenden, und welche Ausstattung und Anwendungen benötigen sie, um ihre Arbeit bestmöglich zu erledigen?
- Wie ist unsere IT-Infrastruktur konzipiert, und welche Technologien und Anwendungen setzen wir bereits ein?
- Wo gilt es, Lücken zu schließen zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den verfügbaren Anwendungen?
- Inwieweit ist jede:r Mitarbeitende in der Lage, auf die Informationen und Tools zuzugreifen, die er oder sie benötigt, unabhängig von Gerät und Standort?
- Wie gut kennen unsere Mitarbeitenden Botschaft, Werte und Gesamtausrichtung des Unternehmens, und inwieweit wissen sie, wie sie zur Erreichung der Unternehmensziele beitragen können?
- Wie gut sind unsere Systeme integriert, und wie effektiv und effizient greifen sie ineinander?
- Wie ist die digitale Arbeitsumgebung beschaffen, und welche digitalen Lösungen (Plattform oder Intranet) sind bereits verfügbar?
- Welche Erfahrungen haben die Mitarbeitenden mit ihrem aktuellen digitalen Arbeitsplatz und mit virtueller Zusammenarbeit gemacht?
- Wie stellen wir uns den digitalen Arbeitsplatz der Zukunft vor, und inwieweit stimmt dieser Entwurf mit der Botschaft, den Zielen und der Kultur unseres Unternehmens überein? Wie trägt der Digital Workplace dazu bei, die Ziele zu erreichen?
Die Fragen zeigen, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse der Mitarbeiter:innen zu kennen und zu verstehen. Nur dann kann man am Ende die richtigen digitalen Lösungen wählen. Sich aber allein auf die Auswahl zu beschränken, würde als Maßnahme für eine fundierte Digital-Workplace-Strategie zu kurz greifen. Vielmehr beeinflusst die Entwicklung einer solchen Strategie die Ausrichtung, die Kultur, ja das Selbstverständnis des Unternehmens und die Zukunft als Ganzes – und zwar positiv.
Ein entscheidender Wettbewerbsfaktor
Wer rechtzeitig handelt und die digitale Transformation sowie die Entwicklung und Umsetzung einer Digital-Workplace-Strategie vorantreibt, kann im Wettbewerb in Zukunft die Nase vorn haben. Die Investition zahlt sich aus. Der Ansatz muss aber ganzheitlich und dynamisch sein, und zum Erreichen des Ziels sind individuelle Maßnahmen angesagt, „One size fits all“ führt hier nicht zum Erfolg.