Digitale Kompetenz: Schlüsselqualifikation für das 21. Jahrhundert

Digitale Kompetenz: Schlüsselqualifikation für das 21. Jahrhundert

Die Anpassungsfähigkeit eines Unternehmens steht und fällt mit der Fähigkeit der Mitarbeiter:innen, die Digitalisierung aktiv und kreativ mitzugestalten. Dabei spielt der systematische Auf- und Ausbau von digitalen Kompetenzen eine entscheidende Rolle.

New Work, Arbeit 4.0 – jede und jeder Personalverantwortliche weiß, dass die Arbeitswelt mitten im Umbruch steckt. Mit der Digitalisierung entstehen nicht nur neue Jobs und Tätigkeitsprofile, auch das Berufsleben insgesamt wird immer komplexer, schnelllebiger und unvorhersehbarer.

Trotzdem sind viele vom Ausmaß des Wandels überrascht, sobald konkrete Zahlen auf den Tisch kommen. So schätzte das Weltwirtschaftsforum auf dem Jahrestreffen 2020, dass bis zum Jahr 2030 mehr als eine Milliarde Menschen umqualifiziert werden müssen, weil sich weltweit fast ein Drittel aller Arbeitsplätze durch den Einsatz digitaler Technologien und künstlicher Intelligenz grundlegend verändern wird. 42 Prozent der für einen Job nötigen Kernkompetenzen müssen bis 2022 an die Digitalisierung angepasst werden.

Dahinter steckt die Einsicht, dass der Aufbau von Erfahrungswissen mit der Geschwindigkeit der technischen Entwicklung kaum noch Schritt hält. Um diese Lücke zu schließen, gilt es, in Zukunft spezifische Fähigkeiten zu stärken, nämlich digitale Kompetenzen, neudeutsch Digital Skills.

The illiterate of the 21st century will not be those who cannot read and write, but those who cannot learn, unlearn, and relearn

Alvin Toffler, US-amerikanischer Zukunftsforscher, 1928–2016

Was ist digitale Kompetenz?

Aus HR-Sicht könnte die Förderung der Digital Skills beispielsweise so aussehen: Personalprozesse flexibilisieren, moderne HR-Tools bereitstellen und individuelle Pfade für lebenslanges Lernen legen. So könnten sich die Mitarbeiter:innen im Employee Lifecycle selbstbestimmt neue Fähigkeiten aneignen und neuen Anforderungen im Arbeitsalltag auf diese Weise jederzeit souverän und effizient begegnen.

Das klingt erst einmal schlüssig. Nur ist damit immer noch unklar, welches Know-how im Zuge der Digitalisierung überhaupt gefördert werden soll. Nähere Hinweise dazu finden sich im Amtsblatt EU, 2018/C 189/9 der Europäischen Union, genauer gesagt in einer dort enthaltenen Definition. Sie lautet:

„Digitale Kompetenz umfasst die sichere, kritische und verantwortungsvolle Nutzung von und Auseinandersetzung mit digitalen Technologien für die allgemeine und berufliche Bildung, die Arbeit und die Teilhabe an der Gesellschaft. Sie erstreckt sich auf Informations- und Datenkompetenz, Kommunikation und Zusammenarbeit, Medienkompetenz, die Erstellung digitaler Inhalte (einschließlich Programmieren), Sicherheit (einschließlich digitales Wohlergehen und Kompetenzen in Verbindung mit Cybersicherheit), Urheberrechtsfragen, Problemlösung und kritisches Denken.“

Digitale Kompetenzen sind Querschnittskompetenzen

Übertragen auf den Arbeitsalltag, geht es somit um ein ganzes Bündel an Schlüsselkompetenzen, das den Mitarbeiter:innen jeder Altersgruppe dabei hilft, die Herausforderungen zu bewältigen, die sich heute und in Zukunft im Zuge der Digitalisierung stellen.

Dabei stehen eben nicht nur besondere Hard Skills bzw. Fachwissen im Umgang mit neuen Technologien und digitalen Produkten im Vordergrund. Vielmehr geht es um ein umfassendes Set an Soft Skills, also um Schlüsselkompetenzen wie Selbstmanagement, Kommunikations- und Networkingkompetenz, Empathie, Neugier, Entscheidungs- und Anpassungsfähigkeit. Diese Kompetenzen lassen sich nicht isoliert voneinander beliebig trainieren. Welche Soft Skills im Umgang mit der Digitalisierung eine besondere Rolle spielen, zeigt das folgende Modell:

Personale Kompetenzen

Aktivitäts- und Handlungs-
kompetenzen

Sozial-kommunikative Kompetenz

Fachlich-methodische Kompetenzen

Wert-
orientierung:

nach agilen Werten orientiert zu handeln

Entscheidungs-
fähigkeit:

mithilfe digitaler Systeme Entscheidungen unverzüglich zu treffen

Problemlösungs-
fähigkeit:

mithilfe digitaler Systeme Problemlösungen erfolgreich zu gestalten

Organisations-
fähigkeit:

Herausforderungen mithilfe digitaler Systeme aktiv und erfolgreich zu bewältigen

Eigen-
verantwortung:

mithilfe digitaler Systeme verantwortlich zu handeln

Ausführungs-
bereitschaft:

Handlungen mithilfe digitaler Systeme gut und gerne auszuführen

Kooperations-
fähigkeit:

in kollaborativen Prozessen Lösungen zu entwickeln

Systematisch-methodisches Vorgehen:

Handlungsziele mithilfe digitaler Systeme systematisch-methodisch zu erreichen

Selbst-
management:

das eigene Handeln mithilfe digitaler Systeme zu gestalten

Konsequenz:

mithilfe digitaler Systeme folgerichtig zu handeln

Anpassungs-
fähigkeit:

sich Menschen und veränderten (digitalen) Rahmenbedingungen anzupassen

Folge-
bewusstsein:

die Folgen von Entscheidungen voraussehend zu erkennen

Digitale Kompetenzen sind nach dieser Definition ein Set von verschiedenen Schlüsselkompetenzen und gewährleisten einen sicheren und kritischen Umgang mit digitalen Technologien, insbesondere mit solchen, die für die Informationsbeschaffung, die Kommunikation sowie die Problemlösung genutzt werden. Weil die Konfrontation und das nötige Abrufen der Kompetenz vorrangig während der Arbeit, im Projekt oder in der Teamkommunikation stattfindet, ist es nicht ausreichend, Wissen auf Vorrat zu vermitteln. Es kommt es auch darauf an, zu wissen, wie man sich fehlende Informationen und fehlendes Know-how bei Bedarf im Internet, Intranet oder über digitale Medien beschaffen kann. Welche Anforderungen muss ich erfüllen? Wen und was brauche ich dafür? Wie funktionieren meine digitalen Tools? Anschließend ist es nur noch wichtig, zu wissen, was man nicht weiß. Und eine Portion digitale Cleverness gehört auch noch dazu, damit man dieses fehlende Wissen schnell findet, wenn man es braucht.

Aufbau von digitaler Kompetenz in 3 Schritten

Grundsätzlich ist es ratsam, sich bei der Entwicklung digitaler Kompetenz im Unternehmen an dem oben gezeigten Modell zu orientieren. Nachdem analysiert worden ist, welche Kompetenzen aufgebaut oder den Mitarbeiter:innen zur eigenständigen Bearbeitung „on demand“ zur Verfügung gestellt werden sollen, empfiehlt sich ein Mix aus verschiedenen Methoden:

Seminare und Workshops sind da sinnvoll, wo es um die Vermittlung von Kommunikationskompetenz oder Methoden zur Selbstorganisation geht. Diese Lernformate eigenen sich aber nicht für alle Themen. Bei anderen Themen bietet sich dagegen ein Methoden-Mix aus beispielsweise Präsenz- und E-Learning, Blended Learning oder Performance Support „on the job“ an. So oder so – entscheidend ist stets ein didaktisches Konzept, das den Mitarbeiter:innen hilft, vom formellen, fremdgesteuerten Lernen auf informelles, selbstbestimmtes Lernen umzuschalten. Mitarbeiter:innen werden so, unabhängig von Vorwissen und möglicher Generationssunterschiede, gleichermaßen unterstützt. 

In die Praxis übersetzt, helfen Ihnen die folgenden drei Schritte beim Aufbau eines digitalen Kompetenzmodells für Ihre Mitarbeiter:innen:

  1. Eine Status-quo-Analyse der Digital Skills, um vorhandene Potenziale zu erkennen und zu analysieren
  2. Kompetenzdefizite durch Personalentwicklung und Recruiting ausgleichen.
  3. Ein geeignetes Arbeitsumfeld schaffen, um die Digital Skills für das Unternehmen in naher Zukunft nutzbar zu machen 
Aufbau von digitaler Kompetenz in 3 Schritten

Aufbau von digitaler Kompetenz in 3 Schritten

Bei diesen Schritten handelt es sich um einen dynamischen Kreislaufprozess, mit dem sich Veränderungen der Rahmenbedingungen im Unternehmen nachjustieren lassen. Der Kompetenzbedarf sollte in jeder Phase der Employee Journey ermittelt werden, damit die nötigen Kompetenzen zeitnah entwickelt werden können. Auch im Recruiting-Prozess sollte eine Kompetenz-Check stattfinden. So ist gewährleistet, dass neu eingestellte Mitarbeiter:innen einen Großteil der gewünschten Kompetenzen bereits mitbringen und dass die gesamte Belegschaft kontinuierlich und systematisch „on“ oder „near the job“ weitergebildet wird.

Die richtigen Rahmenbedingen schaffen

Genauso wichtig wie der richtige Mix aus Kompetenzanalyse und Didaktik sind beim Thema digitale Kompetenz die richtigen Rahmenbedingungen am Arbeitsplatz. Sie haben einen entscheidenden Einfluss darauf, ob und wie die vermittelten Kompetenzen in der Praxis genutzt und selbstständig erweitert werden.

  • Die Technik sollte zum Tätigkeitsfeld passen und auf dem neuesten Stand sein. Daher empfiehlt es sich, veraltete Technologien abzuschaffen, um digitale Neuerungen schnell zu verbreiten und eine hohe Akzeptanz für sie zu schaffen.
  • Für den Erwerb und die ständige Erweiterung digitaler Kompetenzen brauchen die Mitarbeiter:innen neben den entsprechenden Angeboten die nötige Zeit, um dieses Angebot zu nutzen. Auch wenn viele Unternehmen den Ernst der Lage inzwischen erkannt haben, sind sie im Hinblick auf Aus- und Weiterbildung bislang jedoch eher wenig großzügig. So zeigt eine Umfrage der Bitkom, dass sich sieben von zehn Berufstätigen für die Zukunft schlecht gerüstet sehen, weil sie während der Arbeit schlicht und ergreifend keine Zeit haben, um Weiterbildungsangebote zum Umgang mit neuen digitalen Technologien wahrzunehmen.

Die Unternehmen sind also gleich an mehreren Fronten gefordert, wenn es um die Entwicklung der digitalen Kompetenz ihrer Mitarbeiter:innen geht. Und dieses Projekt sollten nicht nur halbherzig verfolgt, sondern fokussiert und nachhaltig gestaltet werden. Schließlich geht es dabei um eine wertvolle Investition in die Zukunft als Unternehmen.