Artikel

Elektronische Patientenakte: Richtig und sicher dokumentieren

Weniger Doppeluntersuchungen, mehr Zeit für die medizinische Versorgung – mit der Anfang 2021 eingeführten elektronischen Patientenakte (ePA) sind hohe Erwartungen verbunden. Allerdings auch ein Berg an Arbeit. So müssen vor allem Krankenhäuser erst noch auf eine durchgängige digitale Behandlungsdokumentation umstellen und zusätzlich die digitalen Gesundheitsdaten vor unbefugtem Zugriff schützen. Beides gelingt aber nur mit einem positiven Mindset gegenüber der Digitalisierung – mit Digital Adoption.
26. März 2021
7 min
Julia Schmich Julia Schmich

Seit Januar 2021 haben Krankenversicherte in Deutschland Anspruch auf die elektronische Patientenakte (ePA), die in mehreren Ausbaustufen bundesweit ausgerollt wird. Läuft alles wie vorgesehen, werden mit Beginn von Stufe drei ab Januar 2023 neben niedergelassenen Ärzten und Ärztinnen, Pflegeeinrichtungen, Krankenkassen oder dem öffentlichen Gesundheitsdienst auch Krankenhäuser die ePA nutzen, damit die Vision vom digitalen Gesundheitssystem nach jahrelangen Diskussionen tatsächlich Realität werden kann. 

Hoher Digitalisierungsdruck für Krankenhäuser

Angesichts der damit verbundenen Herausforderungen ist dieser Zeitpuffer allerdings nicht wirklich groß. Bislang können erst wenige der rund 2.000 Kliniken in Deutschland die nötige technische Infrastruktur vorweisen oder Arbeitsabläufe, mit denen die ePA wie vorgesehen funktioniert. Um das zu erreichen, müssen die Einrichtungen nämlich die Pflegedokumentation digitalisieren und den klinikweiten Datenaustausch in ihre etablierten Prozesse integrieren. Zusätzlich muss die IT an die Telematikinfrastruktur (TI) angeschlossen, Ärztinnen und Ärzte, Apotheken, Therapeut:innen, Krankenhäuser und Krankenkassen müssen miteinander vernetzt werden. Scheitert eine Klinik an dieser Herausforderung, ist seit Anfang 2022 ein Abschlag in Höhe von einem Prozent des Rechnungsbetrags für jeden voll- und teilstationären Fall vorgesehen.

Der Gesetzgeber macht also mächtig Druck, um die Entwicklung beim Thema elektronische Patientenakte in die gewünschten Bahnen zu lenken. Davon sollen nicht nur die 70 Millionen gesetzlich Versicherten in Deutschland profitieren, sondern auch alle weiteren Leistungserbringer:innen im Gesundheitssystem.

Mit der ePA von der Pferdekutsche in den Hochgeschwindigkeitszug

Die ePA ist dabei zwar nur ein digitaler Baustein von vielen, an ihr lässt sich aber am besten ablesen, wohin die Reise geht und welche Vorteile sie bringt. Die elektronische Patientenakte fasst die individuellen Informationen zur Gesundheit und medizinische Unterlagen als gespeicherte Daten in einem digitalen Dokument zusammen. So können die Patient:innen ihre elektronische Gesundheitskarte, den Arztbrief, das Zahn-Bonusheft, den Mutterpass und vieles mehr in einer Smartphone-App verwalten – das kommt dem Umstieg von der Pferdekutsche in einen Hochgeschwindigkeitszug gleich.

Noch liegen die persönlichen Gesundheitsdaten der Patient:innen nämlich in den meisten Fällen in Papierform vor, auf die die Versicherten keinen direkten Zugriff haben. Mit der ePA werden alle medizinischen Dokumente und Informationen erstmals transparent in einer einzigen elektronischen Krankenakte gespeichert, die die Patient:innen mit den Leistungserbringer:innen im Gesundheitssystem gezielt teilen können, mit der Praxis genauso wie mit der Krankenkasse oder der Apotheke.

Eine neue Dimension der Pflegedokumentation dank elektronischer Patientenakte

Über vier Milliarden Euro von Bund und Ländern sollen den Kliniken den Aufbau einer solchen elektronischen Pflege- und Behandlungsdokumentation ermöglichen, die für alle am Behandlungsprozess beteiligten Mitarbeitenden verfügbar und vollständig in die internen wie externen Netzwerkinfrastrukturen eingebettet ist.

Schon diese Anforderungen zeigen, wie umfangreich und komplex die Veränderungsprozesse sind, die die Krankenhäuser in verhältnismäßig kurzer Zeit durchlaufen müssen, wenn sie den für die ePA geforderten Dokumentationsstand der Patientendaten erreichen wollen. Dabei sind nicht nur die technischen Hürden hoch, auch die Anforderungen an Ärztinnen und Ärzte sowie an die übrigen Mitarbeitenden in Sachen ePA steigen sprunghaft an, weil sie sich zum Beispiel in sprachbasierte Dokumentationssysteme oder neue Software bzw. Apps für elektronisch gestützte Visiten und rollenbasierte Berechtigungskonzepte einarbeiten müssen.

Nicht zu unterschätzen: Das gesamte Klinikpersonal richtig qualifizieren

Wie gut die Umstellung gelingt, hängt also nur zum Teil von der möglichst reibungslosen Implementierung neuer Hard- und Software inklusive der erforderlichen Schnittstellen ab. Mindestens genauso wichtig ist die systematische Qualifizierung aller beteiligten Mitarbeitenden – keineswegs nur der Ärztinnen und Ärzte –, damit sie die neuen Anwendungen akzeptieren und fehlerfrei bedienen können. Trainings vor, während und nach dem Go-live sind dafür unverzichtbar, damit nicht nur das erste Befüllen elektronischer Formulare gelingt, sondern wichtige Informationen stets korrekt ihren Weg in die elektronische Patientenakte finden.

Mit Blick auf Ausmaß und Tempo der fortschreitenden digitalen Transformation ist jedoch mehr erforderlich: Es braucht ein digitales Mindset, das geprägt ist von Neugier und Offenheit gegenüber der Digitalisierung.


Keine Angst vor digitalen Veränderungen

Eine der wichtigsten Voraussetzungen für den Aufbau eines digitalen Mindsets ist Digital Adoption. Dabei handelt es sich um einen Change-Prozess, der auf eine positive Einstellung gegenüber weitreichenden Veränderungen abzielt, indem er die Perspektive weglenkt von den anstehenden Herausforderungen und auf das Ziel fokussiert. Digital Adoption befähigt das ärztliche und pflegerische Personal und die Krankenhausverwaltung,

  • die neuen Arbeitsroutinen nicht als Störung wahrzunehmen, sondern als notwendigen Schritt für Innovation und die Zufriedenheit der Patient:innen,
  • das Verbesserungspotenzial der digitalen Technologien für die eigene Arbeit, für die Arbeit der Kolleg:innen sowie für  Sicherheit und Qualität der Behandlung zu erkennen,
  • die neuen Prozesse, Technologien und die neue Software vollständig zu beherrschen und gerne zu nutzen.

 

Digital Adoption Platforms fördern korrekte Nutzung der ePA

Digital Adoption basiert auf einem mehrstufigen Schulungskonzept, das idealerweise durch eine kontextsensitive Software, eine sogenannte Digital Adoption Platform, ergänzt wird. Anders als formale Schulungsformate bietet eine Digital Adoption Platform direkte Hilfe am Arbeitsplatz – passgenau zugeschnitten auf die jeweilige Rolle. So bekommen Ärztinnen und Ärzte, das Pflegepersonal, aber auch die Mitarbeitenden in der Verwaltung genau die Unterstützung, die sie persönlich benötigen, damit sie die Apps und Systeme ohne weitere Nachfragen online, mobil oder am PC sicher und Compliance-konform bedienen können.

Eine Digital Adoption Platform leistet gerade bei Transformationsprojekten im hektischen Krankenhausbetrieb einen wertvollen Beitrag, weil der Unterstützungsbedarf hier besonders groß ist und ad hoc auftritt. Sie beugt Bedienfehlern vor, die fatale Folgen haben können. Der falsch zusammengesetzter Medikationsplan, der die Gesundheit des oder der Patient:in gefährden kann, ist hier nur ein Beispiel für die möglichen Gefahren. Die Digital Adoption Platform trägt wesentlich dazu bei, dass Ärztinnen und Ärzte, Pfleger:innen und Verwaltungsmitarbeitende ohne langwierige Schulungsmaßnahmen sofort ein Erfolgserlebnis haben und ihre Arbeit kontinuierlich verbessern können. Gleichzeitig minimiert ihr Einsatz den Aufwand für Präsenztrainings und klassisches Onboarding.

Fördertatbestand 10: Change Management und IT-Sicherheit

Natürlich weiß auch der Gesetzgeber, wie wichtig Change-Maßnahmen für den Erfolg von digitalen Transformationsprojekten sind. Deshalb werden im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes (KHZG) Digitalisierungsprojekte erstmals vollständig aus Bundesmitteln finanziert. Das bedeutet: Neben den Kosten für die Beschaffung und Implementierung von Hard- und Software werden zum Beispiel auch Change-Maßnahmen gefördert, die den Compliance- und prozesskonformen Betrieb eines Krankenhauses gewährleisten.

Das gilt insbesondere auch für Aktivitäten zur Verbesserung der IT-Sicherheit, die bislang von einer Förderung aus den Töpfen des Krankenhausstrukturfonds ausgeschlossen waren. Im Rahmen des KHZG sind nun mindestens 15 Prozent der beantragten Fördermittel für Maßnahmen zur Verbesserung der Cybersicherheit zu verwenden. Das betrifft sowohl Konzepte zur Absicherung von IT-Systemen wie auch solche, die zu einer sicheren und DSGVO-konformen Verarbeitung von Informationen etwa im Rahmen der elektronischen Patientenakte beitragen.

Compliance- und DSGVO-konforme Verarbeitung von medizinischen Daten

Gerade das Thema IT-Sicherheit darf keinesfalls unterschätzt werden. Zum einen vergrößert sich mit der zunehmenden Digitalisierung des Gesundheitswesens auch die Angriffsfläche für Cyberkriminelle. Zum anderen hat die Zahl der Hackversuche jetzt schon bedrohliche Ausmaße angenommen. So gab es laut einem Bericht der Bundesregierung zwischen Januar und Anfang November 2020 insgesamt 43 erfolgreiche Angriffe – mehr als doppelt so viele wie im Jahr davor.

Auch hier kann eine Digital Adoption Platform passgenau Unterstützung leisten, weil sie rollenbasierte Hilfestellung bei der Compliance- und DSGVO-konformen Bearbeitung von Informationen über Patient:innen und anderen schützenswerten Daten in Übereinstimmung mit den jeweils geltenden Security-Richtlinien bietet – ein Vorteil, der in Zukunft immer wichtiger wird.

Fazit: Es ist höchste Zeit, die Digitalisierung im Gesundheitswesen voranzutreiben. Dabei muss der Fokus vor allem auf die Anwender:innen der neuen Softwares gelegt werden. Sie sollten bei Bedarf mit geeigneten Hilfen, zum Beispiel einer Digital Adoption Platform, unterstützt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass sie sämtliche Systeme gewissenhaft bedienen und Prozesse einhalten. Erst dann ist der Grundstein für eine erfolgreiche Einführung der elektronischen Patientenakte (ePA) gelegt, über die die Gesundheitsdaten sowohl von den Patient:innen als auch von den Ärztinnen sowie Ärzten und den Krankenkassen zentral eingesehen und gepflegt werden können.

Verwandte Artikel

Digitalisierung im Krankenhaus
Video

Geld alleine reicht nicht

Die Digitalisierung wird für das Gesundheitswesen immer wichtiger. Die finanziellen Mittel des Krankenhauszukunftsgesetz sind eine willkommene Unterstützung, die die Kliniken aber vor neue Herausforderungen stellt.
21. September 2021
6 min
Geld alleine reicht nicht