Knowledge Management in Unternehmen
Gibt es so etwas wie ein „dummes“ Unternehmen? Kann auch ein Unternehmen an Demenz erkranken? Aus der Perspektive des Knowledge Managements gesehen, lautet die Antwort eindeutig „Ja“. Denn Organisationen, denen erfolgskritisches Know-how buchstäblich wegläuft, zum Beispiel wenn ein verdienter Leistungsträger ausscheidet und sein Know-how einfach mitnimmt, oder die nicht wissen, was sie wissen, leiden an einem ernst zu nehmenden Problem.
Knowledge Management zahlt sich aus
Im Vergleich zu Wettbewerbern, die über ein organisationales Wissensmanagement verfügen – neudeutsch „Knowledge Management“ genannt – lernen diese Firmen nämlich nicht aus ihren Fehlern und begehen sie deshalb immer wieder. Genau das macht diese Unternehmen aber auch weniger agil, denn Fehler kosten wertvolle Zeit, die die besser aufgestellte Konkurrenz bereits gewinnbringend zur Optimierung ihrer Prozesse oder zur Entwicklung von Innovationen nutzen kann.
Außerdem verschwenden Unternehmen ohne strukturiertes Knowledge Management bares Geld. So dauert es bei ihnen zum Beispiel länger, bis ein neuer Mitarbeiter die internen Abläufe beherrscht und zum wirtschaftlichen Erfolg beiträgt. Laut einer Studie von KPMG entstehen Kosten von jährlich 50.000 bis 500.000 Euro, wenn der Knowledge-Transfer zu lange dauert oder nicht gelingt.
Definition von Knowledge Management
Knowledge Management bzw. Wissensmanagement gilt seit Jahren als strategischer Ausweg aus dem kostspieligen Labyrinth des Nichtwissens. Doch die Materie ist komplex, wie ein Blick auf die unterschiedlichen Definitionen des Begriffs zeigt.
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So heißt es zum Beispiel im Gabler Wirtschaftslexikon: „Wissensmanagement beschäftigt sich mit dem Erwerb, der Entwicklung, dem Transfer, der Speicherung sowie der Nutzung von Wissen.“
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Laut Wikipedia dagegen handelt es sich bei Wissensmanagement um „die methodische Einflussnahme auf die Wissensbasis eines Unternehmens (organisatorisches Wissensmanagement) bzw. eines Individuums (persönliches Wissensmanagement). Unter der Wissensbasis werden alle Daten und Informationen, alles Wissen und alle Fähigkeiten verstanden, die diese Unternehmensorganisation bzw. Person zur Lösung ihrer vielfältigen Aufgaben hat oder haben sollte.“
Das Ziel von Knowledge Management
Nach diesen Definitionen besteht das Ziel von Knowledge Management also darin, vorhandenes und neues Wissen zu bündeln, es sinnvoll zu verwalten und für die Lösung von Problemen möglichst nutzbringend verfügbar zu machen.
Das bedeutet aber auch, dass das Management von Know-how weit mehr ist als bloßes Informationsmanagement.
Information versus Wissen
Ein kurzer Vergleich der Begriffe „Information“ bzw. „Wissen“ macht deutlich, warum Wissen mehr ist als die Übertragung von Informationen:
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Informationen bestehen aus Zeichen, für die sich eine Person zu einem bestimmten Zeitpunkt besonders interessiert, weil sie ihr helfen, ein persönliches Ziel zu erreichen, sei es ein Stellenangebot, die neueste Staumeldung oder Wirtschaftsinformationen für einen Aktionär. Hat die Information ihren Zweck erfüllt, verliert sie ihren Wert.
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Im Gegensatz dazu entsteht Wissen durch Vernetzung. Wir verknüpfen unterschiedliche Informationen mithilfe unseres Vor- und Erfahrungswissens, interpretieren es und machen es nutzbar. Wissen ist also kontext- und erfahrungsabhängig. Es ist immer an den individuellen Menschen gebunden – zugleich aber auch das einzige Gut, das sich durch Teilen vermehrt.
Kann man Wissen teilen?
Damit stellt sich die Frage: Kann an einzelne Menschen gebundenes Know-how überhaupt geteilt werden? Und, wenn ja, wie kann man es für andere nutzbar machen und Risiken wie das Entstehen von „Wissens-Inseln“ vermeiden?
Zu diesem Zweck unterscheidet das Knowledge Management zwischen „explizitem“ und „implizitem“ Wissen.
Knowledge Management unterscheidet explizites und implizites Wissen
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Beim expliziten Wissen oder auch „Embrained Knowledge“ handelt es sich um Faktenwissen, wie es in Lehrbüchern, Arbeitsanweisungen oder Organigrammen zu finden ist. Es lässt sich verhältnismäßig einfach teilen.
Strategisch wichtiges Faktenwissen einzelner Personen kann beispielsweise mit geringem Aufwand in einem Unternehmens-Wiki, einer Datenbank oder in Wissens-Groupware mit einer intelligenten Dokumentenverwaltung gespeichert, aktualisiert und verteilt werden. -
Implizites Wissen oder „Embodied Knowledge“ umfasst hingegen alles, was wir durch Erfahrung gelernt haben. Die Weitergabe dieser Art von Know-how ist erheblich schwieriger, da seinem Träger oft gar nicht bewusst ist, warum er etwas besonders gut kann – etwa, wenn ein Vertriebsmitarbeiter „spürt“, welche Taktik ihm den ersehnten Abschluss bringt.
Damit dieses Können weitergegeben und von anderen genutzt werden kann, muss implizites in explizites Wissen umgewandelt werden. Das ist jedoch nur bedingt möglich und erfordert einen intensiven zwischenmenschlichen Austausch, zum Beispiel im Rahmen eines Mentorings oder Coachings.
Knowledge Management integriert implizites Wissen
Ausgerechnet das implizite Erfahrungswissen ist für Unternehmen eine bedeutsame Quelle für Innovationen, Prozessoptimierungen und Wettbewerbsvorteile. Denn je komplexer eine Aufgabe ist, desto mehr implizites Wissen erfordert die Lösung dieser Aufgabe.
Soll dieses Wissen nicht mehr nur im Kopf eines einzelnen Angestellten vorhanden sein, sondern teamübergreifend nutzbar werden, benötigen Organisationen eine gut durchdachte Strategie. Diese zu entwickeln bedeutet zwar einigen Aufwand, doch es lohnt sich. Schließlich können Unternehmen und Organisationen erst mit einem strategischem Knowledge Management vorhandene Know-how-Potenziale für ihre Ziele einsetzen und effizient auf neue Herausforderungen reagieren.
Mit Strategie zum Knowledge Management
Eine „One size fits all“-Strategie gibt es beim Knowledge Management leider nicht, denn jede Firma verfügt über ein individuelles Set aus Kompetenzfeldern. Diese bestimmen, welches interne bzw. externe Know-how zur Prozessoptimierung sowie zur Verbesserung der Reaktionsfähigkeit identifiziert und bereichsübergreifend integriert werden muss.
Zum Aufbau von strategischem Knowledge Management ist es deshalb zunächst erforderlich, vom eigenen Bedarf ausgehend die Kompetenzfelder festzulegen, in denen strategisch wichtiges Wissen aufgebaut und geteilt werden soll. Anschließend können die Prozesse definiert und aufgesetzt werden, mit denen sich das nötige Know-how systematisch identifizieren, heben, speichern und nutzen lässt.
IT, die Knowledge Management unterstützt
Erst dann kann geklärt werden, mit welchen IT-Lösungen und Tools sich der konzipierte Transformationsprozess am besten unterstützen lässt:
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Zum schnellen Auffinden relevanter Dokumente eigen sich beispielsweise Wiki-Wissensdatenbanken, mit denen sich explizites Fachwissen, aber auch Unterlagen speichern, kategorisieren und zugänglich machen lassen.
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Digital-Workplace-Konzepte leisten wertvolle rollenbasierte Hilfe bei der effizienten Selektion und Kontextualisierung von Know-how.
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Und eine Digital Adoption Platform bietet wichtige und vor allem rasche Unterstützung bei der konkreten Arbeit, weil der Nutzer damit in seinem persönlichen Anwendungskontext die richtige Information im richtigen Moment erhält.
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Implizites Wissen lässt sich mit Social-Collaboration-Software im Intranet verfügbar machen, weil sie den Informationsfluss zwischen Abteilungen und über Hierarchien hinweg fördert. Gleichzeitig hilft sie durch Funktionen wie Activity Streams und einfaches Team-Building bei der Suche nach und der Einbindung von unternehmenseigenen Experten.
Die Gefahr: Knowledge Management als Dokumenten-Friedhof
Wichtig ist in jedem Fall, darauf zu achten, dass Knowledge Management nicht zum Dokumenten-„Friedhof“ verkommt. Damit Knowledge Management in der Praxis erfolgreich ist, muss ein Unternehmen seinen Beschäftigten das Wissen bedarfsgerecht zur Verfügung stellen.
Das häufig praktizierte Sammeln von Unternehmenswissen in Dokumenten-Managementsystemen führt genauso wenig zum Ziel wie der bloße Zukauf von großen Kurssammlungen. In beiden Fällen fehlt die notwendige Einordnung in den Anwendungskontext sowie der Zuschnitt auf die Rollen der Mitarbeiter, bei zugekauften Informationen darüber hinaus auch die notwendige Übereinstimmung mit der unternehmensindividuellen Wissensbasis.
Zudem sind Prozesse, Software und IT nicht alles. Beim Aufbau eines Systems für das Knowledge Management spielt auch die physische Infrastruktur eine wichtige Rolle – also Arbeitsplätze, Besprechungsräume, Kaffeeküchen oder kleine Arbeits- und Meeting-Ecken. Auch die Arbeitsumgebung muss stimmen, damit der Austausch der Kollegen untereinander und, damit verbunden, der Wissenstransfer gefördert wird.
Knowledge Management setzt Bereitschaft voraus
Erfolgreiches Knowledge Management ist jedoch nicht nur eine Frage der richtigen Technik und der richtigen Ausstattung. Es setzt außerdem bei der gesamten Belegschaft die Bereitschaft voraus, Know-how mit anderen zu teilen und ständig dazuzulernen.
Das kann dort schnell zum Problem werden, wo der Besitz von Know-how der eigenen Profilierung dient oder gar als Garant für die Arbeitsplatzsicherung gesehen wird. In der Praxis besteht die größte Herausforderung deshalb auch im Aufbau einer Unternehmenskultur, die die Mitarbeiter dazu motiviert, ihr Know-how aktiv weiterzugeben.
Knowledge Management in der Kultur verankern
Um eine Unternehmenskultur zu fördern, die Knowledge Management wertschätzt, bieten sich mehrere Möglichkeiten:
1. Persönliche Vorteile bieten
Wer persönliche Nachteile befürchtet, wenn er andere an seinem Know-how teilhaben lässt, wird sich von Argumenten wie unternehmerischen Wettbewerbsvorteilen kaum umstimmen lassen. Deshalb muss deutlich werden, welche persönlichen Vorteile sich für einen Mitarbeiter ergeben, wenn er Know-how teilt.
2. Teamleistung honorieren
„Incentive-Systeme“ und Leistungsanreize müssen angepasst werden. Beispielsweise sollten sich Erfolge und damit verbundene Honorierungen nicht an der Leistung eines Einzelnen, sondern an der Teamleistung orientieren.
3. Soziale Sicherheit bieten
Beschäftigte, die ihr Wissen teilen, müssen sicher sein können, dass ihnen dadurch keine Nachteile entstehen. Beispielsweise kann die Weitergabe von "Knowledge" zu einem wichtigen Bestandteil der Mitarbeiterbeurteilung und der Gehaltsfestlegung aufgewertet werden.
4. Selbstorganisiertes Lernen fördern
Wenn sich Angestellte verstärkt einbringen sollen, benötigen sie den entsprechenden Freiraum, um sich ihren Interessen entsprechend weiterzubilden und ihre Kreativität zu entfalten. Nur so entstehen neue Produktideen oder Verbesserungsvorschläge und eine dynamische Lern- und Lehrkultur wird gefördert.
5. Transparente Ziele setzen
Wissensmanagement sollte immer auch an konkrete Zielvereinbarungen und Beurteilungen gekoppelt sein. Beides muss für die Angestellten transparent sein, damit sie nachvollziehen können, welchen Beitrag zur Wertschöpfung sie mit dem Teilen von Know-how leisten und welche beruflichen Vorteile daraus resultieren. Gleichzeitig brauchen Unternehmen eine erhöhte Risiko- und Fehlertoleranz, damit etwaige Rückschläge nicht zur dauerhaften Demotivation der Mitarbeiter führen.
Knowledge Management ist ein lebendiger Prozess
Gerade weil Wissensmanagement ein wichtiger Erfolgsfaktor für Unternehmen und Organisationen ist, kommt es darauf an, möglichst alle Mitarbeiter an Bord zu holen und nicht mit der Brechstange vorzugehen.
Knowledge Management ist in allen Phasen ein interaktiver und lebendiger Prozess, bei dem starre Methoden und Vorgehensweisen wenig hilfreich sind. Stattdessen leisten eine nachhaltige Strategie und passende IT-Lösungen wertvolle Unterstützung.
Viel entscheidender ist aber, auch die kulturellen Weichen im Unternehmen richtig zu stellen – nämlich so, dass alle Mitarbeitenden aus eigenem Antrieb ihr Wissen gerne teilen, sei es virtuell oder persönlich, im Projekt, im Team oder in ihrem Netzwerk.