Marktführer sind Besserwisser

Im Kampf um Marktanteile machen die an der Spitze irgendetwas anders als die Schlusslichter. Doch woran liegt es, dass Wettbewerbs- und Wachstumschampions der Konkurrenz regelmäßig die Rücklichter zeigen? Wissen sie mehr als andere, oder setzen sie ihr Wissen einfach nur besser ein?
02. Juni 2021
6 min

Eine zündende Idee, ehrgeizige Ziele und Visionen – damit fängt es an, wenn man ein Unternehmen gründet. Und wie geht es weiter?

Bei manchen gar nicht, weil sie sich mühsam weiterschleppen, bis sie am Ende die Segel streichen. Anderen gelingt der Aufbau einer soliden Basis, von der es sich gut leben lässt. Immer wieder gibt es aber auch Unternehmen, die schnell einen Spitzenplatz in ihrem Marktsegment erobern – etwa Tesla. Oder die innerhalb eines Jahres Wachstumsraten von mehreren Hundert Prozent hinlegen, weil sie nicht nur eine gute Geschäftsidee haben, sondern offensichtlich auch irgendetwas richtigmachen. Nur was?

Preis, Qualität, Differenzierung – wichtig, aber nicht genug

Die Standardantwort auf die Frage, was manche Unternehmen erfolgreicher macht als andere, findet sich in fast jedem Managementhandbuch. Sie orientiert sich an der von dem Harvard-Professor Michael E. Porter entwickelten Wettbewerbsmatrix aus den 1980er-Jahren. Demnach erreicht ein Unternehmen dann einen Wettbewerbsvorteil, wenn es eine der folgenden Strategien erfolgreich umsetzt:

  • Kostenführerschaft durch möglichst geringe Stückkosten. Das Ziel besteht nicht darin, den niedrigsten Preis zu bieten, vielmehr geht es um den Aufbau einer überlegenen Kostenstruktur, mit der man selbst dann noch Gewinne einfährt, wenn die Konkurrenz bereits Verluste schreibt. Typische Beispiele sind Discounter wie Lidl und Aldi, Ikea, Ryanair oder die Automarke Dacia.
  • Differenzierung vom Wettbewerb, beispielsweise durch herausragende Qualität (Mercedes-Benz, Vitra oder Rolex), einzigartige Produkte bzw. Produktmerkmale (Polaroid, iPhone, Gameboy), einen besonderen Service (Amazon, dm oder ING-DiBa) oder ein positives Image (Red Bull, Lego, Disney, Samsung).
  • Fokussierung auf eine Marktnische, etwa auf bestimmte Regionen, ausgewählte Zielgruppen oder hochspezialisierte Produkte. Diese Strategie bietet die Chance, die Bedürfnisse der Kund:innen besser verstehen und erfüllen zu können. Prominente Beispiele hierfür sind Tesla, Zeiss, Birkenstock oder Augustiner-Bräu.

Der Vorteil generischer Modelle wie der Wettbewerbsmatrix von Michael E. Porter besteht darin, dass sie einen groben Fahrplan für wachstumsorientierte Unternehmen bieten. Allerdings haben sie den Nachteil, dass die beschriebenen Kategorien in der Realität ungefähr so selten vorkommen wie Einhörner oder schwarze Schwäne. Im wahren Leben findet man zumeist Mischformen, also hybride Wettbewerbsstrategien, die beispielsweise Kostenführerschaft mit Differenzierung verknüpfen oder Differenzierung mit Fokussierung. Swatch etwa war Mitte der 1980er-Jahre mit seiner Kombination aus günstigem Preis und ansprechendem Design so erfolgreich, dass die angeschlagene Schweizer Uhrenindustrie kurz darauf wieder den Weltmarkt anführen konnte.

Das Wie macht den Unterschied

Der begrenzte Nutzen theoretischer Modelle zeigt sich auch daran, dass sie nicht erklären können, warum zum Beispiel der britische Essenslieferant Deliveroo seinen Umsatz seit der Gründung 2013 fast jedes Jahr verzehnfachen konnte. Auch nicht, wie es der grüne Stromversorger Bulb Energy auf ein durchschnittliches Wachstum von 1.159 Prozent und damit im Ranking der Financial Times kürzlich auf Platz eins der am schnellsten wachsenden Unternehmen in Europa geschafft hat. Und woran es liegt, dass einige Firmen in der Coronakrise wesentlich erfolgreicher abschneiden als der Wettbewerb, lässt sich mit Porters Matrix allenfalls erahnen.

Klar, Strategien und deren ständige Anpassung an die real existierenden Bedürfnisse der Kund:innen sind eine zentrale Voraussetzung für Wachstum. Und natürlich können junge Unternehmen in neuen Märkten schneller wachsen als Traditionsunternehmen in gesättigten Märkten. Fakt ist aber auch, dass sich Unternehmen trotz gleicher Positionierung und ähnlicher Ausgangslage völlig unterschiedlich entwickeln. Ökonom:innen und Manager:innen weisen deshalb immer wieder darauf hin, dass es nicht nur darauf ankommt, was die Top-Performer:innen tun. Mindestens genauso wichtig ist, wie sie es tun.

Das eigene Wissen zum Wettbewerbsvorteil machen

Dieser Punkt ist gleich aus mehreren Gründen bedeutsam: Zum einen werden Digitalisierung und Technologisierung in allen Branchen in absehbarer Zeit zum Standard werden; wenn alle die gleichen Best Practices und digitalen Leistungsbausteine nutzen, kann von differenzierender Wirkung keine Rede mehr sein. Zum anderen werden Wettbewerbsvorteile wie Purpose, Markenstärke oder Qualitätslabel wie „Made in Germany“ an Strahlkraft verlieren, sei es, weil alle Unternehmen auf die gleichen gesellschaftlichen Trends setzen oder weil eine starke Marke zu wenig Spielraum für Experimente und Innovationen lässt – darauf deuten mehrere Studien hin, darunter eine aktuelle Umfrage des Handelsblatts.

Welcher Unterschied macht dann eigentlich noch den alles entscheidenden Unterschied? Die banale Antwort lautet: Das, was man besser kann als alle andern!

Würde man jedoch 100 Unternehmen danach fragen, was genau das ist, wüssten vermutlich nur wenige die Antwort. Genau hier liegt das Problem.

Wirklich einen Unterschied macht ausschließlich das eigene, das unternehmensspezifische Wissen. Kein austauschbares „Me too“, das es bei den einschlägigen Learning-Plattformen für alle gibt. Sondern Wissen, das aus unzähligen Erfolgen und Misserfolgen erwachsen ist, das einzigartige Set aus firmeneigenen Best Practices. Ein Spitzenunternehmen schlägt daraus Kapital, während andere nicht einmal wissen, was sie wissen, und wertvolles Potenzial einfach verschenken.

Warum groß scheitern, wenn es im kleineren Maßstab auch erfolgreich geht?

Am liebsten möchte man den Unternehmen zurufen: Kümmert euch um eure Prozesse, wenn ihr einzigartig bleiben wollt! Bündelt euer Wissen, systematisiert es! Sorgt dafür, dass es aktuell bleibt, und macht euer Wissen endlich mobil, damit es zum richtigen Zeitpunkt überall dort verfügbar ist, wo es gerade gebraucht wird!

Der Schlüssel dafür sind nicht groß angelegte Knowledge-Management-Projekte, die die Unternehmenskultur oft überfordert. Zudem veraltet wenig so schnell wie Wissen, das nicht im „Moment of Need“ gebraucht und bereitgestellt wird. Stellt man dagegen pragmatisch erstellte Hilfen mit einer modernen Digital Adoption Platform bereit, bringt man das firmeneigene Wissen aus den vorhandenen Silos heraus passgenau und vor allem dauerhaft aktuell zu den Mitarbeitenden.

Ganz ohne Anstrengung funktioniert auch das nicht, schließlich soll das Wissen am Ende so effizient verfügbar sein, dass es zum Wettbewerbsvorteil werden kann. Doch der Aufwand bleibt überschaubar. Selbst bei größeren Unternehmen reichen häufig schon wenige Monate, um das vorhandene Wissen zu systematisieren, zu aktualisieren und so zu kuratieren, dass es die Mitarbeitenden ihrer jeweiligen Aufgabe und Rolle entsprechend in der Praxis nutzen können.

Trotzdem kann eine Digital Adoption Platform eine ganzheitliche Herangehensweise nicht ersetzen. Die vielleicht wichtigste Zutat zum Wettbewerbsvorteil fehlt nämlich noch: Mitarbeitende, die an ihrem Arbeitsplatz dafür sorgen, dass die eigenen Wissensvorteile im Markt und bei den Kund:innen wirksam werden. Denn Wachstumschampions und Wettbewerbsführer sind vor allem deshalb im Vorteil, weil sie nicht nur in Teilbereichen überlegen sind, sondern in allem, was sie tun, das heißt, an jedem Arbeitsplatz im Unternehmen und bei jedem einzelnen Prozessschritt. Weil sie die Daten der Kund:innen besser pflegen und auswerten als der Wettbewerb, wissen sie auch mehr über sie und können besser auf deren Bedürfnisse eingehen. Und weil, wie beim Serviceführer Amazon, alle Mitarbeitende ganz genau wissen, was die Käufer:innen erwarten – zum Beispiel die problemlose Rücksendung bei Nichtgefallen –, sorgen sie für ein durchgängig besseres Shoppingerlebnis.

Menschen und Technologie zusammenbringen

Schon mit wenigen Maßnahmen kann man entscheidend zur Pflege und zum Ausbau der eigenen Wettbewerbsvorteile beitragen. Es gilt, Menschen und Technologien zusammenzubringen, die Akzeptanz für innovative Methoden, Tools und Organisationsformen zu fördern und jeder und jedem Mitarbeitenden das dafür nötige Wissen möglichst passgenau bereitzustellen.

Das klingt wenig spektakulär. Aber wenn es dadurch nach und nach gelingt, die Performance-Regler bei allen Arbeitsabläufen hochzudrehen, ergibt das in der Summe einen Wettbewerbsvorteil, der einen gewaltigen Unterschied macht. Ganz einfach deshalb, weil sich damit die Chance bietet, die eigene Vision tatsächlich zu leben. Wie gesagt: Ein wenig Aufwand ist nötig. Aber er lohnt sich.

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