Podcast

LERNLUST #37 // User Creation & User Curation

Stephan Hilbrandt, Johannes Starke und Susanne Dube sprechen in der neuen Folge des LERNLUST Podcasts über die drei User Generated Cs (Content + Curation + Creation) und die vielfältigen Möglichkeiten, diese in einer Corporate Learning Strategie zu fördern.
30. Juni 2023
61 min
Susanne Dube, Learning Manager, tts Susanne Dube

Wenn wir wüssten, was wir wissen ... . Diese geflügelten Worte des organisationalen Wissensmanagements fassen gut zusammen, welche Relevanz das Sichtbarmachen und Teilen von Wissen und Lernerkenntnissen in Unternehmen hat.

Dies gilt insbesondere, seitdem neue, veränderte und andere Themen in Organisationen immer schneller auftauchen und wichtig werden. Das Wissen muss schnell im richtigen Moment bereitstehen. Softwareanwendungen, wie z. B. Digital Adoption Platforms, haben sich längst dieses Themas angenommen. Und doch: Solange ein aufwändiger redaktioneller Prozess dahinter steht, bleibt der Bedarf nach schnellem Austausch bestehen.

Natürlich ist in solchen Fällen auch gemeinsames Lernen und gegenseitige Unterstützung im Arbeitsprozess unter Kolleg:innen kein neues Phänomen. Wenn dabei „Content“ entsteht (z. B. die hilfreiche Mail, die Empfehlung auf einen Artikel, das per Smartphone erstellte und per Messenger verschickte HowTo-Video), dann ist das zwar schon „User Generated Content“, den aber nur zwei Menschen sehen.

Wie erreichen wir, dass von Anwender:innen für Anwender:innen erstellte Lern- und Unterstützungsmaterialien von allen Kolleg:innen genutzt werden können, für die sie hilfreich sind? Wie können Unternehmen das für den Corporate Learning Bereich nutzen? Wie lassen sich die Vorteile von User Generated Content strategisch fördern und potenzielle Risiken minimieren?

Shownotes

Host:
Susanne Dube, Teamlead Learning // LinkedIn
Mastodon: @susanne_bbg@norden.social

Gast:
Stephan Hilbrandt, Product Manager tts performance suite // LinkedIn
Johannes Starke, Product Manager Learning // LinkedIn


Gedanken zu Content Curation von Johannes Starke
Gedanken zu Rapid Learning von Johannes Starke

Unternehmen müssen schneller lernen können
Insights von Stephan Hilbrandt zu einem Usecase für User Generated Content

Definition und Hinweise zu User Generated Content (Die Lerndesignkarten)
 

Thematisch nahe Folgen des LERNLUST-Podcast:
Was zählt is' auf'm Platz - Pascal Guderian & Claudia Schütze
Schnell, schneller, Rapid Learning - Lisa Müller-Gebühr & Susanne Dube


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Intro

LernLust, der Podcast für alles rund ums Thema Corporate Learning. Wir sind Susanne Dube und Claudia Schütze und wir sind Learning Consultants bei der tts. Schön, dass du heute dabei bist.

[Johannes Starke]
Die User sind nie schuld. Nein, die User sind nicht nur nie schuld, die User können aktiv etwas dazu beitragen, dass Themen, Dinge, von denen sie halt nun mal die größte Expertise haben, weil sie die Betroffenen sind, das auch zeigen können.

[Stephan Hilbrandt]
Ich glaube, immer dann, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Stand heute Inhalte, Informationen, Dinge, die sie gerade wissen wollen, nicht finden und nicht im Zugriff haben, dann passiert das ja ohnehin. Dann ist das eine E-Mail, dann ist das ein Teams-Chat, dann ist das ein Anruf bei einem Kollegen oder bei einer Kollegin.

[Susanne Dube]
So ist es, wenn man sich zwei einlädt, dann reden die ja doppelt so lange.

[Stephan Hilbrandt]
Ja, aber das irritiert mich noch nicht mal, weil wir, glaube ich, die Entwicklung ja in ganz vielen Zusammenhängen sehen.

[Susanne Dube]
Im Thema Weiterbildung hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Das steht außer Frage. Menschen wie ich sind längst nicht mehr diejenigen, die einfach schnell Wissen aufbauen, um es dann als Multiplikator oder besseres Sprachrohr weiterzugeben.
Vielmehr helfe ich gerade jetzt anderen, für sich selbst zu sprechen, ihre Kompetenzen, ihr Wissen selbst zu teilen. Etwas wirklich Schönes. User-Generated-Content ist wie das Gemüse frisch vom Bauern.
Es kommt gerade und direkt aus der Quelle. Die User sind nie schuld. Das Credo meines lieben Kollegen und Learning Architekt Johannes Starke ändert sich dadurch vielleicht ein wenig hin zu: Der User übernimmt Verantwortung. 
Gemeinsam mit Johannes und unserem Produktmanager für die Digital Adoption Solution Stephan Hilbrand finde ich heraus, was genau im User-Generated-Content steckt, was ihn so wertvoll macht, worin Chancen und vielleicht auch Herausforderungen liegen, wenn Lerncontent und Pflege beim User liegen. 
 

Herzlich Willkommen Stefan und Johannes

Herzlich willkommen, lieber Stephan, herzlich willkommen, lieber Johannes.
Heute bei mir auf dem Lernlust-Sofa. Wir haben ein ganz, ganz spannendes Thema, zu dem du, Stephan, der Profi bist – nämlich User-Generated Content.
Sag mal kurz hallo.

[Stephan Hilbrandt]
Ja, hallo zusammen. Schön, dass ich heute hier Gast sein darf.

[Susanne Dube]
Gerne, gerne. Und du, Johannes, bist ja derjenige bei uns, der sich immer mit allen Themen sehr breit beschäftigt, deswegen auch schon sehr oft bei uns im Lernlust-Podcast war. 

Sag, was ist dein Interesse am Thema User-Generated Content?

[Johannes Starke]
Hallo ihr Lieben. Ja, genau. Ich habe zu allem was zu sagen, offenbar. 

Danke, dass ich auch mit dabei sein darf. Schön, dass du da bist, Stephan. 

Aber die Frage war, was uns interessiert am Thema User-Generated-Content, richtig?

[Susanne Dube]
Ja, ich habe gedacht, dass du das nochmal so ein bisschen einsortieren kannst, was dich an dem Thema interessiert.

[Johannes Starke]
Genau, mich interessiert am meisten, dass User-Generated-Content von den Usern selbst erstellt wird. Ihr kennt mein Mantra: Die User sind nie schuld! Mehr noch – sie können aktiv dazu beitragen, ihre Expertise sichtbar zu machen und ihr Wissen im Unternehmen zu verbreiten. 

[Susanne Dube]
Das finde ich total spannend, dass du das ansprichst! Ich habe dazu erst kürzlich einen Blog-Eintrag von dir gelesen, den ich gerne verlinken werde.

Was ist User Generated Content und was nicht?

[Susanne Dube]
Bevor wir noch tiefer einsteigen – und ich merke, ich habe hier vielleicht zwei Profis am Tisch – sollten wir für unsere Hörer kurz klären: Was genau ist User-Generated-Content eigentlich, und was ist es vielleicht nicht? Stephan, als unser erklärter Profi, würde ich sagen, du fängst an.

[Stephan Hilbrandt]
Das hängt ein wenig davon ab, wie weit man ausholen möchte. Der Begriff User-Generated-Content entstand vermutlich mit dem Web 2.0 und dem Social Web – als Inhalte nicht mehr nur von wenigen erstellt wurden, sondern die breite Masse Zugang bekam, selbst Inhalte zu veröffentlichen. Sei es über Blogs, Plattformen wie YouTube oder Podcasts – plötzlich konnte jeder das Internet mit eigenen Inhalten bereichern. 

Dieser Gedanke überträgt sich zunehmend auf den Unternehmenskontext: Mitarbeitende können nicht nur Lern- und Wissensinhalte konsumieren, sondern aktiv dazu beitragen, Wissen zu teilen und zu verbreiten. Genau das ist für mich User-Generated-Content – die Möglichkeit, dass alle im Unternehmen ihr Wissen und ihre Inhalte mit Kolleginnen und Kollegen teilen und sichtbar machen können.

[Johannes Starke]
Wo du das sagst, Stephan – das kommt eigentlich erstaunlich spät, oder? Der Begriff *Web 2.0* hat ja mittlerweile fast schon Retro-Charme. Das ist etwa zehn Jahre her, oder? 

Damals haben wir im Internet begonnen, uns sichtbar zu machen und Inhalte zu teilen. Erst in den letzten Jahren ziehen immer mehr Unternehmen nach und übertragen diese Potenziale aus dem privaten Bereich in den Unternehmenskontext. Gleichzeitig gibt es in der generellen Internetwelt fast schon wieder eine Art Backlash in manchen Bereichen. 

[Stephan Hilbrandt]
Ja, aber das irritiert mich gar nicht. Wir sehen das ja in vielen Bereichen: Was sich in der breiten Gesellschaft schnell durchsetzt und ausprobiert wird, wird im Unternehmenskontext oft mit Vorsicht und Zurückhaltung betrachtet. Da findet erst mal ein Abtasten statt. Dieser Zeitverzug ist fast schon naturgegeben – deshalb wundert es mich nicht, dass hier gute zehn Jahre oder mehr dazwischenliegen.

[Susanne Dube]
Könnte es vielleicht daran liegen, dass im Unternehmenskontext die Themen User-Generated Content und User-Curation fast gleichzeitig aufgekommen sind, weil man der Pflege mehr Vertrauen entgegenbrachte? Könnt ihr mir die beiden Begriffe noch mal genauer erklären? Was ist Curation, was ist Generation? Curation ist ja Pflege, und Generation ist die Erstellung von Inhalten. Wie unterscheiden sich diese beiden Konzepte im Unternehmenskontext?

Content Creation vs. Content Curation

[Johannes Starke]
Du hast vorhin den Blogbeitrag erwähnt, den ich gestern geschrieben habe, weil mich das Thema Kuration gerade sehr beschäftigt. Es ist tatsächlich ein fließender Übergang. Eine gute Content-Curation beinhaltet starke Elemente der Eigenkreation, weil Kuration nicht nur bedeutet, Links zu sammeln und sie kommentarlos zu teilen. Vielmehr geht es darum, Dinge mit Sinn anzureichern. Daher kann Content-Curation ein guter Einstieg in User-Generated Content sein, da wir auf bestehenden Inhalten aufbauen, sie ins Unternehmen bringen, mit Sinn anreichern, nutzbar machen und wieder teilen. Die Prinzipien, die wir bei der Content-Curation einüben, sind sehr hilfreich für die Erstellung von User-Generated Content. 

[Susanne Dube]
Und je mehr ich dann dazufüge an eigenem Wissen, eigenen Materialien, umso mehr bin ich dann auch bei User-Generated Content.

[Johannes Starke]
Ganz genau. Ein Prinzip, das ich bei Content-Curation essenziell finde, ist das Seek-Sense-Share-Modell von Harold Jarche, das mich sehr prägt und das ich schon oft in Podcast-Episoden erwähnt habe. Es geht davon aus, dass wir etwas Interessantes in der weiten Welt finden, oft zufällig, und es dann in unser Unternehmen, in unsere Communities oder Teams holen. Dort reichern wir es mit Inhalten an – das ist das Sense-Making. Wir bearbeiten es so, dass es im konkreten Arbeitskontext relevant und gut nutzbar wird. Schließlich teilen wir es, sodass es wirklich die KollegInnen erreicht, für die es gedacht ist. So entsteht ein Kreislauf, der sowohl bei Content-Curation als auch bei User-Generated-Content gilt. 

[Susanne Dube]
Wollte ich gerade sagen. Stephan, ist das bei User-Generated Content irgendwie anders, oder was ist für dich die Besonderheit daran?

[Stephan Hilbrandt]
Ja, ich denke, die Unterscheidung zwischen Generation und Curation ist vor allem eine Abgrenzung zwischen dem Teilen vorhandener Inhalte im Unternehmen – wie Johannes schon sagt, indem man sie mit Kontext anreichert und verknüpft, um sie für KollegInnen nützlich zu machen – und der tatsächlichen Erstellung neuer Inhalte. Die Creation geht für mich über das bloße Teilen von Links hinaus. Wenn ich neue Inhalte aufbereite und verknüpfe, anstatt nur Links zu verbreiten, dann beginnt für mich der Content-Prozess. Das reine Link-Teilen bleibt für mich eher eine Form der Kuratierung, bei der immer ein gewisses Ziel verfolgt wird, auch wenn es stark vom Medium abhängt, wie effektiv das Kuratieren sein kann. 

[Susanne Dube]
Ich habe jetzt gerade einen Gedanken, der geht schon ein kleines bisschen in eine andere Richtung rein. Aber Johannes, du wolltest gerade was dazu sagen.

[Johannes Starke]
Genau, Stephan, du hast es angesprochen: Wenn ich einen Link von einem Kollegen erhalte, gehe ich davon aus, dass dieser Link relevant ist, weil er von jemandem kommt, mit dem ich zusammenarbeite und der ähnliche Arbeitskontexte teilt. Das ist ein wichtiger Punkt für sowohl Curation als auch Creation. Danke übrigens für das Wort „Creation“, das ist wirklich elegant. Die vertrauenswürdige Quelle, von der ich etwas erhalte, spielt eine entscheidende Rolle für die Wirksamkeit von User-Generated-Content. Denn allein die Tatsache, dass es von einem Kollegen oder einer Kollegin kommt, ist für mich Grund genug, sich das anzusehen. 

[Susanne Dube]
Wenn ein Kollege mir einen Link oder Inhalt zur Verfügung stellt, ist dieser ja zunächst einmal losgelöst, in einem Social Network oder in Software, die auf meinem Rechner existiert. Ich frage mich, ob das wirklich schon das ist, was ich mir unter User-Created, User-Generated oder User-Curated-Content vorstelle, oder ob ich nicht eher etwas Sortierteres erwarte. Vielleicht ist das genau der Punkt, warum Unternehmen heute darüber nachdenken müssen – es gibt einfach so viele Dinge, die die Kollegen teilen möchten.

Warum gerade jetzt?

[Susanne Dube]
Es gibt so viel Wissen unter den Mitarbeitern, das geteilt und weitergegeben werden möchte, und das muss vielleicht in eine Struktur eingebaut werden. Könnte das der Grund sein, warum wir uns gerade jetzt mit User-Generated-Content beschäftigen, oder liege ich da komplett verkehrt?

[Stephan Hilbrandt]
Ich glaube, dass wir uns gerade jetzt damit beschäftigen, weil wir in den letzten zwei, drei, vier Jahren stärker gespürt haben, wie schnell sich Veränderungen auf Unternehmen auswirken können und wie schnell sie bis auf den einzelnen Arbeitsplatz durchschlagen. Dabei waren es nicht nur selbst induzierte Veränderungen aus dem Unternehmen heraus, sondern auch externe Ereignisse wie die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg, die Unternehmen zu Veränderungen gezwungen haben. In solchen Fällen kann man nicht mehr schnell genug reagieren, wenn man sich nicht auf einen Teil der eigenen Organisation verlässt, der aktiv mithelfen kann. Und das passiert meist sehr bereitwillig, wenn die entsprechende Struktur und die richtigen Inhalte zur Verfügung stehen. Andernfalls können wir mit der Geschwindigkeit der Veränderung nicht Schritt halten. 

[Johannes Starke]
Ich kann das absolut unterstreichen, Stephan. Auch wenn das Beispiel mit den Corona-Lockdowns plötzlich und unerwartet kam, zeigt es perfekt, wie wichtig Inhalte sind, die von denen erstellt werden, die tatsächlich Bescheid wissen. Es geht auch darum, die Arbeit transparent zu machen: Wie gehe ich mit der Situation um? Wie löse ich sie? Informelle Unterstützungsstrukturen gibt es in Unternehmen schon immer, wenn Kollegen sich bei Problemen helfen. Doch diese Strukturen transparenter und skalierbarer zu machen, sodass eine Antwort-E-Mail nicht nur den Fragesteller, sondern auch 20 andere Mitarbeitende erreicht, die dasselbe Problem haben, ist entscheidend. Das sind genau die Situationen, in denen User-Generated Content besonders hilfreich wird – wenn sich Dinge schnell ändern und es noch keine formalen Möglichkeiten gibt, diese Veränderungen aufzufangen. 

[Susanne Dube]
Genau, vielleicht als konkretes Beispiel: Als jemand, der virtuelle Trainings und das Arbeiten in virtuellen Umfeldern schon vor der Pandemie erlebt hatte, konnte ich plötzlich vielen Kollegen mit Tipps weiterhelfen. Es wurde ein Selbstläufer, weil Tools an mich herangetragen wurden und ein Austausch entstand. Ich kannte nicht alle Tools, aber ich konnte sie anders einordnen, als jemand, der ganz neu in diesem Thema war. Das war in der Situation vor zwei Jahren sehr wichtig.

Der Mehrwert gegenüber KI

[Susanne Dube]
Jetzt mal eine ganz, ganz ketzerische Frage aus der heutigen Zeit.

Wenn KI so schnell Inhalte liefert, stellt sich wirklich die Frage, ob wir überhaupt noch User-Generated-Content brauchen. Aber ich denke, der große Unterschied liegt darin, dass KI zwar schnelle, oft sehr präzise Antworten liefern kann, aber sie fehlt der Kontext und die persönliche Erfahrung, die Menschen einbringen. User-Generated-Content bringt oft eine tiefere, praktischere Perspektive, die die KI nicht liefern kann – vor allem, wenn es um situationsspezifisches Wissen oder interne Prozesse geht. KI kann unterstützend wirken, aber den persönlichen Input und die Expertise der Mitarbeiter zu nutzen, ist immer noch unverzichtbar. 

[Stephan Hilbrandt]
Da stimme ich dir zu. Der Mensch ist aktuell immer noch flexibler und schneller darin, auf neue oder spezifische Herausforderungen zu reagieren, insbesondere wenn es um sehr aktuelle oder unternehmensspezifische Informationen geht, die KI noch nicht erfasst hat. KI kann zwar bei allgemeinen, wiederkehrenden Themen hilfreich sein, aber in dynamischen, sich schnell ändernden Bereichen, insbesondere bei neuen rechtlichen oder unternehmensinternen Entwicklungen, bleibt der Mensch der entscheidende Faktor. Insofern bleibt User-Generated-Content nach wie vor wichtig, um wirklich aktuell und kontextbezogenes Wissen bereitzustellen. 

[Johannes Starke]
Da hast du einen wichtigen Punkt angesprochen. Die Flut an Content, die durch KI erzeugt wird – sei es ungenau, manipulierend oder einfach irrelevant – macht es immer schwieriger, zwischen wirklich nützlichen und vertrauenswürdigen Informationen und weniger wertvollen zu unterscheiden. User-Generated Content hat da klare Vorteile: Er kommt aus dem tatsächlichen Arbeitskontext, ist von echten Menschen erstellt, die hinter dem Thema stehen, und ist in der Regel viel glaubwürdiger. Gerade in einer Welt, die zunehmend von KI und automatisiertem Content überflutet wird, wird diese Authentizität und Relevanz von Inhalten umso wertvoller.

[Susanne Dube]
Ich wollte nicht zu sehr ins Detail gehen, das können wir an anderer Stelle besprechen. Zwar hätte ich Argumente dafür, aber ich bin an dieser Stelle bei euch: Es braucht den Menschen, weil wir die Ersten sind, die Veränderungen erleben. Es geht darum, aktuelles Wissen zu teilen, es einzuordnen und für die Kollegen nutzbar zu machen.

User Generated Content mit dem Fokus auf USER

[Johannes Starke]
Genau, ich möchte noch hinzufügen, dass der Begriff "Content" im Zusammenhang mit User Generated Content oft enger gesehen wird. Klassischerweise wird Content als unidirektionales Medium verstanden – Inhalt wird erstellt und auf der anderen Seite konsumiert. User Generated Content erweitert diesen Begriff, weil er zeigt, wie Mitarbeitende im Unternehmen arbeiten. Artefakte, die während der Arbeit entstehen, werden geteilt, weil jemand denkt, dass sie auch für andere von Interesse sein könnten. Das macht den Arbeitsprozess transparent und geht über die klassische Vorstellung von Content hinaus.

Entsteht User Generated Content in Social Media?

[Susanne Dube]
Stephan, würdest du sagen, dass User Generated Content auch in Unternehmensnetzwerken wie Teams oder Yammer (jetzt Viva Engage) entsteht? Oder auch in externen Netzwerken wie Mastodon, Twitter oder LinkedIn? Glaubst du, das fällt unter User Generated Content oder siehst du das anders?

[Stephan Hilbrandt]
Ich denke, dass Plattformen wie Yammer, die soziale Netzwerke nachbilden, definitiv eine Wiege für User Generated Content sind. Teams würde ich eher als Kollaborationsplattform betrachten, nicht primär als Content-Tool. Aber um User Generated Content für das Unternehmen wirklich nutzbar zu machen, bedarf es einer gewissen Kuratierung. Ein einfacher Yammer-Post reicht oft nicht aus. Es braucht jemanden, der diesen Inhalt ordnet und für das Unternehmen zugänglich macht, sodass er später leicht wiedergefunden werden kann. Hier kommt die Kombination von Content Creation und Kuratierung ins Spiel, die idealerweise zentral im Unternehmen stattfinden sollte. 

[Susanne Dube]
Aus Unternehmenssicht bedeutet das für mich, dass ich, wenn ich auf User Generated oder User Curated Content setzen möchte, wirklich offen sein muss und auf das Wissen meiner Mitarbeiter vertraue. Statt immer alles top-down zu verteilen, möchte ich die Vorteile daraus nutzen, die wir gleich noch genauer besprechen können.

Welche Strategie steht hinter User Generated Content?

[Susanne Dube]
Wie könnte eine solche Strategie für ein Unternehmen aussehen, das User Generated Content fördern möchte? Wie müsste ein Unternehmen strukturiert sein, das aktiv darauf setzt, User Generated Content zu unterstützen?

[Johannes Starke]
Ein Unternehmen sollte zunächst herausfinden, wo bereits Content entsteht, der aber noch nicht für andere zugänglich ist. Zum Beispiel, was heute per E-Mail geteilt wird, könnte morgen in einem Enterprise Social Network wie Yammer oder auf einem offiziellen Intranet geteilt werden. Der erste Schritt wäre, die Zusammenarbeit so zu gestalten, dass möglichst viele von den entstandenen Inhalten profitieren können. 

Dann braucht es Strukturen, in denen Menschen ohne offizielle Mandate Inhalte erstellen und bereitstellen können. Es müssen Möglichkeiten geschaffen werden, vertrauenswürdige Inhalte zu erzeugen und zugänglich zu machen, ohne dass Hierarchien oder andere Einschränkungen im Weg stehen. Räume müssen geschaffen werden, in denen Inhalte sicher erstellt und geteilt werden können. 

[Susanne Dube]
Ich finde es spannend, wie du die sichere Erstellung von Inhalten beschreibst und sagst, dass offizielle Mandate nicht helfen. Da würde ich gerne noch genauer drauf eingehen, auch wenn ich eine diffuse Angst habe, wenn ich im Bereich User-Generated-Content alles laufen lasse.

[Johannes Starke]
Entschuldigung, dass ich noch einmal eingreife. Ein etwas anderer Ansatz: Content klingt immer so schwer, wie ein offizielles Dokument. Viele Unternehmen üben mittlerweile Formen der Zusammenarbeit, bei denen Expertise von vielen geschätzt wird, unabhängig von offiziellen Titeln. Das sind Barcamps oder Initiativen wie Fridays for Learning bei tts, LEX bei der Telekom oder "Wenn DATEV wüsste, was DATEV weiß" bei der DATEV. Hier teilen KollegInnen ihr Wissen, und der Fokus liegt nicht auf dem Content, sondern auf der Art der Zusammenarbeit. 

[Susanne Dube]
Ich finde es spannend, dass du das so siehst, weil ich User-Generated-Content immer eher als abgelegene Dinge wie kleine Guides oder Dokumente betrachtet habe. Du siehst es jetzt jedoch viel weiter.

[Johannes Starke]
Du hattest ja gefragt, wie Unternehmen vorgehen können, um eine User-Generated-Content-Strategie umzusetzen.

[Susanne Dube]
Was du gerade genannt hast, sind die ersten Schritte, um ein Unternehmen zu werden, in dem User-Generated-Content erstellt, abgelegt und genutzt werden kann.

[Johannes Starke]
Genau. Der Content, der dabei entsteht, ist nicht der primäre Fokus. Wir nehmen unsere Fridays for Learning Sessions auf und speichern sie als Video. Es geht mehr darum, sich selbst zu positionieren, sichtbar zu machen und Vertrauen zu gewinnen, auch wenn mal ein Fehler passiert.

Irgendwie passiert es ohnehin...

[Stephan Hilbrandt]
Das Thema Vertrauen ist entscheidend. Susanne, du hast Befürchtungen, wie das ohne Hierarchien funktionieren könnte. Aber wenn Mitarbeitende keine Informationen finden, passiert es ohnehin – sei es per E-Mail, Teams-Chat oder Anruf. In diesem Moment hat das Unternehmen schon keine hierarchische Informationshoheit mehr. Warum also nicht den Inhalt allen zugänglich machen?

Die Masse der User als Korrektiv

[Stephan Hilbrandt]
Ein signifikanter Fehler würde eher auffallen, wenn der Inhalt öffentlich zugänglich ist, und die Rückmeldung käme schneller. Im persönlichen Zwiegespräch würde niemand den Fehler korrigieren. Der Inhalt ist sowieso da und wird geteilt – die technischen Möglichkeiten machen ihn nur sichtbarer und erleichtern die Fehlerkorrektur.

Chancen durch das Vertrauen in User Generated Content

[Susanne Dube]
Spannend, dass du das ansprichst – wir kommen damit zu den Chancen und Gefahren von User-Generated Content. Einen Teil haben wir bereits genannt. Wenn ihr einverstanden seid, würde ich mit den positiven Aspekten beginnen. Zusammengefasst, aus euren unterschiedlichen Perspektiven: Stephan, aufgrund deiner beruflichen Aufgabe, und Johannes, durch dein Interesse an User-Curated-Content. Was sind aus eurer Sicht die größten Chancen für Unternehmen, wenn sie verstärkt auf User-Generated-Content setzen? Wo lohnt es sich und wo liegen die Chancen? 

[Stephan Hilbrandt]
Die Chancen haben wir schon größtenteils genannt: Zum einen die Möglichkeit, mit der Geschwindigkeit von Veränderungen mitzuhalten. Zum anderen die Partizipation, also den Mitarbeitern die Chance zu geben, gehört zu werden und ihre Ideen sichtbar zu machen. Dadurch wird auch Wertschätzung zurückgegeben. Ein weiterer Punkt ist, das implizite Wissen im Unternehmen für alle zugänglich zu machen, was einen Wettbewerbsvorteil verschafft und neue Ideen fördert. Insgesamt gibt es zahlreiche Chancen. 

[Susanne Dube]
Genau, das Korrektiv, über das wir gerade gesprochen haben, spielt eine wichtige Rolle. Wenn Wissen auf breiter Masse verfügbar gemacht wird, kann die Masse es kritisch hinterfragen, was zu Innovation führen kann, gerade durch die Diskussionen, die daraus entstehen.

[Johannes Starke]
Durch User Generated Content haben wir die Möglichkeit, verschiedene Perspektiven auf ein Thema zu integrieren. Wenn nur eine offizielle Content-Abteilung eine "Wahrheit" erstellt, bleibt das eine Ansicht. Mit User Generated Content können wir besonders bei umstrittenen Themen oder solchen mit unterschiedlichen Positionen mehrere Sichtweisen zeigen und glaubhaft vermitteln, dass es verschiedene Standpunkte gibt und möglicherweise auch eine verbindende Perspektive. 

[Susanne Dube]
Und da rutsche ich jetzt mal gleich rüber zum Thema der Gefahren von User Generated Content, auf die ich eingehen möchte.

[Johannes Starke]
Wollen wir die Chancen noch ein bisschen weiter ausspannen?

[Susanne Dube]
Klar, aber du hast mich gerade inspiriert. Lass uns zuerst mit den Chancen weitermachen, vielleicht fällt mir die Gefahr später noch ein.

[Johannes Starke]
Ein Beispiel bleibt mir im Kopf: Vor 2019 hatte ich ein Projekt mit einem Kunden, der komplexe, teure Maschinen weltweit installiert. Die Servicetechniker flogen alleine zu den Maschinen, und eines der größten Probleme war, dass im Handbuch eine Lampe als rosa beschrieben war, während sie tatsächlich rot leuchtete. Die R&D-Abteilung konnte mit den schnellen Produktzyklen nicht mithalten, und Updates für die Handbücher verzögerten sich. Hier zeigte sich der Vorteil von User-Generated-Content: Er ermöglicht schnellere Aktualisierungen, ohne den langen formalen Prozess durchlaufen zu müssen. Ein einfacher Tipp eines Kollegen, wie "Gegen die Lampe treten, dann wird sie wieder rosa", half viel schneller als ein offizielles Update. 

[Susanne Dube]
Das stimmt. Spannend.

[Johannes Starke]
Es gibt natürlich noch viele weitere Chancen. Eine weniger offensichtliche liegt darin, dass sich ExpertInnen durch das Erstellen von User-Generated-Content noch intensiver mit dem Thema auseinandersetzen.

[Susanne Dube]
Dann wären wir bei Lernen durch Lehren.

[Johannes Starke]
Genau, Lernen durch Lehren: Wenn ich Inhalte erstelle, die für andere nützlich sind, beschäftige ich mich intensiver damit. Zudem will ich sicherstellen, dass meine Inhalte aktuell bleiben, da mein Name daran hängt. Das motiviert mich, regelmäßig zu überprüfen, ob alles noch passt, und fördert eine tiefere Auseinandersetzung mit dem Thema als bei zentral erstelltem Content. 

[Susanne Dube]
Das funktioniert wahrscheinlich am besten in großen Unternehmen mit vielen Menschen, da es eine breite Vielfalt an Themen und Interessen gibt. Zudem kann das Unternehmen klare Trends erkennen, wenn plötzlich viele Mitarbeiter sich auf ein bestimmtes Thema stürzen. 

[Johannes Starke]
Interessante Hinweise. Ja, auf jeden Fall.

[Stephan Hilbrandt]
Ein wichtiger Aspekt ist das Identifizieren von Wissenslücken und Trends. Wenn an bestimmten Stellen besonders viel User-Generated-Content erzeugt wird, könnte das darauf hinweisen, dass an dieser Stelle eine offizielle Information fehlt. In solchen Fällen sollte das Unternehmen schnell ansetzen, um die offizielle Information zu verbreiten und so eine Wissenslücke zu schließen. Dieser Prozess hilft auch, gezielt in Bereichen mit fehlender Information nachzusteuern, wenn ein hierarchischer Ansatz wieder erforderlich wird. 

[Susanne Dube]
Durch unsere Fridays for Learning oder Diskussionen auf Yammer erhalten wir oft mehr Input für formale Schulungsbedarfe. Manchmal entstehen aus diesen Diskussionen Themen, die wir dann doch formalisiert angehen und in runde Angebote umwandeln können. So könnten wir beispielsweise für Newbies ein strukturiertes Onboarding anbieten, das ihnen einen guten Einstieg ins Unternehmen gibt, ohne dass sie sich durch alle Inhalte durcharbeiten müssen.

[Johannes Starke]
Genau, User Generated Content fördert die Sichtbarkeit von drängenden Themen und WissensträgerInnen. Es erhöht die Vernetzungsdichte im Unternehmen, was es widerstandsfähiger und anpassungsfähiger macht. Wenn WissensträgerInnen ausfallen, können andere übernehmen. Zudem hilft es beim Fachkräftemangel, indem es das Wissen von ExpertInnen weitergibt, die irgendwann ausscheiden. All das sind Chancen durch User Generated Content.

[Susanne Dube]
Sehr spannend, aber ich merke, wie in meinem Kopf ständig "aber" auftauchen, bei vielen Punkten, die wir besprechen. Stephan, ich bin ein kleiner Ketzer, wenn ich mit Johannes spreche, da musst du jetzt einfach mit durch. Aber wenn du noch eine Chance siehst, die wir noch nicht besprochen haben, können wir auch gerne ganz strukturiert vorgehen.

Die ABERs, Ängste im Umgang mit User Generated Content

[Stephan Hilbrandt]
Ich denke, wir können gerne zu deinen "aber"s überleiten, weil wir vielleicht durch die "aber"s auch noch neue Chancen identifizieren. Viele der "aber"s lassen sich nämlich gut entkräften.

[Susanne Dube]
Hoffentlich, ganz bestimmt! Zwei "aber"s habe ich noch. Das letzte betrifft die wabernde Masse der Mitarbeitenden im Unternehmen. Es gibt die Innovatoren und Early Adopters, aber auch die, die zurückhaltender sind. Meine Sorge ist, dass die Lauten ständig sprechen, während die Leisen als Wissensträger im Hintergrund bleiben. Wer nimmt bei den Fridays for Learning teil oder postet in sozialen Netzwerken? Schaffe ich damit nicht eine Zweiklassengesellschaft in der Expertise? 

[Stephan Hilbrandt]
Das ist vor allem eine Frage der gewählten Plattform. Wie stark wird der Inhalt mit den Personen verknüpft? In sozialen Netzwerken, auch in Enterprise Social Networks, steht oft das Gesicht der Person mit ihrem Namen im Vordergrund. Aber es ist auch möglich, Plattformen zu schaffen, bei denen das Was und Warum im Vordergrund stehen, um den Austausch zu fördern. So können auch zurückhaltende Personen ihr Wissen teilen, ohne sich ständig exponieren zu müssen. Das schafft Raum für diejenigen, die nicht so sichtbar sein möchten, aber dennoch wertvolles Wissen beitragen können. Die Wissensweitergabe wird dadurch nicht blockiert, sondern vielmehr auf einer sachlichen Ebene ermöglicht. 

[Susanne Dube]
Das könnte auch eine Kulturfrage sein. Wenn die Unternehmenskultur so weit ist, dass ruhigere Personen manchmal mit kleinen Posts die richtige Richtung anstoßen, funktioniert es vielleicht gut.

[Johannes Starke]
Wie bereits erwähnt, braucht es Übung und passende Strukturen, die den User-Generated-Content fördern. Eine Moderation kann helfen, die Sichtbarkeit zu gewährleisten. Es ist nicht problematisch, wenn einige Stimmen lauter sind als andere, solange es nicht stört. Mitarbeitende werden den Kanal nutzen, um beizutragen. Beim 90-9-1-Prinzip beobachten 90 Prozent nur passiv, neun Prozent interagieren leicht, und nur ein Prozent ist aktiv.

Das ist halt einfach mal so.

[Susanne Dube]
Ja, aber dann bleibt nur eine kleine, sichtbare Masse. Ich mag die Idee, die du, Stephan, hattest, ein Tool zu nutzen, das nicht wie ein Social Network funktioniert, sondern den Content in den Vordergrund stellt, bei dem alle mitmischen können. Aber es braucht trotzdem eine Art Bewertung, um das Korrektiv anzuwenden, das wir vorhin angesprochen haben. 

Mir kam noch etwas anderes in den Kopf: Wenn im User-Generated-Content, sei es im Social Intranet oder einem anderen Tool, unterschiedliche Herangehensweisen aufeinandertreffen, entsteht manchmal ein Widerstreit. Früher hätte man gesagt, das Board muss ein Machtwort sprechen. Ist das kontraproduktiv oder manchmal notwendig? 

[Stephan Hilbrandt]
Es kommt darauf an, ob die Diskussion das tatsächliche Handeln beeinflusst. Solche Diskussionen machen oft ein Problem sichtbar, das sonst unter der Oberfläche geblieben wäre. Der Streit über verschiedene Vorgehensweisen wäre auch ohne User Generated Content da gewesen, nur nicht so offen. Letztlich ist es eine unternehmerische Entscheidung, ob ein Machtwort nötig ist, um eine Richtung vorzugeben, oder ob die Diskussion zu einem fruchtbaren Ergebnis führen kann. User Generated Content macht solche Streitfragen nur sichtbarer, die Entscheidung bleibt jedoch unternehmerisch. 

[Johannes Starke]
Ich habe das Gefühl, dass unser Gespräch oft den Eindruck erweckt, User Generated Content sei immer völlig frei und jeder könne jederzeit alles teilen. In Wirklichkeit wird er jedoch häufig stark selektiv und moderiert eingesetzt. Zum Beispiel, wenn ich einen Lernpfad mit Inhalten von verschiedenen Wissensträgern erstelle, kann ich gezielt die Stimmen auswählen, die für das Lernziel passen. So entsteht dieses Problem nicht. Es gibt verschiedene Arten von User Generated Content, und wir sollten bei der Betrachtung der Risiken nicht nur auf die Dynamiken in Enterprise Social Networks eingehen, sondern auch den moderierten, qualitätsgesicherten Bereich berücksichtigen. 

[Susanne Dube]
Das ist ein interessanter Punkt, den du ansprichst. Immer wenn du etwas sagst, löst es bei mir Gedanken aus – Qualitätssicherung.

Qualitätssicherung im User Generated Content

[Susanne Dube]
Wie stelle ich die Qualität von User Generated Content sicher? Brauche ich dafür immer jemanden, der drauf schaut? Und welche Expertise sollte diese Person haben?

[Stephan Hilbrandt]
Die Frage hängt stark von der Art des Tools ab. Aus der Perspektive unseres eigenen Tools würde ich empfehlen, den Content zunächst einfach anzuzeigen. Zwar bieten wir die Möglichkeit, den Content vor der Veröffentlichung durch einen Qualitätssicherungsprozess zu schleusen, aber ich glaube, es ist oft besser, auf das kollektive Wissen zu setzen. Wenn Mitarbeiter Inhalte teilen, gehe ich davon aus, dass sie keine schädlichen Absichten haben. Sollte etwas falsch sein, wird es sich schnell herausstellen.

Es ist hilfreich, wenn jemand regelmäßig drüberschaut und Verbesserungsvorschläge macht, aber ich würde den Content erst einmal einfach zulassen. Ein formal ausgefeilter QS-Prozess ist nicht unbedingt nötig, da die meisten Kollegen das Unternehmen unterstützen wollen.

[Susanne Dube]
Das spricht die Angst des Kontrollverlusts an, die Unternehmen oft haben, wenn sie nicht mehr die Kontrolle über das geteilte Wissen haben.

[Johannes Starke]
Es ist wichtig, im Vorfeld klare Regelungen zu treffen und zu kommunizieren, in welchen Bereichen User-Generated Content erwünscht und wertvoll ist und in welchen nicht, besonders bei Themen mit Haftungsfragen oder sicherheitsrelevanten Aspekten.

[Stephan Hilbrandt]
Man sollte grundsätzlich davon ausgehen, dass wichtige Informationen gut geregelt und auffindbar sind, sodass keine Lücken entstehen, die durch User-Generated Content gefüllt werden müssen. Der Bedarf für solchen Content entsteht meist erst, wenn man über eine Lücke stolpert, sei es durch wiederholte Fragen oder das Fehlen von Informationen. In regulierten Bereichen sollte bereits vorhandener Content ausreichen, um Hilfestellungen zu bieten.

Eine Aufwandsfrage - Oder auch nicht

[Susanne Dube]
Könnte es nicht einen enormen Aufwand verursachen, wenn alle Mitarbeiter plötzlich anfangen, als Korrektiv zu fungieren, Inhalte zu erstellen, zu pflegen und zu lesen? Das würde einen Zeitaufwand mit sich bringen, den man schwer kontrollieren kann.

[Stephan Hilbrandt]
Kennst du ein Beispiel, wo es so war, dass sich Mitarbeiter in Tools wie einem Unternehmens-Wiki tagelang verloren haben, sodass die Produktion sank oder das Social Intranet außer Kontrolle geriet? In der Presse hört man eher von Fällen, wo Leute stundenlang auf E-Mails antworten müssen. Aber aus meiner Erfahrung oder dem medialen Kontext fällt mir kein Fall ein, wo es zu einem solchen Verlust von Produktivität gekommen ist. Schließlich wollen alle ihre Arbeit erledigen und ihre Aufgaben erfüllen, nicht ihre Zeit absitzen. 

[Susanne Dube]
Wir unterstellen Ihnen das mal, dass Sie das alle wollen.

[Johannes Starke]
Absolut. Nach meiner Erfahrung ist es eher so, dass der User-Generated-Content-Ansatz scheitert, wenn Mitarbeitende ihre Arbeit an falschen Metriken ausrichten. Wenn sie sich nur auf Output konzentrieren und keine Zeit haben, ihre Arbeit richtig zu dokumentieren oder Kollegen zu unterstützen. 

[Susanne Dube]
Ja, es ist tatsächlich eine Bremse, wenn die Menschen sich nicht die Zeit nehmen.

[Johannes Starke]
Wenn sie die Zeit nicht bekommen, wenn sie nicht die Möglichkeit haben oder wenn es eben nicht wertgeschätzt wird.

[Susanne Dube]
Na, wenn die Priorität nicht da ist. Ich rede immer gar nicht mehr gerne davon, dass Leute die Zeit nicht haben, sondern es ist nicht hoch genug priorisiert.

[Johannes Starke]
Ja, ich bin da immer so ein bisschen skeptisch, weil das dann oft so als individueller Mangel geframed wird. Der organisiert sich nicht richtig...

[Susanne Dube]
Das meine ich gar nicht. Es ist eine Priorität, kommt ja nicht nur aus mir selbst, kommt ja auch aus mir und dem Unternehmen. Das löst das nicht.

Erste Schritte zu Content Curation and Creation

[Susanne Dube]
Das bringt mich zu meiner nächsten Frage: Wenn ich jetzt annehme, unser Unternehmen ist schon gut im Austausch, aber ich weiß nicht, ob das alle Kollegen so sehen. Ich selbst bin aktiv im Social Intranet, in den Fridays for Learning und mache diesen Podcast. Ich nutze alle Lernmöglichkeiten und teile das gern mit anderen. 

 

Angenommen, ein Unternehmen hat all das noch nicht, was wären dann erste Schritte, um die Mitarbeitenden zu motivieren, Inhalte zu erstellen oder zu kuratieren? Sie sollen unseren Podcast hören und deine Beiträge lesen, Johannes. Gibt es noch mehr, was man tun könnte? 

[Stephan Hilbrandt]
Wenn man sich die Tool-Landschaft in den meisten Unternehmen ansieht, findet man sicherlich etwas, mit dem man anfangen kann. Kaum ein größeres Unternehmen hat nicht zumindest ein Werkzeug lizenziert, sei es aus der Microsoft-Welt oder anderen Bereichen. Ich würde also zunächst schauen, welche Möglichkeiten es gibt und mit den vorhandenen Tools erste Experimente starten. Mit den ersten Erfahrungen lernt man dann, was man gezielt braucht und ob ein spezielleres Tool erforderlich ist. Die Hürden, um anzufangen, sind heutzutage gering, da die Möglichkeiten überall vorhanden sind – man muss sich nur trauen, loszulegen. 

[Susanne Dube]
Das, was du ansprichst, sind eher technische Hürden. Der entscheidende Punkt ist jedoch, dass sich das Unternehmen trauen muss, diesen Raum zu geben, den du, Johannes, genannt hast. Die Mitarbeiter müssen die Möglichkeit haben, sich zu trauen. Wir sind oft mit dem Spruch „Wenn du keine Ahnung hast, einfach mal Klappe halten“ sozialisiert worden. Bei User-Generated Content und der Sichtbarmachung von Wissen gehen wir gegen diesen Slogan an. Ich denke, als Unternehmen muss man eine Grundlage schaffen – sonst wird es vermutlich kein Selbstläufer. 

[Stephan Hilbrandt]
Ich denke, wenn Wissenslücken transparent werden – also wenn ich sehe, dass eine Information fehlt und über einen längeren Zeitraum niemand sie liefert – könnte das dazu führen, dass ich mich traue, mein Wissen zu teilen, auch wenn ich mich nicht als Experten sehe. Zwar könnte der Reflex „wenn du keine Ahnung hast, halt die Klappe“ aktiviert werden, aber wenn niemand anderes diese Lücke füllt, warum nicht einfach teilen, wie ich es löse? So wird die Wissenslücke geschlossen und es kommt auch niemand weiter. Es geht also darum, Wissenslücken und vielleicht auch unterschätzte Kompetenzen sichtbar zu machen. 

[Johannes Starke]
Die Frage ist mir etwas zu groß, und ich möchte das Thema Mut und Vertrauen eher außen vor lassen. Es geht darum, Strukturen zu schaffen, in denen es ohne Gefahr möglich ist, Inhalte zu teilen – unterstützt durch sorgfältige Auswahl und Kuration, insbesondere am Anfang. Zum Beispiel durch nicht formal mandatierten Inhalte. Ein weiterer Punkt könnte sein, zunächst in einer Community zu agieren. Bei uns haben wir zum Beispiel Center of Competence eingerichtet, in denen Gruppen zu bestimmten Themen Inhalte gemeinsam erstellen. Dies fühlt sich sicherer an, als wenn man alleine auftritt. Außerdem könnte man Rituale und Events nutzen, um auszuprobieren, wie es sich anfühlt, sichtbar zu werden – wie Hackathons, um in einer sicheren Gruppe Inhalte zu produzieren. So kann man erste Schritte unternehmen, ohne von Einzelpersonen zu viel Mut zu fordern. 

[Susanne Dube]
Okay, spannend und schön, dass du das so auffangen kannst. Jetzt haben wir schon ganz, ganz lange geredet und ich habe viel, viel gelernt schon heute. Vielleicht noch so als motivierenden Abschluss.

Gute Beispiele

[Susanne Dube]
Habt ihr ein paar gute Beispiele für User-Generated Content? Oder sagt ihr, ach nein Susanne, packen wir nachher alles in die Shownotes?

[Johannes Starke]
Du hast ja in einer anderen Folge mit der Kollegin Lisa schon mal über das Thema Rapid Content Production gesprochen.

[Susanne Dube]
Das war aber nicht User-Generated.

[Johannes Starke]
Die Mechanismen sind nicht so unterschiedlich. Wir unterstützen FachexpertInnen, gemeinsam Inhalte schnell und ohne großen Aufwand zu erstellen. Wenn ich euren Podcast richtig verstanden habe, hat es bei den FachexpertInnen viel bewegt, als sie in die Position kamen, ihre Arbeit in einem Video so zu erklären, dass auch weniger tief Eingebundene sie verstehen. Das zeigt, wie WissensträgerInnen zu ProduzentInnen ihres eigenen Contents werden. 

[Susanne Dube]
Es sind die FachexpertInnen selbst, die sprechen, und wir begleiten den Prozess lediglich. Stephan, hast du ein Beispiel dazu?

[Stephan Hilbrandt]
Ich kann mich inhaltlich anschließen, ohne konkrete Beispiele zu nennen, da ich Kundennamen nicht ohne Absprache verwenden möchte. Aber generell funktioniert das gut, wenn es darum geht, kleinere Content-Stücke unkompliziert zu produzieren, wie es in eurem Podcast unter Rapid Learning beschrieben wurde. Besonders bei solchen Inhalten, die ohnehin aus einer hierarchischen Content-Erstellungsstruktur stammen, macht es Sinn, den FachexpertInnen die Möglichkeit zu geben, ihr Wissen direkt zu publizieren. 

[Johannes Starke]
Darf ich noch eine Sache ergänzen? Viele unserer KundInnen führen derzeit Learning Experience Plattformen (LXP) ein, was ein großes Thema ist. Wir beraten sie dabei, wie solche Plattformen sinnvoll aufgebaut werden können und welche Möglichkeiten sie den Lernenden bieten. Besonders im Hinblick auf Content Creation haben wir das Mandat, die Academy zu unterstützen, wie Lernpfade in einem LXP gut strukturiert werden. Für Unternehmen, die eine LXP einführen, bietet diese Plattform ein optimales Werkzeug, um nicht nur externe Inhalte wie LinkedIn Learning oder Coursera zu integrieren, sondern auch User-Generated Content einfach zu ermöglichen. 

[Susanne Dube]
Sehr schöne Beispiele von euch. Es war ein wirklich tolles Gespräch für mich – ich glaube, einer der längsten Podcasts, die ich aufgenommen habe. Aber wenn man sich zwei Leute einlädt, reden sie ja doppelt so lange. 

[Johannes Starke]
Ich hoffe, nicht ganz.

Schlussworte

[Susanne Dube]
Ich hoffe, ihr konntet auch etwas mitnehmen. War es in Ordnung? Fehlt noch etwas? Dann müssen wir wohl ein zweites Gespräch ansetzen. Oder habt ihr noch etwas für unsere Hörenden? 

[Stephan Hilbrandt]
Mir fehlt, glaube ich, nichts. Ich fand es eine recht runde Sache. Von daher, Johannes.

[Johannes Starke]
Es ist gut für den Moment. Diesen Spruch mag ich ja sehr gerne.

[Susanne Dube]
Der ist sehr schön. Dann sage ich schon mal Dankeschön an euch beide und für die Zuhörer und Zuhörerinnen. Wir packen bestimmt noch einige Sachen in die Show Notes.

Schaut gerne dort nach und viel Spaß. Bis zum nächsten Mal. Tschüss.

[Johannes Starke]
Danke, tschau. 

[Stephan Hilbrandt]
Danke.

 

 

[Susanne Dube]
Übrigens, habt ihr uns schon abonniert? Das geht überall dort, wo ihr eure Podcasts am liebsten hört. Wir freuen uns auf euer Feedback und vor allem auf den Austausch mit euch.

Wie ihr uns erreicht? Ihr könnt uns auf Podigi schreiben oder ihr folgt dem Lernlust Podcast auf Mastodon. Es gibt uns auch als echte Person auf Mastodon Twitter oder LinkedIn.

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