Artikel

Systemrelevante Jobs: Mitarbeitende unterm Radar?

Ohne die Mitarbeitenden in systemrelevanten Jobs würde das öffentliche Leben zum Erliegen kommen, das hat uns die Corona-Krise deutlich vor Augen geführt. Dennoch erhalten diese Berufsgruppen nur selten die Wertschätzung und die Unterstützung, die ihnen gebühren. Personalabteilungen und Akademien tragen hier eine besondere Verantwortung, denn sie sind es, die die Schnittstelle zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den Zielen der Geschäftsführung bilden.
17. August 2020
4 min
Pascal Guderian, Product Manager Workplace Learning, Performance Support & Workforce Empowerment, tts Pascal Guderian

In Zeiten der Corona-Krise wurde offenkundig, was schon immer eine Tatsache war: Die Wertschöpfung, die unserer Gesellschaft einen nie da gewesenen Wohlstand sichert, wird zu großen Teilen von ganz bestimmten Berufsgruppen erbracht. Ohne die systemrelevanten Jobs im Gesundheitswesen, im Einzelhandel, in der Produktion oder in der Logistik würde das öffentliche Leben zum Erliegen kommen. Und auch für die Unternehmen selbst sind die Berufe an vorderster Front überlebenswichtig.

Wie Performance Support den stationären Handel fit für das 21. Jahrhundert macht

PDF, 1,6 MB

Systemrelevant = benachteiligt?

Gleichzeitig steht die Bedeutung dieser Berufsgruppen in einem krassen Widerspruch zu der Wertschätzung, die sie in „normalen“ Zeiten erfahren. Nicht nur, dass die Beschäftigten in systemrelevanten Berufen, Supermarktmitarbeitende zum Beispiel, häufig sehr viel geringer entlohnt werden als Kollegen an einem festen PC-Arbeitsplatz. Aufgrund oftmals unvorhersehbarer Tätigkeiten, die spezielles Know-how voraussetzen, sind die systemrelevanten Mitarbeitenden auch immer wieder auf sich alleine gestellt – sei es im Zusammenhang mit den im Zuge der Corona-Krise erlassenen neuen Hygienevorschriften, der Einführung des kontaktlosen Bezahlens oder des Umsetzens von Abstandsregeln. Für gewisse Problemstellungen bekommen sie schlichtweg keine Lösungen an die Hand, denn Zeit für Learning-Initiativen wie Schulungen oder E-Learning bleibt im Arbeitsalltag keine. Hinzu kommt, dass die Menschen an „vorderster Front“ kaum über Möglichkeiten der Mitbestimmung verfügen. Die Folge: Ihre Bedürfnisse werden von den Unternehmen nur selten berücksichtigt. Doch die fehlende Unterstützung und der damit verbundene Mangel an Wertschätzung führen zu Frustration. Darunter leidet dann die Qualität der Arbeit, die Produktivität sinkt, und darunter leidet letztendlich auch die Kundenzufriedenheit.
 

Eigenschaften systemrelevanter Jobs
© tts - knowledge matters.

Eigenschaften systemrelevanter Jobs

Personalabteilungen tragen besondere Verantwortung

Im Zuge der Covid-19-Pandemie entstand der Eindruck, dass diese Versäumnisse kurzfristig durch Sonderzahlungen und gesellschaftlichen Zuspruch kompensiert werden sollten. Damit sich die Arbeitsrealität systemrelevanter Berufsgruppen jedoch nachhaltig ändert, bedarf es mittelfristig einer anderen Haltung der Unternehmen gegenüber diesen offenkundig unverzichtbaren Mitarbeitenden.

David Graeber

Es ist wichtig, dass wir, was wir uns in Krisenzeiten endlich eingestehen, danach nicht wieder verdrängen – zum Beispiel, welche Jobs wirklich systemrelevant sind und welche nicht.

David Graeber

Eine besondere Verantwortung tragen in diesem Zusammenhang die Mitarbeitenden der Personalabteilungen und der Akademien, denn sie bilden die Schnittstelle zwischen den Bedürfnissen der Mitarbeitenden und den Zielen der Geschäftsführung. Dass solch ein Change nicht einfach ist und einen Wandel der Unternehmenskultur mit sich bringt, versteht sich von selbst. Um dennoch die ersten Schritte in Richtung eines wertschätzenden Miteinanders zu gehen – auch über die Corona-Krise hinaus –, gilt es, die nachfolgenden fünf Ansatzpunkte zu berücksichtigen:

  1. Gehen Sie auf Ihre Kollegen zu
    Erkundigen Sie sich nach den Sorgen, Bedürfnissen und Nöten, die die Kollegen an vorderster Front umtreiben. Versetzen Sie sich in ihre Lage. Erarbeiten Sie auf dieser Basis gemeinsame(!) Lösungen.
  2. Denken Sie groß, starten Sie klein
    Gibt es konkrete Maßnahmen, die bereits jetzt wirksam sind? Führen Sie kleine Pilotprojekte durch und messen Sie die Verbesserung. Entwickeln Sie bestehende Maßnahmen stetig weiter und steigern Sie so kontinuierlich deren Wirksamkeit.
  3. „Perfekt“ ist der Feind von „gut“
    Gewichten Sie den konkreten Nutzen für die Menschen „da draußen“ stärker als organisatorische oder administrative Zwänge. Seien Sie pragmatisch, denn nur so sind schnelle Ergebnisse zu erwarten, die auch die Unternehmensführung überzeugen werden.
  4. Lernen als positiver Nebeneffekt
    Stellen Sie nicht das Lernen in den Vordergrund, sondern unterstützen Sie die Kollegen in systemrelevanten Berufen dabei, Probleme in ihrem Arbeitsalltag zu lösen. Das Erlangen von Kompetenz geschieht dabei ganz automatisch.
  5. Wissen entsteht da, wo es gebraucht wird
    Unterstützen Sie Teams in systemrelevanten Jobs, ihre speziellen Probleme gemeinsam mit Ihnen zu lösen. Seien Sie kompetenter Partner und nicht nur Provider von generischen Lerninhalten. Geben Sie Hilfe zur Selbsthilfe.

Wertschätzung leben

Wenngleich ein Einzelner von uns nicht in der Lage sein mag, grundlegende gesellschaftliche Problemstellungen zu lösen, so gibt es dennoch vielversprechende Ansätze, um den Mitarbeitenden in systemrelevanten Jobs die Wertschätzung entgegenzubringen, die sie verdienen – sei es durch monetäre Zuwendungen oder die Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse. Denn sie sind eben nicht nur „Ressource“, sondern sind für das Funktionieren unserer Gesellschaft und der Unternehmen von zentraler Bedeutung – und diese Erkenntnis gilt es nun in unseren Arbeitsalltag zu tragen.

Verwandte Artikel