Job Enrichment, Job Enlargement – eine Gegenüberstellung

Job Enrichment, Job Enlargement – eine Gegenüberstellung

Angesichts zunehmend kürzerer Veränderungszyklen fragen sich viele Unternehmen: Wie können wir die Kompetenzen und Aufgaben der Mitarbeiter:innen effektiver an unsere Geschäftsziele anpassen? Und dies möglichst on the job, also direkt am Arbeitsplatz? Job Enlargement und Job Enrichment sind eine Möglichkeit. Doch wie funktionieren diese Maßnahmen, welche Vor- und Nachteile sind abzuwägen, und worauf ist bei der Umsetzung zu achten?

Unternehmen, die ihre Organisation beständig auf neue Wettbewerbssituationen ausrichten wollen, kommen nicht darum herum, die Arbeit der Mitarbeitenden immer wieder neu an der Geschäftsstrategie auszurichten. Mit Job Enlargement und Job Enrichment stehen dafür zwei geeignete Instrumente parat.

Was steckt hinter Job Enlargement und Job Enrichment?

Zusammen mit der Job Rotation bilden Job Enlargement und Job Enrichment ein Dreigespann im Handwerkskasten des Talent Management. Alle drei Instrumente zielen darauf ab, die Mitarbeitenden zu fördern und zu fordern, indem man ihnen anbietet, im Rahmen eines Trainings on the job neue Tätigkeiten auszuprobieren und zu erlernen.

Grundlage für die Effektivität dieser Maßnahmen sind unter anderem Erkenntnisse aus der Motivationspsychologie, wie z. B. die Zwei-Faktoren-Theorie von Frederick Herzberg. Herzberg stellte fest, dass Faktoren wie die Vielfalt der Aufgaben und die Möglichkeit zu eigenverantwortlichem Handeln die intrinsische Motivation erhöhen. Dadurch steigt die Bereitschaft der Mitarbeitenden, sich weiterzuentwickeln und die volle Leistungskraft im Job zu entfalten.

Welches sind die Unterschiede?

Job Rotation, also der systematische Arbeitsplatzwechsel innerhalb eines Teams, zahlt vor allem auf die Employee Experience ein, während Job Enlargement und Job Enrichment darauf ausgelegt sind, die individuellen Stärken und Qualifikationen der Arbeitnehmer:innen entsprechend der Unternehmensstrategie weiterzuentwickeln. Eine kurze Definition der Begriffe:

Beim Job Enlargement (Arbeitserweiterung) werden den Mitarbeitenden zusätzliche Aufgaben übertragen, die ihre bisherige Tätigkeit ergänzen. In der Regel handelt es sich dabei um vor- oder nachgelagerte Aufgaben, die dem aktuellen Anforderungsprofil entsprechen. Das Tätigkeitsspektrum wird horizontal erweitert, eine fachliche Weiterbildung ist nur in Ausnahmefällen notwendig.

Auch beim Job Enrichment (Bereicherung der Arbeit) übernehmen die Mitarbeitenden neue Aufgaben. Diese Tätigkeiten stellen jedoch höhere fachliche Anforderungen und gehen mit einem höheren Maß an Verantwortung einher, die Mitarbeiter:innen erhalten größeren Entscheidungsspielraum. Als Sprungbrett zur nächsthöheren Hierarchiestufe erfordert Job Enrichment oftmals Qualifizierungsmaßnahmen.

Job Enlargement

Job Enrichment

Zusätzliche Aufgaben auf bisherigem Anforderungsniveau – quantitative Aufgabenerweiterung

Zusätzliche Aufgaben auf höherem Anforderungsniveau – qualitative Aufgabenerweiterung

Tätigkeitsumfang nimmt zu

Verantwortungs- und Entscheidungsspielraum nimmt zu

Ausbau der vorhandenen Fähigkeiten

Aufbau neuer Fähigkeiten

Horizontale Umstrukturierung

Vertikale Umstrukturierung

Keine Weiterbildungsmaßnahmen notwendig

Qualifizierungsmaßnahmen notwendig

Wann ist welches Instrument sinnvoll?

Job Enlargement und Job Enrichment können in fast jedem Aufgabenbereich zum Einsatz kommen, um die Arbeitsgestaltung der Mitarbeiter:innen effizient zu steuern und an die aktuelle Unternehmensentwicklung anzupassen, zum Beispiel im Rahmen von Restrukturierungsmaßnahmen, bei Automatisierungs- bzw. Digitalisierungsprojekten, zum Ausbau von Geschäftsfeldern, für das Erschließen neuer Märkte oder im Fall von einem starken Unternehmenswachstum.

Ein konkretes Beispiel: Ein Maschinenbauunternehmen hat eine neue Produktlinie eingeführt. Um schneller und flexibler fertigen zu können, übernimmt ein Roboter repetitive Arbeitsschritte in der Montage wie das Verkleben und Verschrauben von Bauteilen.

  • Job Enlargement: Einer technisch besonders versierten Arbeitskraft wird zusätzlich die Aufgabe übertragen, den Roboter zu programmieren. Das Einarbeiten in die Bedienung des Roboters erfolgt direkt vor Ort.
  • Job Enrichment: Die neue Produktlinie erfordert eine zusätzliche Schicht. Ein Teammitglied wird in einem Lehrgang in puncto Mitarbeiterführung fortgebildet. Als Schichtleiter:in verantwortet diese Person die Beaufsichtigung der Kolleg:innen und die Qualitätskontrolle.

Vorteile und Risiken

Der positive Effekt sowohl von Job Enlargement als auch von Job Enrichment ist, dass sie die Mitarbeiter:innen durch abwechslungsreichere Tätigkeiten aktivieren. Doch jede Methode besitzt ihre ganz spezifischen Vorteile – und gewisse Nachteile, bzw. Risiken. 

Job Enlargement – Chancen für das Unternehmen

Prozesseffizienz steigern

Durch die Bündelung von Aufgaben in einer Hand können Unternehmen ihre Abläufe effizienter gestalten. Der interne Abstimmungsbedarf verringert sich, die Agilität steigt.

Flexibilität erhöhen

Job Enlargement, die Erweiterung des Aufgabenspektrums, vergrößert den Handlungsspielraum des Unternehmens. Wie auch bei der Job Rotation werden Silos aufgebrochen, die Arbeitnehmer:innen können flexibler eingesetzt werden und sich bei Bedarf gegenseitig unterstützen. Auf diese Weise lässt sich kurzfristiger Personalmangel besser abfangen.

Produktivität steigern

Genau wie die Job Rotation kann das Job Enlargement dazu beitragen, physische Eintönigkeit, Monotonie und einseitige Belastungen zu vermeiden. Die Zufriedenheit und die Arbeitsmotivation steigen.

Talente identifizieren

Führungskräfte können beobachten, wie die einzelnen Mitarbeiter:innen das erweiterte Arbeitspensum bewältigen. Auf diese Weise gelangen sie zu einer besseren Einschätzung der Fähigkeiten und Potenziale dieser Beschäftigten.

Job Enlargement – darauf ist zu achten!

Überforderung

Die Übernahme weiterer Aufgaben darf nicht bedeuten, dass einzelnen Personen einfach zusätzliche Tätigkeiten aufgebürdet werden. Die Arbeitszeit muss gleich bleiben. Gerät die Work-Life-Balance in eine Schieflage, kann die als Leistungs-Booster gedachte Arbeitserweiterung in Stress und Überlastung umschlagen.

Frustration

Zusätzliche Arbeit zu leisten, ohne dafür einen zeitlichen oder finanziellen Ausgleich zu erhalten, wird von den Arbeitnehmer:innen als unfair empfunden, besonders wenn der Eindruck entsteht, dass der Arbeitgeber auf diese Weise Personal einsparen will. Daher empfiehlt es sich, klar zu kommunizieren, dass die Maßnahme der Personalentwicklung dient, nicht dem Wegfall von Arbeitsplätzen.

Chancen

Risiken

Steigerung von Leistung und Prozesseffizienz

Zeitliche Überforderung

Erhöhung der Flexibilität im Personaleinsatz

 

Förderung von Zufriedenheit

Sinkende Motivation

Identifizierung von Potenzial

 

Job Enrichment – Chancen für das Unternehmen

Talente auf eine höhere Position vorbereiten

Indem ein Unternehmen ausgewählten Mitarbeitenden verantwortungsvolle Tätigkeiten überträgt, kann es diese Mitarbeiter:innen gezielt für die nächste Hierarchiestufe weiterentwickeln und ihre Eignung für den Job testen. Die ausgewählten Personen wiederum gewinnen praxisnahe Einblicke und können schnell einschätzen, ob sie den nächsten Schritt auf der Karriereleiter tatsächlich gehen wollen.

Aufwand im Recruiting einsparen

Entsteht durch das Erweitern der Geschäftstätigkeit eine Vakanz, braucht nicht extern nach neuen Mitarbeiter:innen gesucht werden, Neueinstellungen erübrigen sich und Personalauswahlverfahren entfallen. Das spart Zeit und Kosten.

Führungskräfte entlasten

Wird im Rahmen von Job Enrichment eine neue Hierarchieebene eingezogen oder kann ein Teil der Führungsverantwortung an Mitarbeiter:innen übertragen werden, werden Kapazitäten freigesetzt. Die Führungskräfte können Arbeit delegieren und sich verstärkt ihren strategischen Aufgaben widmen.

Employer Branding fördern

Ein fester Arbeitsplatz und gute Bezahlung genügen gerade Mitarbeitenden der jüngeren Generationen nicht mehr. Viele Fachkräfte suchen sich Unternehmen, die attraktive Entwicklungsmöglichkeiten bieten. Job Enrichment zahlt positiv auf das Image des Arbeitgebers ein.

Leistungsbereitschaft steigern

Anspruchsvollere und interessantere Tätigkeiten bieten Abwechslung und setzen positive Impulse. Sie tragen dazu bei, die Motivation, die Arbeitszufriedenheit und die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen zu erhöhen.

Job Enrichment – darauf ist zu achten!

Gefahr der Überforderung

Die Übernahme größerer Verantwortung kann durch die zusätzliche Belastung in eine Überforderung der Mitarbeiter:innen umschlagen, sofern sie nicht durch eine zielgerichtete Unterstützung und Fortbildung begleitet wird.

Falsche Erwartungen

Erweiterte Kompetenzen und eine höhere Verantwortung bedeuten nicht automatisch bessere Bezahlung. Wird nicht transparent kommuniziert, ob und wann eine Gehaltsanpassung erfolgt, kann dies Frustration bei den betroffenen Mitarbeiter:innen hervorrufen.

Kosten durch Weiterbildung

Auch Job Enrichment verursacht Aufwände: Die Mitarbeiter:innen müssen an die neuen Aufgaben herangeführt und qualifiziert werden.

Unzufriedenheit

Nicht alle Mitarbeitenden möchten sich vertikal weiterentwickeln oder sind bereit, verantwortungsvollere Aufgaben zu übernehmen. Entsprechende Wünsche gilt es zu respektieren, um Demotivation vorzubeugen.

Chancen

Risiken

Vorbereitung von Talenten für höhere Positionen

Überforderung

Verringerung des Aufwands beim Recruiting

Hohe Weiterbildungskosten

Entlastung der Führungskräfte

Falsche oder enttäuschte Erwartungen

Steigerung der Leistungsbereitschaft

Unzufriedenheit

Förderung des Employer Branding

 

Job Enlargement und Job Enrichment zielgerichtet umsetzen

Je gezielter und transparenter der Einsatz von Job Enlargement und Job Enrichment, desto besser kann die HR-Abteilung die Personalentwicklung mit den Unternehmenszielen synchronisieren. Fünf Schritte führen ans Ziel:

  1. Aktuelle Situation analysieren: Die HR-Abteilung sollte sorgfältig prüfen, ob und für welche Mitarbeiter Job Enlargement und Job Enrichment infrage kommen. Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung ist, dass das neue Tätigkeitsprofil an das fachliche und persönliche Profil der jeweiligen Mitarbeiter:innen anknüpft.
  2. Führungskräfte einbeziehen: Die direkten Vorgesetzten können wertvollen Input liefern. Sie kennen ihre Mitarbeitenden aus der täglichen Arbeit und können ihre Fähigkeiten, Interessen und die Leistungsbereitschaft sehr gut einschätzen.
  3. Schrittweise vorgehen: Job Enlargement und Job Enrichment sollten als Lernprozesse implementiert und die Mitarbeitenden schrittweise an die zusätzlichen bzw. anspruchsvollere Aufgaben herangeführt werden, sonst drohen Überforderung und Unzufriedenheit.
  4. Durch Qualifizierung und Mentoring unterstützen: Die Einarbeitung in die Tätigkeit sollte durch erfahrene Kolleg:innen erfolgen. Ergänzend sind externe Schulungsmaßnahmen einzuplanen, gerade wenn intern die Kapazitäten oder das nötige Wissen fehlen. Mentor:innen tragen betreuend und beratend dazu bei, dass die Mitarbeitenden in der neuen Position schnell heimisch werden.
  5. Maßnahmen regelmäßig überprüfen: In Feedbackgesprächen zwischen Mitarbeiter:in und Führungskraft wird geklärt, ob die gesetzten Ziele erreicht wurden oder nachjustiert werden muss. Grundlage ist ein kontinuierliches Performance Management bzw. eine Softwarelösung, zum Beispiel SAP SuccessFactors Performance & Goals.

Tipp: Mit Software die Umsetzung erleichtern

Um den Einsatz von Job Enlargement und Job Enrichment mit wenig Aufwand zu professionalisieren, empfiehlt sich der Einsatz einer Software, zum Beispiel SAP SuccessFactors Performance & Goals. Diese Lösung unterstützt die Personalabteilung und die Führungskräfte dabei, die Unternehmensziele auf konkrete und messbare Ziele für jedes Individuum herunterzubrechen. Auch die Arbeitsleistung der einzelnen Beschäftigten lässt sich mithilfe der Software objektiv und transparent messen. In Feedbackgesprächen mit Vorgesetzten oder durch die Bewertung von Kolleg:innen erhalten die Mitarbeiter:innen die Rückmeldung, die sie zum Erreichen ihrer Ziele brauchen. Eine solche 360-Grad-Feedbackkultur schafft die nötige Transparenz, um gezielt diejenigen Mitarbeitenden zu identifizieren, die für eine Aufgabenerweiterung oder verantwortungsvollere Positionen infrage kommen. Im Gegenzug können auch die Mitarbeiter:innen selbst mehr Verantwortung für die eigene Leistung und Weiterentwicklung übernehmen.

Personalentwicklung im Einklang mit der Geschäftsstrategie

Mit Job Enlargement und Job Enrichment verfügt die HR-Abteilung über praxistaugliche Instrumente für die Personalentwicklung. Beide Maßnahmen können weitaus mehr, als nur durch abwechslungsreichere Aufgaben die Motivation und Zufriedenheit der Beschäftigten zu erhöhen. Richtig eingesetzt, tragen sie dazu bei, die Arbeitsgestaltung zu professionalisieren. Die Aufgaben und Individualziele der Arbeitnehmer:innen lassen sich rasch an neue Geschäftsgegebenheiten anpassen, um die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu sichern – und zwar on the job, kosteneffizient und ohne den laufenden Geschäftsbetrieb zu sehr zu belasten.