Lernlust #67 // Digitalisierung im Krankenhaus – Herausforderung, Veränderung, Chance
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LERNLUST Podcast
Es werden wertvolle Erfahrungen aus der Praxis geteilt und beleuchtet, welche Herausforderungen das KHZG für Kliniken mit sich bringt. Thematisiert wird, wie Verantwortliche und Mitarbeitende mit den Veränderungen umgehen und an welchen Stellen Lern- und Entwicklungsprozesse besonders gefragt sind.
Im Fokus steht die Digitalisierung im Gesundheitswesen und der damit verbundene Change. Welche Chancen eröffnen die neuen Strukturen? Wo liegen Stolpersteine für Kliniken, Mitarbeitende und Führungskräfte? Und wie können Lern- und Enablement-Maßnahmen helfen, den Wandel aktiv zu gestalten?
Die Episode zeigt eindrucksvoll, warum Change und Enablement zentrale Themen bleiben, die Lernen und Entwicklung in Organisationen prägen. Praktische Einblicke, authentische Erfahrungen und wertvolle Impulse für den eigenen Arbeitsalltag machen sie zu einem Muss für alle, die an der Schnittstelle von Digitalisierung, Veränderung und Corporate Learning arbeiten.
Shownotes
Host:
Susanne Dube // LinkedIn
Gast:
Lisa Bott, Teamleitung Innovation und Digitalisierung bei Bezirkskliniken Mittelfranken // LinkedIn
Weiterführende Links
Website der Bezirkskliniken Mittelfranken
YouTube Video der Veränderungsbegleiter
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Transkript
Intro:
[00:00:03] Lernlust, der Podcast für alles rund ums Thema Corporate Learning. Wir sind Claudia Schütze und Susanne Dube und wir sind Learning Consultants bei der tts und wir sind die Hosts dieses Podcastes. Und hier werden wir uns über Themen unseres Arbeitsbereiches miteinander austauschen, also alles, was Lernen in Organisationen heute und in der Zukunft betrifft. Und wir werden uns von Zeit zu Zeit interne oder auch externe Experten in unsere Runde einladen. Und wir freuen uns, wenn ihr dabei seid.
Susanne:
[00:00:44] Als Learning Architects treffen meine KollegInnen und ich auf Menschen in verschiedensten Branchen. Immer haben sie eins gemeinsam. Veränderungen im Unternehmen stehen an. Neue Systeme werden ausgerollt, Kompetenzen sollen aufgebaut und neue Vorgehensweisen gelernt werden. Meine Gesprächspartnerin in der aktuellen Folge des Lernlos-Podcasts stellt sich diesen Herausforderungen in einem besonderen Umfeld. Lisa Bott ist Teamleiterin der Abteilung für Innovation und Digitalisierung der Bezirkskliniken Mittelfranken. Mit ihrem Team bringt sie das Thema Digitalisierung in den Krankenhausbetrieb als Übersetzer, Veränderer, Wissensträger und Partner. Auf diese Weise hat sie meine Kollegen kennengelernt und mit diesen Aufgaben haben wir einiges gemeinsam. Das weckt meine Lernlust und ich bin gespannt auf mein heutiges Gespräch mit ihr. Herzlich willkommen. Hallo, liebe Lisa. Schön, dass ich dich hier auf dem Lernnessofa habe heute.
Lisa:
[00:01:42] Ja, vielen Dank für die Einladung.
Susanne:
[00:01:44] Ich finde es ja ganz verrückt, dieser Podcast ist irgendwie unter einem total verrückten Stern, denn für die erste Aufzeichnung hast du dich krank gemeldet. Dann habe ich mich operieren lassen und war ganz lange krank. Und irgendwie reden wir ja gar nicht über Krankheit, sondern eher über das Gesundheitswesen heute so ein bisschen.
Lisa:
[00:02:02] Ja.
Susanne:
[00:02:02] Also ein toller Aufhänger. Sag doch mal kurz unseren Zuhörern, wo arbeitest du, liebe Lisa?
Lisa:
[00:02:10] Gerne. Ich arbeite bei den Bezirkskliniken Mittelfranken. Meistens am Standort Erlangen, aber wir haben viele Standorte über Mittelfranken verteilt. Es ist ein Kommunalkrankenhaus für vor allem den Bereich Psychiatrie, Sucht, Psychosomatik und Neurologie. Und Forensik haben wir noch bei uns. Also das sind so die Schwerpunkte. Und Rehabilitation.
Susanne
[00:02:35] Das sind spannende Themen.
Lisa:
[00:02:37] Genau, ja. Da arbeite ich.
Susanne:
[00:02:40] Genau. Und nein, liebe Zürcher, es ist tatsächlich nicht so, dass ich jetzt plötzlich in die Medizin gehe, sondern wenn ich es richtigerinnere, wie gesagt, unser Vorgespräch ist ja schon ganz, ganz lange her, dann bist du Teamleiterin in der Abteilung für Innovation und Digitalisierung, kurz A-I-D. Ich sage immer AID, aber das magst du gar nicht so.
Lisa:
[00:03:02] Aber es ist halt die englische Variante. Die Bedeutung ist ja auch ganz nett, also an sich gar nicht so verkehrt. Bei uns ist es die A-I-D. Das hat sich irgendwie so durchgesetzt.
Susanne:
[00:03:14] Okay, dann klären wir doch mal kurz, was ist AID? Also was macht ihr da in eurer Abteilung oder warum gibt es solche? Das ist vielleicht die wichtigste Frage.
Lisa:
[00:03:22] Also wir haben eine Entstehungsgeschichte, die hat 2021, naja, 2020 mit den Überlegungen begonnen: Da sollte ein neuer Standort in Betrieb genommen werden und der sollte digitaler arbeiten. Und dafür hat man dann erstmal das Training Center geschaffen, das sich mit Digitalisierung, mit medizinischen Prozessen auseinandersetzen sollte. Und da haben wir so ein bisschen gestartet und sind dann relativ schnell zur Erkenntnis gekommen, dass so ein (damals) Projekt nicht ausreichen wird und es auch nicht nur um den einen neuen Standort geht, sondern es um alle Standorte gehen wird, was Digitalisierung, Modernisierung angehen wird. Und daraus hat sich dann im April 2023 die Abteilung für Innovation und Digitalisierung gegründet, multiprofessionell. Wir haben Pflegekräfte, Psychologen, Ergotherapeuten, Sozialpädagogen, bin ich selbst eine ursprünglich. Bei uns in der Abteilung sind, ja, wir sagen immer, aus der Praxis für die Praxis. Also wir kommen von den Stationen, wir kennen das Arbeiten dort, wir wissen, was so die alltäglichen Herausforderungen in der Arbeit mit Patienten und auch mit den digitalen Themen sind. Und wir versuchen, alle neuen digitalen Anwendungen so vorzubereiten, dass sie dann im Arbeitsalltag auch gut nutzbar sind und dass sie für Patientinnen und Patienten und für Mitarbeiter den größtmöglichen Nutzen bringen. Genau.
Susanne:
[00:04:57] Also das heißt, dass quasi es lauter Menschen aus der Praxis sind, die aber gar nicht jetzt die Praxissachen schulen. Also es geht gar nicht darum,
wie pflege ich den Menschen, sondern ihr habt euch auf das Thema Digitales spezialisiert und versucht da so ein bisschen, diejenigen zu sein, die das zusammenbringen. Weil jeder, der ja in der Medizin oder in Krankenhäusern arbeitet, hat ja einen ganz anderen Kernauftrag, als tatsächlich den, zu gucken, wie die Systeme funktionieren.
Lisa:
[00:05:23] Genau, also es ist ein Teil des Alltags, dass man mit Technologie arbeitet in der Medizin. Also das ist, denke ich, schon länger so. Aber es gibt einen immer schnelleren Wandel darin. Und die Mitarbeitenden haben sich aber, würde ich schon sagen, in erster Linie, oder da kann ich auch für mich sprechen, man hat sich in erster Linie ja nicht für einen Job entschieden, wo man jetzt ganz viel mit Software und irgendwelchen Technologien zu tun hat, sondern eigentlich für einen mit Menschen. Das ist ja auch immer die große Kritik. Genau. Und da sagen wir eben, klar, also es gehört zum Arbeitsalltag dazu, aber es ist wichtig, dass es für die Leute praktisch anwendbar bleibt, dass es keine Riesenanleitungen und Riesenschulungen und alles Mögliche geben muss, damit die Leute noch wissen, wie sie einfache Sachverhalte oder sowas auch dann bedienen können, also wie sie mit den Anwendungen umgehen. Und da vielleicht auch schon der erste Gesetzesname, weil da das Krankenhaus-Zukunftsgesetz, das KHZG, das hat uns natürlich auch in der Gründung der Abteilung beschleunigt, bestärkt, weil dadurch ein ganz anderer Druck reingekommen ist, viele digitale Technologien, neue Technologien, neue Software einzuführen und umzusetzen.
Susanne:
[00:06:44] Jetzt müssen wir mal kurz einen Schritt zurück machen, denn ich erinnere mich, als wir das erste Mal gesprochen hatten, dass du mir gesagt hast, es gibt so viele Themen, vor denen Krankenhäuser gerade stehen, die sie lernen müssen. Das Krankenhauszukunftsgesetz ist ja eines. Kannst du vielleicht mal kurz so eine schnelle Aufzählung, eine Fingeraufzählung machen? Was sind so Themen, mit denen ihr euch die ganze Zeit in eurer AID beschäftigt?
Lisa:
[00:07:08] Also ich würde behaupten, das Krankenhauszukunftsgesetzist zurzeit das Präsenteste oder ist schon seit langem das Präsenteste. Darauf folgt irgendwann das KHVVG, das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz. Die haben alle schöne Namen. Es sind aber natürlich auch die Herausforderungen vor denen alle Kliniken stehen, dass immer ein Finanzdruck einfach da ist, dass auch ständig Neuerungen - das hört man glaube ich gerade auch wieder in der Politik - mit den Krankenkassen, verhandelt wird. Wo stehen da die Kliniken, wie viel Gelder bekommen die noch und so weiter. Also da herrscht schon auch einfach ein großer Konkurrenzdruck, dass man halt, ja, da konkurrenzfähig bleibt.
Susanne:
[00:07:56] Also innovativ bleiben, damit man konkurrenzfähig sein kann. Ist es das? Ist es jetzt auch bei den Krankenhäusern schon angekommen?
Lisa:
[00:08:02] Ja, doch, würde ich sagen, ist angekommen. Da weiß man einfach, es gibt Krankenhäuser, die auch das nicht überstehen, auch bei uns in der Gegend, wo Krankenhäuser nicht überleben. Und da ist schon ein Druck da, dass man einfach zukunftsfähig bleibt.
Susanne:
[00:08:21] Wahnsinn. Also das klingt für mich tatsächlich sehr verrückt, wenn man so über dieses Thema spricht. Aber da spielen dann auch so Sachen tatsächlich wie künstliche Intelligenz, Robotik und sowas. Das spielt dann da alles mit rein, dass man versucht, auch Sachen zu technisieren, die früher Menschen gemacht haben, einfach um da effizienter zu sein. Wahnsinn.
Lisa:
[00:08:39] Also KI ist auch ein gutes Stichwort, ist auch gerade ein großes Thema. Da gibt es ja auch den EU-AI-Act. Das sind alles so, da kommen auch immer wieder neue Regularien und Gesetzestexte und so weiter, halt auch Dinge dazu, mit denen man sich dann auseinandersetzen muss. Ich würde trotzdem sagen, so das Krankenhauszukunftsgesetz ist das, was gerade am meisten umtreibt, weil es akut ist, also weil es so ein akuteres Thema ist.
Susanne:
[00:09:02] Okay, dann würde ich sagen, also erstmal ganz viele Themen, die du gerade genannt hast, hätte ich nie und nimmer bei Krankenhäusern verortet. Von daher ist das schon sehr, sehr spannend, aber wir bleiben mal bei dem euch, ureigensten Gesetzesthema, dem Krankenhauszukunftsgesetz. Magst du mal kurz einen Abriss geben, was das dir Herausforderung ist für euch Kliniken, also was das eigentlich für euch bedeutet.
Lisa:
[00:09:25] Also Krankenhauszukunftsgesetz, ich meine, es ist 2020 veröffentlicht worden. Es ist eigentlich einfach der Anstoß des Staates für mehr Digitalisierung und Modernisierung von Krankenhäusern, dass das vorangetrieben wird, weil es einfach in den Jahren zuvor eher stockend war. Und da einfach, ich glaube, ich habe es noch mal vorhin angeschaut. Also das Gesetz hat 4,3 Milliarden Euro an Fördermitteln bereitgestellt, damit eben die über Krankenhauszukunftsfonds verteilt werden, dass man einfach modernisieren, digitalisieren kann. Diese Fördermittel musste man beantragen für verschiedene Fördertatbestände. Das klingt jetzt auch ganz hochtrabend, aber da geht es einfach um verschiedene Themenbereiche, zum Beispiel um Patientenportale, um digitale Pflege- und Behandlungsdokumentation, um digitales Medikationsmanagement. Also es sind ganz viele verschiedene Fördertatbestände, für die man eben Fördergelder beantragen konnte.
Susanne:
[00:10:32] Okay, das heißt, wenn ich jetzt meine eigenen Angebote digitalisiere, also ich muss immer ganz platte Beispiele machen. Ich mache meine Arzttermine jetzt über DoktorLib, hat nichts mit Kliniken zu tun, aber sowas in der Art kann ich mir vorstellen.
Lisa:
[00:10:45] Das ist zum Beispiel klassisch Patientenportal. Also das wäre ein Fördertatbestand. Zwei wäre das. Ja, also Dinge, die im Alltag auch einfach verwendet werden, aber die eben jetzt digital passieren sollen, die bisher oft noch nicht digital gelaufen sind.
Susanne:
[00:11:07] Okay, einfach weil die Menschen auch digitaler werden, also mehr gewöhnt sind, auch über das Handy zu machen oder einfach nur, damit es effizienter wird?
Lisa:
[00:11:15] Also schon, würde ich eher sagen, sehr der Effizienzgedanke und was man vielleicht auch, wo man den Bogen noch ein bisschen größer spannen kann: Es geht schon auch um eine bessere Vernetzung. Ich glaube, was auch die Menschen alle sehr am eigenen Leib erfahren haben, ist ja das Thema elektronische Gesundheitskarte. Auf der sollen ja gewisse Dinge gespeichert werden, wenn man dem zustimmt. Und was ja alle oder die meisten, glaube ich, auch schon nutzen, zum Beispiel, dass da das Rezept drauf gespeichert ist und man jetzt nicht mehr den Ausdruck bekommt.
Susanne:
[00:11:46] Sehr praktisch.
Lisa:
[00:11:48] Um solche Themen geht es da im Grunde schon auch, also dass man eine bessere Vernetzung zwischen den Kliniken und ambulanten Versorgernherstellt, dass man sagt, es ist nicht mehr alles in irgendwelchen, also das kennt, glaube ich, jeder, wenn man dann aus dem Krankenhaus rausgeht, dann kriegt man einen schriftlichen Arztbrief mit und dann muss man auf den ganz gut aufpassen am besten. Wenn man Glück hat, dann hat den vielleicht noch der Hausarzt irgendwie bekommen. Dann hat der den noch. Aber sobald man dann wieder zu einem Facharzt damit geht, muss man den schon dabei haben. Dann haben die den vielleicht eingescannt oder so. Und das soll eigentlich alles verbessert werden.
Susanne:
[00:12:22] Das habe ich gar nicht mehr gekriegt nach meiner OP. Das ging bestimmt schon digital.
Lisa:
[00:12:26] Ja, wäre wünschenswert. Genau. Und einfach diese Wege zu digitalisieren, dass man sagt, das läuft alles. Der Patient kann seine digitale Akte abrufen, der Hausarzt kann da im besten Fall drauf zugreifen und so weiter, dass man da einfach einen effizienteren Weg schafft.
Susanne:
[00:12:47] Okay, jetzt habe ich mir notiert zu diesem Krankenhaus-Zukunftsgesetz, dass offensichtlich Silvester diesen Jahres ein wichtiges Datum für euch ist.
Lisa:
[00:12:56] Ja, ist insofern wichtiges Datum, weil da dann die erste Frist für die Umsetzung der Muss-Kriterien, der Muss-Anwendungen sozusagen, da würde ich jetzt nicht in die Tiefe gehen, aber es gibt Muss und Kann in diesem Gesetz und im Dezember sind dann eben die ersten Fristen fällig, weil das gehört zu dem Gesetz dazu. Es ist ganz nett und gibt einem Fördermittel, aber das bedeutet auch, dass man was tun muss, nämlich die Dinge, die man dann einkauft, für die Fördergelder auch umsetzen.
Susanne:
[00:13:30] Ist ja auch mein Steuergeld, also würde ich auch wollen.
Lisa:
[00:13:34] Auf jeden Fall. Und das ist ja auch der Sinn dahinter, dass eben dieser Druck auch reinkommt, dass man nicht sagen kann, ja, wir schaffen irgendwann irgendwas mal an, sondern wirklich, dass man weiß, okay, da ist es dann auch umgesetzt, da ist es eingeführt, da ist es in Benutzung. Und da kommt dieser Zeitdruck auch her, dass jetzt im Dezember eben diese erste Frist kommt. Es gibt dann noch weitere. Also es muss nicht alles, alles, alles bis dahin umgesetzt sein. Aber so die erste Frist ist damit erreicht.
Susanne:
[00:14:02] Das heißt, die Muss-Sachen müssen umgesetzt sein. Okay. Was müsst ihr denn tun?
Lisa:
[00:14:08] Genau. Also ich glaube, Muss und Kann ist an der Stelle gar nicht so wichtig. Wir setzen auch einfach, würde ich behaupten, alles um. Also wir sind da gerade gar nicht so im Unterscheiden, sondern wir setzen verschiedene Fördertatbestände um.
Susanne:
[00:14:23] Mach doch mal ein paar Beispiele.
Lisa:
[00:14:25] Ich mache dir Beispiele, dass du dir was vorstellen kannst. Also ein Beispiel wäre die digitale Patientenakte, beziehungsweise die Kurve. Ich weiß nicht, ich glaube, da können sich viele auch nichts darunter vorstellen, aber das ist im Normalfall so eine, oder es war ganz lange so eine Klatte, nennt man es bei uns, Also so ein Plastikteil. Und da war dann ein ganz großer Papierbogen drauf. Und da hat dann Arzt und Pflege verschiedene Vitalparameter eingetragen, wenn Fieber gemessen wird, Blutdruck, Puls. Medikamente stehen da alle drin.
Susanne:
[00:14:58] Und sag nochmal, wie hieß das?
Lisa:
[00:15:00] Bei uns heißt es immer, es ist eine Klatte. Also es ist, weil das so ein...
Susanne:
[00:15:04] Du hast ja Kurve gesagt. Habe ich Kurve verstanden?
Lisa:
[00:15:07] Genau, ja. Das ist die Patientenkurve. So wird es genannt offiziell. Und die war bisher bei uns ganz lange noch auf Papier. Wurde da schön mit Kugelschreiber immer eingetragen.
Susanne:
[00:15:19] Wie im Fernsehen, wenn die so blättern.
Lisa:
[00:15:21] Genau, so kann man sich das vorstellen. Und dann werden da die Medikamente eingetragen und abgehakt. Und wenn dann ein Papier vollgeschrieben ist, dann darf der Nachtdienst die Medikamentenliste auf das nächste Papier übertragen.
Susanne:
[00:15:35] Oho...
Lisa:
[00:15:36] Genau. Und wenn die Patientenkurve gerade in irgendeinem Zimmer ist,dann kann natürlich auch kein anderer in einem anderen Zimmer nachvollziehen, oh, hat der jetzt irgendwie ein anderes Medikament bekommen, dann muss er erst in dieses Zimmer laufen und sich das holen. So war es in der Vergangenheit. Das wurde jetzt bei uns zum Beispiel umgestellt auf die digitale Patientenkurve. Das heißt, das ist jetzt online alles sozusagen.
Susanne:
[00:16:00] Das heißt, dann kann man auf ein Tablet oder so schauen und ruft sich den Patienten auf und kann es da sehen.
Lisa:
[00:16:05] Genau, auf dem Laptop, auf dem Visitenpflegewagen, gerade noch eher PC gestützt, aber da kann ich eben von jeder Stelle aus jedem Büro die Patientenkurve aufrufen und kann nachschauen, was ist da vielleicht gerade passiert oder welche Medikamente wurden verändert. Das ist ein Beispiel. Wir führen auch ein Entlassmanagement ein, das ist auch im Fördertandbestand 2 zum Beispiel. Das soll ermöglichen, dass die Patienten sortiert und gut nach Hause oder auch wo immer hin entlassen werden können. Genau, also dass sie dann einfach wissen, okay, ich komme da und da hin, ich habe die und die Termine. Ja, also da gibt es auch ein großes Programm dazu. Es gibt, die Therapieplanungssoftware, die bei uns jetzt eingeführt wurde oder gerade mitten in der Einführung ist, würde ich behaupten. Und ja, da könnte ich jetzt lang weitermachen. Also es wird von Aufnahme bis Entlassung eigentlich alles, was man sich so vorstellen kann.
Susanne:
[00:17:10] Was ich total spannend finde, als wir das erste Mal gesprochen haben, wo du von Entlassung gesprochen hast, dann konnte ich mir nichts darunter vorstellen. Jetzt, wo ich ja auch mal entlassen wurde, ja, ich war nur in der Tagesklinik quasi, aber da habe ich auch dann mitgekriegt: "Ja, und dann kommen Sie morgen nochmal und dann kommen Sie in der Woche nochmal" und so. Das beruhigt einen als Patient auch total und deswegen ist es, glaube ich, ganz wichtig, dass das sortiert abläuft. Weil der Patient ist ja wirr sowieso durch Narkose oder sonst welche Geschichten. Verstehe ich dann richtig, richtig gut. Jetzt sind das ja alles Themen, wo ich sage, ich komme aus dem IT-Kontext so ein bisschen. Ich bringe ja Leuten noch immer was bei, wo ich sage, ja super, ich würde mich ja total freuen, wenn das digitalisiert wird. Warum braucht es AID oder A-I-D, um das tatsächlich den Menschen nahezubringen? Ich habe es schon wieder AID gesagt, es tut mir leid.
Lisa:
[00:17:59] Alles gut. Ja. Das würde ich sagen. Wir haben es jetzt oft erlebt, dass... Eine Software, zum Beispiel, das würde ich sagen - die digitale Patientenkurve ist ein sehr gutes Beispiel - kommt von unserem KISS-Krankenhaus-Informationssystem-Anbieter, wird quasi geliefert und dann ist es aber ein bestimmter Standard. Und dieser Standard, der muss nicht zwingend für den Fachbereich passen, um den es dann geht.
Susanne:
[00:18:28] Okay, dann fehlt ein Eingabefeld oder man müsste sich eins umbenennen oder so und dann funktioniert es plötzlich nicht mehr. Und was passiert dann? Was sagen die Kollegen dann? Mache ich nicht!
Lisa:
[00:18:38] Also da sind wir schon einen Schritt vorgeschaltet. Also wir sind quasi die Abteilung, die dann, wenn so ein System geliefert wird, bevor das überhaupt in den Echtbetrieb geht, kommt es in einen Testbetrieb. Und da sind wir die, die es mit testen und die sagen, okay, das muss so und so aussehen. Manchmal beraten wir uns dann natürlich auch noch mit bestimmten Abteilungen und sagen, okay, was braucht ihr da noch genau, was wir vielleicht gerade nicht auf dem Schirm haben, weil das wirklich sehr unterschiedlich ist. Und man muss sagen, die meisten dieser Programme sind sehr auf die Somatik ausgerichtet und weniger auf das Psychiatrische, was nochmal eine Herausforderung darstellt. Genau, dass man dann sagt, okay, es geht vielleicht gar nicht so sehr oft um irgendwelche somatischen Themen. Die bleiben nicht aus, also die gibt es auch immer. Aber was in der Somatik zum Beispiel selten ein Problem ist, ist das Thema Ausgang. Für psychiatrische Patienten ist es ein Thema, das in der Kurve erfasst werden muss. Welchen Ausgang hat der Patient? Kann der alleine rausgehen? Wie lange kann der alleine rausgehen? Kann er vielleicht gerade nur in Begleitung rausgehen. Sowas ist eigentlich nicht vorgesehen in so einer Kurve und da sind wir quasi so die Zwischenstelle, die dann sagt, stopp, wir müssen noch da und da und da dran denken und das gemeinsam mit unserer IT dann umsetzen.
Susanne:
[00:19:58] Das heißt, ihr übernehmt so ein bisschen die Übersetzungsfunktion oder eine Lokalisierungsfunktion so ein bisschen.
Lisa:
[00:20:04] Also Übersetzungsfunktion finde ich eigentlich ganz... also so beschreiben wir uns auch oft, wenn wir gefragt werden, Übersetzungsfunktion oder auch Brückenfunktion, also dass wir versuchen, diese Brücke zu schlagen zwischen dem Endanwender und der IT, die halt einfach das Produkt bekommt und dann aber ja auch oft nicht sagen kann, passt es jetzt so oder fehlt da eben noch das eine oder andere, damit es dann praktikabel ist in der Praxis.
Susanne:
[00:20:27] Und jetzt komme ich mal so ein bisschen gemein vom Thema User, der Mensch im Mittelpunkt, der Mensch zuerst und sage so, und jetzt habt ihr das dann angepasst und dann ist User Adoption erfolgreich, dann freuen sich die Kollegen und nutzen das einfach oder wie funktioniert das bei euch?
Lisa:
[00:20:43] Das wäre ein Traum. Genau, nee, es ist natürlich so und da würde ich sagen, da haben wir schon auch das Verständnis dafür, eben weil wir aus der Praxis kommen. Wenn man auf Station arbeitet, hat man ja ganz andere Themen als jetzt eben irgendwelche Neuerungen in irgendwelchen Softwareprogrammen. Man hat ganz andere Herausforderungen und das ist eigentlich eher so ein Störfaktor, der dann so mit reinkommt. An manchen Stellen verbessert es was, aber das ist auch, ja sag ich mal, es sind immer eher langfristige Erfolge.
Susanne:
[00:21:14] Man muss erst mal was neu lernen. Weil ich habe es immer auf Weise XY gemacht und jetzt kommt einer und sagt, das geht aber besser. Ja, aber ich bin ja Profi in meiner Art und Weise.
Lisa:
[00:21:25] Absolut.
Susanne:
[00:21:26] Also gerade, wenn ich mir vorstelle, ich bin... Also nehmen wir mein Alter, ich bin jetzt so 46, da habe ich vielleicht 20-jährige Berufserfahrung als Schwester vielleicht sogar schon länger, weil ich ja dann eine Lehre gemacht habe und habe das über 20 Jahre auf eine gewisse Art und Weise gemacht. Jetzt kommst du und sagst, mach es digital.
Lisa:
[00:21:45] Ja, also es ist auf jeden Fall eine große Herausforderung. Ich würde sagen, in unterschiedlichem Maß. Es gibt Menschen, die sich damit leichter tun und es gibt Menschen, die sich damit nicht so leicht tun. Das hängt manchmal vom Alter ab, aber ich würde es gar nicht unbedingt nur aufs Alter schieben.
Susanne:
[00:22:01] Nee, ich meinte ja auch nicht mein Alter, ich meinte meine Erfahrung.
Lisa:
[00:22:03] Genau, auf jeden Fall, habe ich auch nicht so verstanden. Aber insgesamt, weil wir am Anfang auch gesagt haben, naja, bestimmt haben da die Älteren einfach mehr Probleme. Das würde ich inzwischen gar nicht mehr so unterschreiben. Das hängt auch immer ein bisschen einfach von ab, wie offen ist man dem Ganzen gegenüber? Was hat man vielleicht auch sonst so für Ängste, Unsicherheiten in dem Jobthema gerade oder quasi mit dem Thema Digitalisierung. Da gibt es ja auch einfach in allen Altersgruppen Menschen, die sagen, ach, ich finde es total spannend und andere, die sagen, nee, das ist mir alles irgendwie unheimlich und irgendwie weiß ich nicht so ganz. Und dann kommt es natürlich sehr viel darauf an, den Mitarbeitenden da die nötige Sicherheit zu geben. Also zu sagen, ihr seid damit nicht irgendwie alleingelassen. Wir schmeißen euch da nicht irgendeine Software hin und dann müsst ihr es halt können, sondern es wird begleitet und ihr dürft auch üben. Ihr dürft Fehler machen am Anfang. Also ihr müsst nicht von vornherein im Echtsystem alles genauso eingeben, wie es eingegeben werden muss. Und wenn ihr einen Fehler macht, dann kriegt der Patient am Ende das falsche Medikament.
Susanne:
[00:23:07] Und das wäre ja gruselig.
Lisa:
[00:23:08] Genau. Deswegen wird da schon viel Wert darauf gelegt, dass man... Da legen wir auch viel Fokus drauf, dass man den Leuten genügend Spielraum gibt, damit sie die Systeme kennenlernen können. Wobei das nicht einfach ist, würde ich behaupten.
Susanne:
[00:23:25] Also da bin ich jetzt tatsächlich neugierig, weil das ist ja dann tatsächlich mein täglich Brot. Das klingt so alles sehr nach Change und Enablement, sagt man ja so schön im Neudeutsch. Das heißt also, da ist eine Veränderung. Das heißt, wir möchten die Menschen durch die Veränderung begleiten. Und wir möchten sie trainieren, enablen, ihnen, wie du ja schon so schön gesagt hast, Übungsräume geben, damit sie es dann am Ende, wenn es darauf ankommt, und das ist ja bei euch noch viel wichtiger als vielleicht in anderen Berufen, das dann auch wirklich können und tatsächlich auch umsetzen können. Wie macht ihr das? Also sind das die Themen, über die ihr auch sprecht? So Change, Enablement, Training, sind das die Sachen?
Lisa:
[00:24:02] Auf jeden Fall. Es ist ein Thema, wo ich sagen würde, da haben wir auch in den letzten Jahren viel gelernt. Also wir selber haben auch Change mitgemacht. Wir haben als eine Maßnahme Veränderungsbegleiter ausgebildet, wo wir gesagt haben, da geht es jetzt gar nicht so sehr um die Inhalte, sondern wirklich mehr um den Change-Gedanken, dass man die Leute besser mitnehmen kann, Ängste nehmen, auch ein paar Menschen eben so viel Hintergrund geben zu können, dass sie auch sagen können: Mensch, so schlimm ist es gar nicht. Und wir schauen uns das zusammen an und wir schaffen das und das wird gut. Weil es natürlich auch immer Leute gibt, die sich da sehr schwer tun.
Susanne:
[00:24:48] Das stimmt. Und diese Veränderungsbegleiter, die habt ihr dann darin ausgebildet habt, was konnten die alles? Also ich kenne so Konzepte von uns, wo wir tatsächlich sagen, die werden erstmal dahingehend ausgebildet, was Change eigentlich bedeutet. Also wo Menschen da durchgehen, da gibt es also verschiedene Modelle, über die man auch sprechen kann. Die Pinguine sind das bekannteste, ich weiß gar nicht, ob ihr das auch bei euch habt.
Lisa:
[00:25:10] Ja, von Kotter ist es, glaube ich.
Susanne:
[00:25:13] Ganz genau, siehst du, hast du es schon gelesen?
Lisa:
[00:25:15] Habe ich gelernt.
Susanne:
[00:25:17] Kotters Pinguine sind für euch auch bekannt mit den verschiedenen Stufen, durch die man im Change geht. Aber dann tatsächlich, das sind dann auch die Kollegen, die sich im System gut auskennen und die dann tatsächlich auch die Prozesse dahinter richtig gut vertreten können. Oder ist das eher nur so, dass ihr darauf guckt, dass ihr die weichen Faktoren habt?
Lisa:
[00:25:33] Es sind, würde ich sagen, der Fokus liegt auf den weichen Faktoren. Jetzt nicht, also die Frage hatten wir am Anfang ganz oft, und die Veränderungsbegleiter müssen keine Key-User für ein System sein, für eine Software. Also die müssen nicht das perfekte Wissen zu einer Software haben, sondern da geht es wirklich darum, dass sie, wie du gerade gesagt hast, so diesen Change-Prozess verstehen und dass sie auch wissen, worauf kann ich denn ein bisschen achten bei meinen Kollegen? Also das sind ja Leute, die wirklich auch einfach auf Station arbeiten und denen vielleicht eher mal auffällt, oh, da gibt es eine Kollegin, einen Kollegen, der vielleicht die ganze Zeit sich sehr skeptisch äußert gegenüber der neuen digitalen Patientenkurve, der immer sagt, ach, das ist doch totaler Blödsinn und wer braucht denn das überhaupt? Dass man gerade solche dann ein bisschen mitnehmen kann, das ein bisschen abfangen kann und sagen kann: Mensch, was genau ist denn das Thema bei dir da oder hast du da irgendwelche Bedenken oder...? Vielleicht kann man es ja zusammen angucken. Also da eher so das Emotionale auch vielleicht so ein bisschen mit abzufangen und gar nicht so sehr den Inhalt ganz genau zu kennen.
Susanne:
[00:26:42] Wenn ich mir das jetzt überlege, wenn wir gerade so in einem großen Industrieunternehmen oder sowas sind, dann ist es manchmal schwer, tatsächlich Veränderungsbegleiter zu finden. Kann ich mir vorstellen, im Krankenhaus, wo sowieso Menschen sind, die sich umeinander kümmern, ist das leicht? Also war das einfach, die zu finden? Ist euch das wirklich leicht gefallen?
Lisa:
[00:27:00] Ja, ich würde sagen, da haben sich auf jeden Fall einige Menschen, ich meine, es waren am Anfang knapp 40 Leute, glaube ich, die sich da gemeldet haben, über alle Standorte hinweg. Wir haben jetzt zuletzt sogar, ich meine, irgendwann im Sommer haben wir sogar noch mal ein paar nachqualifizieren können, weil sich noch mal ein paar gemeldet hatten im Nachgang. Also da ist schon eine Bereitschaft da, wie du sagst, vielleicht auch einfach aus diesem Helfenden heraus. Und ich glaube auch einfach, weil es schon auch... Es gibt genug Leute, die, glaube ich, neugierig sind und die sagen, eigentlich finde ich es gut, auch mehr Informationen zu bekommen. Damit wurde auch geworben, dass die Veränderungsbegleiter natürlich immer ein bisschen früher ins Boot geholt werden, dass sie gewisse Infos früher bekommen, damit sie dann eben auch ihre Kollegen bestimmt abholen können.
Susanne:
[00:27:50] Das sind dann quasi die neugierigen Menschen. Wie habt ihr die geschult? Ich habe mal gehört, ihr habt Kollegen von uns dabei gehabt, die euch geholfen haben.
Lisa:
[00:27:59] Wir haben die auch mit Unterstützung der tts geschult. Und ja, würde ich sagen, auch sehr erfolgreich. Also die treffen sich auch weiterhin regelmäßig, die Veränderungsbegleiter. Und ja, ich weiß es, weil aus meiner Abteilung auch einer dabei ist und deswegen kriege ich das immer noch so ein bisschen mit und durfte jetzt auch bei der Qualifikation der neuen Veränderungsbegleiter dabei sein im Sommer. Genau, da geht es zum einen eben, wie du gesagt hast, um den Change-Prozess an sich, um Kotter, um so dieses, was macht das alles aus, um was geht es da? Und zum anderen geht es dann darum, dass die ein Bild bekommen, was tun wir gerade im Hintergrund alles, weil das ja oft Sachen sind, die jetzt bei den Menschen auf Station gar nicht so präsent sind und auch nicht präsent sein können, weil sie eben im Hintergrund passieren, wenn es um neue Software geht und sowas, dass die da so einen Einblick bekommen.
Susanne:
[00:28:49] Das finde ich total spannend, wie ihr das umsetzt, dass es also tatsächlich nicht eine Rolle ist, die nur da ist, wenn jetzt gerade der Rollout läuft, sondern die halt kontinuierlich euch auch hilft, diese Brückenfunktion, die du vorhin genannt hast, auch mit zu erfüllen. Also da tatsächlich dann auch immer so aus dem Bereich heraus zu hören, was gibt es da vielleicht für Themen, aber dass sie auch frühzeitig Sachen abfangen können. Also man kennt das ja gerade jetzt, also ich könnte es mir vorstellen, so im Zeitalter der Digitalisierung, dass man immer denkt: Ja warum wir denn noch nicht? Überall zu Hause erlebe ich, dass das da jetzt tausend Sachen sind, warum machen die das bei uns nicht so? Und dann weiß der Veränderungsbegleiter schon, machen sie schon, dauert halt einen Moment, da kommt aber noch was.
Lisa:
[00:29:32] Genau, ja. Oder eben manchmal auch, warum gewisse Dinge nicht so schnell funktionieren, weil es dann eben für Kliniken doch noch andere Gesetzesgrundlagen als für Privatpersonen gibt zum Beispiel.
Susanne:
[00:29:44] Man möchte ja auch nicht jeden Versuch am Patienten haben, oder?
Lisa:
[00:29:47] Genau, glaube ich auch. Ja, also...
Susanne:
[00:29:51] Spannend. Jetzt hast du vorhin einen Satz noch mitgesagt, so nebenbei. Da hast du gesagt, also wir haben die Veränderungsbegleiter. Die Veränderungsbegleiter sind aber keine Key-User. Das heißt, ihr habt auch Key-User, habt ihr auch Trainer? Das heißt, welche Rollen unterstützen euch denn sonst noch so in eurer Brückenfunktion?
Lisa:
[00:30:08] Also gerade da ist, denke ich, auch das Beispiel digitale Patientenkurve wieder ein ganz gutes. Es wurden Key-User und Multiplikatoren ausgebildet. Also Leute, Key-User, die sich wirklich sehr gut mit dem Thema Patientenkurve auskennen, die auch schon weit vorne mit dabei waren bei der Konfiguration sozusagen. Und dann wurden von diesen Key-Usern eben Multiplikatoren ausgebildet, weil es fast unmöglich ist, wirklich alle, alle, alle Mitarbeitenden, das sind bei uns, also insgesamt im Unternehmen 3600, wie viele es jetzt auf den Stationen sind, kann ich nicht genau sagen, aber auf jeden Fall einige. Und gerade noch mit dem Schichtdienst ist es gar nicht so einfach, immer alle dann wirklich auch in Präsenz zu Schulungen zu bringen. Und da haben wir eben auch gesagt, über das Multiplikatoren-System gibt es dann auch die Möglichkeit, dass die wieder ihr Wissen an ihre Kollegen weitergeben.
Susanne:
[00:31:04] Okay. Spielt bei euch dann digitales Lernen auch schon eine Rolle? Also in Unternehmen können wir viel LMS und LXPs, die da tatsächlich verwendet werden, damit jetzt meinetwegen, wenn jemand in der Nachtschicht sitzt und dann, ich stelle mir das jetzt so ein bisschen naiv vielleicht vor, dass ich sage, der hat dann vielleicht auch nicht immer einen Notfall und manchmal dann vielleicht doch auch ein bisschen Zeit und könnte dann lernen. Funktioniert sowas bei euch? Oder ist das eine naive Vorstellung von mir?
Lisa:
[00:31:29] Da will ich jetzt nicht für alle Nachtdienstkräfte sprechen. Ich kann mir vorstellen, dass es mal die Situation gibt. Ich glaube, die Regel ist es jetzt nicht, dass sie Zeit haben, aber sicher ist es da vielleicht manchmal ruhiger als jetzt in manchen Tagschichten. Ja, wir haben ein LMS, das auch gut genutzt wird, für Pflichtschulungen sowieso schon und es gibt auch einige andere Angebote dort. Und wir haben jetzt zum Beispiel für die digitale Patientenkurve, aber auch schon für andere Software auch so kleine, ja wir haben gesagt Learning Nuggets quasi erstellt und haben eben so kleine Videos gedreht, wo wir gesagt haben, okay, wie setze ich denn ein Medikament an, wie setze ich ein Medikament ab, wie trage ich einen Vitalparameter ein und so weiter. Also wirklich so kleine Häppchen, damit die Leute sich eben auch mal kurz nur einen Schritt anschauen können und nicht ein Ein-Stunden-Video angucken müssen, im Zweifelsfall. Und das wird auch auf unserem LMS mit abgebildet.
Susanne:
[00:32:34] Ja, ich denke gerade, wenn man so, also das ist ja in vielen Betrieben auch, wo Schichtdienste geschoben werden: Ich glaube, da ist es wichtig, dass Lernen halt wirklich in Häppchen auch zur Verfügung gestellt werden kann und das dann aber eben auch in Kombination mit diesem Multiplikatorenkonzept, was ihr da habt. Also das eine sind ja vielleicht die Häppchen, die man sich anguckt, aber... Weiß nicht, wie es bei dir ist. Also bei mir funktioniert Lernen dadurch, dass ich es dann mache, dass es vielleicht doch auch mal schwierig wird oder dass ich mit jemandem zumindest drüber reden kann, was ich da gerade gelernt habe. Du hast vorhin etwas erwähnt, da hast du gesagt, wir geben den Menschen auch Raum fürs Üben. Macht ihr das dann auch über das LMS oder macht ihr das in so kleinen Workshops oder wie muss ich mir das vorstellen?
Lisa:
[00:33:18] Also das haben wir jetzt vor allem bei der Patientenkurve über ein Testsystem gemacht. Also wir haben unser gesamtes Krankenhausinformationssystem einmal in einer Testumgebung. Und in dieser Testumgebung kann man sozusagen nichts anstellen. Also da kann ich jetzt keinem Patienten irgendwas verabreichen oder irgendwie was ansetzen, sondern habe ich einfach nur Übungspatienten. Also das sieht genauso aus wie das Echtsystem, Aber da kann man eben schon mal immer vorab auch eine Neuerung einstellen und sagen, jemand kann das jetzt schon mal ausprobieren. Man muss die Leute dann freischalten dafür. Und dann konnten die in der Patientenkurve zum Beispiel sagen, okay, jetzt üben wir hier mal ein bisschen und ich gucke mal, ob ich das alles verstehe mit ansetzen, absetzen, abzeichnen und so weiter. Und da haben wir einen Zeitraum gegeben, wo die Leute das erst mal in diesem Testsystem gemacht haben, bevor es dann in die Echtumgebung ging.
Susanne:
[00:34:14] Und die Zeit dafür haben die Kollegen sich dann, so wie ich es gerade gesagt habe, genommen, wenn sie Pausen hatten oder plant ihr das dann in den Schichten direkt ein?
Lisa:
[00:34:22] Nee, das war schon eher die Eigenverantwortung, dass die Leute das tun. Und ich glaube, das wurde auch unterschiedlich genutzt. Also ich glaube, da gab es Menschen, die das mehr gemacht haben und da gab es auch einige, die es weniger gemacht haben. Und das hat man dann nachher auch gemerkt, weil natürlich gab es trotzdem immer mal noch Dinge, wo manche Stationen dann gesagt haben, ach Mensch, jetzt fehlt uns aber doch der und der Punkt noch. Und da ist dann zum Beispiel aufgefallen, okay, wahrscheinlich wurde da vielleicht nicht so viel das Testsystem benutzt, Weil dann wäre das ja schon aufgefallen, dann hätte man es vorab noch ändern können. Es ist aber erst später aufgefallen. Also da kann man jetzt auch nicht sicherstellen, dass es jeder ganz sicher tut, sondern es ist schon auch eine Eigenverantwortung, es zu tun.
Susanne:
[00:35:02] Wie geht ihr denn damit um, wenn jetzt, also wenn jemand sich das nicht angeguckt hat, sondern dann tatsächlich so, sag mal, Operation am offenen Herzen, oh Gott, wie mache ich das jetzt? Also ihr habt ja keine offenen Herzen oder wenn doch, dann werdet ihr sicherlich andere Varianten finden. Wenn wir in der Industrie sind, dann würden wir da tatsächlich dann sowas sagen wie, hey, dafür gibt es ja User Adoption oder Performance Support Systeme, die da unterstützen mit schnellen kleinen Hilfen und wo man mal eine kleine Anwendungshilfe bekommt. Habt ihr sowas auch? Also gibt es das auch in der Medizin?
Lisa:
[00:35:37] So was wünschen wir uns. Ganz arg. So was haben wir bisher nicht. Also das Einzige, was wir eben bisher wirklich nutzen können, ist dieses LMS, also unser Learning Management System, wo wir Videos zur Verfügung stellen können. Ich muss aber sagen, der Weg für die Mitarbeitenden dahin ist jetzt nicht super komfortabel. Also es ist jetzt nicht so, dass man sagt, ah, jetzt habe ich hier kurz eine Frage zu dem Schritt, jetzt gucke ich mir das schnell an, sondern ich brauche dann schon eine gewisse Zeit, um mich da einzuloggen, dann den Bereich zu finden, wo die Videos hinterlegt sind. Das würde ich sagen, ist schon mal die erste Hemmschwelle auch nochmal. Also da weiß ich auch, dass es bessere Systeme gibt, um diese User Adoption hinzubekommen und gerade dieses, hast du vorhin auch gesagt, dieses Unterstützen im Moment, wenn man es dann schon tut. Weil, also so würde ich es auch sehen, klar kann man über Präsenzschulungen und über Multiplikatoren-Systeme kann man die Leute schulen, aber ich würde auch unterschreiben, das richtige Lernen, wie man was tut, passiert dann, während man es auch selbst tut und merkt, okay, ich muss jetzt da klicken oder nee, muss ich doch woanders klicken. Da die Hilfen anzubieten, das wäre unser Ziel. Dass wir das irgendwann tun können. Also, dass wir auch die Inhalte da zur Verfügung stellen können.
Susanne:
[00:36:57] Weil da gibt es ja tolle Systeme. Also ich rede dann immer so aus dem, was ich so von uns auch kenne. Aber tatsächlich, wo man sagen kann, dass man ohne großartige Lock-ins einfach, wenn ich Anwender bin oder wenn es ein System ist, was quasi innerhalb eurer Klinik ist, dass man dann tatsächlich da einfach ein Suchwort eingibt, ein Schlagwort eingibt und die Sachen findet. Oder, ich weiß, wenn jetzt unsere Kollegen, da werden wir das auch verwenden, die sagen, es gibt Business Guidance, wo man Entscheidungsbäume bauen kann, wo man tatsächlich sagen kann, wenn ich jetzt das gemacht habe und das gemacht habe und das, was ist denn dann der nächste Schritt, dass ich dann da tatsächlich mit durchgehen kann. Ich glaube, da gibt es allerlei Sachen, da werde ich die Kollegen mal fragen, die wir in die Shownotes packen können. Dann kann man dazu... Vielleicht auch für dich hilfreich!
Lisa:
[00:37:37] Ja, sehr gerne. Ja, also das wäre unser Ziel, dass wir da auch irgendwann hinkommen. Und gerade unser jetziges LMS bildet das auf jeden Fall nicht ab.
Susanne:
[00:37:48] Okay. Das heißt, es ist schon so ein bisschen so, dass ihr an vielen Stellen aktiv seid. Also ihr seid die Übersetzer, die quasi einerseits vom Entwickler herkommend sagen, so und so braucht es ein Krankenhaus, so und so braucht es eine Abteilung XY. Dann seid ihr diejenigen, die die Menschen gestellt haben, die überhaupt diesen Wandel mit anstoßen oder begleiten, der ja mit den ganzen Digitalisierungen kommt. Und ihr seid gleichzeitig auch diejenigen, die sich darum kümmern, dass Menschen das Ganze lernen können über ein Multiplikatorenkonzept, über ein LMS. Habe ich irgendwas vergessen? Tue ich euch Unrecht? Gibt es noch mehr?
Lisa:
[00:38:24] Es gibt noch einen Punkt, der mit in unserem Namen steckt und der gerade immer noch zu kurz kommt und zwar der Innovationspunkt. Also wir sind in der Theorie schon auch die Abteilung, die sich mit innovativen Technologien für Krankenhäuser beschäftigen darf. Das ist, glaube ich, ein ganz wichtiger Punkt, der in Zukunft, so unsere Vision, auch noch mehr Gewicht bekommen wird. Und wir tun das jetzt schon, indem wir auf Messen gehen und uns auch immer wieder bestimmte Angebote vorstellen lassen und sagen, Mensch, was wäre da interessant, wenn es um KI geht, wenn es um Robotik geht, egal um was, dass wir uns die Themen anschauen können und perspektivisch dann eben auch mal ausprobieren können.
Susanne:
[00:39:09] Spannend.
Lisa:
[00:39:10] Genau, also das gehört auch noch ein bisschen zu uns. Und zu den anderen Punkten würde ich sagen, da sind wir überall dabei. Wir sind aber immer in der Zusammenarbeit natürlich mit Abteilungen. Also wenn es zum Beispiel um die Lerninhalte geht, dann sind wir mit unserer Akademie in Zusammenarbeit. Wenn es um die Entwicklung geht, sind wir mit unserer IT in der Zusammenarbeit. Also wir sind ganz viel auch so die Schnittstelle, wo Fäden so zusammengehen. Genau, ja.
Susanne:
[00:39:35] Aber tatsächlich mit dem Fokus Digitales so ein bisschen. Okay, was ja total verrückt ist, weil die Zukunft ist digital, so ein bisschen. Ich glaube, es gibt relativ wenige Themen, wo man heute noch sagen kann, dass es dann nicht mehr digital.
Lisa:
[00:39:49] Ja, es sind sehr viele Themen.
Susanne:
[00:39:51] Ich wollte mal sagen, ich habe letztens gehört, etwas... Meine Schwiegermutter, die ist Ärztin, die hat mir erzählt, sie hat eine Sendung gesehen von so einem kleinen Roboter, der durch irgendwelche Stationen geht, glaube ich, das war dann so bei älteren Menschen im Pflegeheim. Und dann da tatsächlich die Menschen anspricht. Oder hast du mir das erzählt? Wer hat mir das erzählt?
Lisa:
[00:40:12] Es kann auch gut sein, dass ich es dir erzählt habe. Ich weiß auch von diesem Roboter, aber es kann auch sein, dass das jemand anderes erzählt hat. Das kommt immer mehr, dass Robotik eingesetzt wird und dann muss man sich überlegen, inwieweit man das kann und will und wo das auch geht. Da gibt es in der Psychiatrie sicher auch Felder, wo das gut geht und Felder, wo ich es überhaupt nicht empfehlen würde. Weil es bei manchen Diagnosen auch gar nicht so hilfreich ist, wenn da noch ein Roboter rumläuft, glaube ich.
Susanne:
[00:40:41] Ich glaube, da ging es auch nicht um psychische Erkrankung.
Lisa:
[00:40:45] Aber genau, da entwickelt sich einfach alles sehr, sehr schnell gerade.
Susanne:
[00:40:50] Spannend. Ein spannendes, spannendes Feld. Aber tatsächlich, euer Thema an sich sind ja dann doch auch noch die Menschen. Das heißt, Krankenhäuser haben das Hauptthema. Ihr seid die Abteilung, die dafür guckt, dass der Hintergrund gut läuft, dass die Begleitung gut läuft, dass da die Brücke geschlagen ist. Sehr schön. Du machst mich neugierig. Du machst mich neugierig auf Arbeitswelt. Ich weiß, einige Kollegen von uns unterstützen euch dort auch immer wieder. Das finde ich ein extrem spannendes Feld, da zu gucken, was Menschen im medizinischen Bereich, im Gesundheitswesen einfach lernen müssen, vor welchen Herausforderungen sie stehen. Das Jahresende steht bald an. Welchen Wunsch hättest du denn für 2026 für euch als A-I-D, wenn du einen haben könntest, wenn du jetzt die Weihnachtsfee fragen kannst.
Lisa:
[00:41:40] Oh, da erwischst du mich jetzt. Ja, ich habe noch keinen Wunschzettel geschrieben. Lass mich kurz überlegen. Ich glaube... Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Raum noch für den innovativen Part bekommen können. Also wir sind gerade sehr viel in den Pflichtthemen, sage ich jetzt mal. Nicht, dass die alle ganz blöd wären, das will ich damit nicht sagen, aber so, dass wir mehr Raum haben für die Innovationsgedanken, die definitiv da sind, also die es schon gibt, aber wo gerade einfach die Ressource fehlt, sich damit schon ganz viel zu beschäftigen, sondern es wird immer eher so angerissen.
Susanne:
[00:42:22] Spannend. Und dann bin ich gespannt, dann hoffe ich mal, dass wir uns vielleicht in 2026 oder so nochmal hören, vielleicht dann auch wieder im November, um dann zu gucken, ist denn dein Wunsch in Erfüllung gegangen?
Lisa:
[00:42:33] Bin ich auch gespannt, ja.
Susanne:
[00:42:35] Und was für Themen sind da vielleicht noch gekommen oder sind die kleinen Hilfen gekommen, die euch tatsächlich im Arbeitskontext direkt helfen können? Dann würde ich denken, hast du noch eine Frage an mich? Oder... glaube ich, haben wir unser Thema heute schön rund erzählt.
Lisa:
[00:42:51] Für mich fühlt es sich, glaube ich, gut an, rund an. Ich hoffe, ich konnte so ein bisschen einen Einblick geben, mit was für Themen wir uns im Gesundheitswesen, speziell jetzt im psychiatrischen, psychosomatischen Sucht- und so weiter Kontext, so befassen dürfen und müssen. Genau.
Susanne:
[00:43:08] Und ich finde es so spannend, weil du für mich jetzt Begriffe, die man so aus den Nachrichten kennt, sowas wie das Krankenhaus-Zukunftsgesetz, KISS habe ich noch gar nicht gehört gehabt, aber diese Sachen für mich ein bisschen anfassbar gemacht hast. Und deswegen sage ich ein ganz, ganz dickes Danke an dich, liebe Lisa, dass du dir Zeit für mich genommen hast, dass wir gemeinsam mal über die Lernherausforderungen von euch sprechen können und die Digitalisierungsherausforderungen. Und von daher würde ich alle anderen verweisen auf die Shownotes. Lisa und ich hören uns das, was wir besprochen haben, bestimmt nochmal an und packen da ganz viele Sachen rein, damit ihr dann noch ein bisschen tiefer graben könnt, wenn ihr noch mehr wissen wollt. Ich sage Dankeschön.
Lisa:
[00:43:46] Ich sage, sehr gerne! Und danke auch für die Einladung!
Susanne:
[00:43:52] Übrigens, habt ihr uns schon abonniert? Das geht überall dort, wo ihr eure Podcasts am liebsten hört. Wir freuen uns auf euer Feedback und vor allem auf den Austausch mit euch. Wie ihr uns erreicht? Ihr könnt uns auf Podigy schreiben oder ihr folgt dem Lernlust-Podcast auf Mastodon. Es gibt uns auch als echte Person auf Mastodon oder LinkedIn. Sagt uns also, was euch gut an unseren Podcasts gefällt und wo wir noch besser werden können. Bis dahin freue ich mich auf euch bei der nächsten Folge des Lernlust-Podcasts.
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