HR-Transformation – so gelingt es
Die Digitalisierung verändert das HR-Management grundlegend, indem sie mehr Dynamik, Employee Experience und Effizienz ermöglicht. Das traditionelle Drei-Säulen-Modell von Dave Ulrich wird zunehmend als zu starr angesehen – gefordert sind neue, flexible Ansätze, die auf die spezifischen Bedürfnisse jedes Unternehmens zugeschnitten sind. Der Artikel beschreibt einen mehrstufigen Transformationsprozess, bei dem zunächst alte Denkmuster aufgebrochen werden müssen, bevor die richtige Balance zwischen Effizienz, Agilität und Employee Experience gefunden werden kann. Das Ziel ist die Entwicklung eines zukunftsfähigen HR-Modells, das kontinuierlich weiterentwickelt wird und stabile Betriebsabläufe sicherstellt.
Das Drei-Säulen-Modell von Dave Ulrich
• In den Centers of Expertise ist das Expertenwissen gebündelt.
• Die Business Partner Organisation unterstützt und berät Führungskräfte.
• Die Shared Services Organisation kümmert sich um die administrative Abwicklung.
Alles hat seine Zeit. Auch das Drei-Säulen-Modell von Dave Ulrich hatte seine Zeit. Über viele Jahrzehnte war es die Blaupause für die Organisation von HR schlechthin. Doch im Zuge der Digitalisierung treten die Grenzen des Modells immer mehr zu Tage: zu eng und starr, zu arbeitsteilig, zu sehr auf Effizienz getrimmt. Digitalisierung kann eben mehr als nur Prozesse automatisieren. Sie hat das Zeug, neben Effizienz auch Agilität und Employee Experience im Unternehmen auf ein neues Level zu heben.
Damit dies gelingt, braucht es neue Ansätze. Sicher ist: Ein HR-Geschäftsmodell, das allen Unternehmen gleichermaßen gerecht wird, gibt es nicht. Die gute Nachricht lautet jedoch: Für jedes Unternehmen lässt sich ein HR-Modell entwickeln, das perfekt zur Organisation passt. Die Reise dorthin gelingt am besten etappenweise.
Etappe 1: Raus aus der Box
Auf was kommt es bei der Neugestaltung von HR an? Zuallererst sollten sich HR-Verantwortliche von alten Denkmustern befreien. Dave Ulrich sagt selbst: Neue Zeiten verlangen neue Modelle. Um sich vom Status Quo zu lösen, hilft folgendes Gedankenexperiment: Man entwirft ein HR-Geschäftsmodell, das statt auf Effizienz voll und ganz auf Employee Experience oder Agilität ausgerichtet ist. Zur Darstellung dieser Extremszenarien ist es wichtig, die Komponenten eines jeden Geschäftsmodells klar vor Augen zu haben.
- HR Positionierung
- HR Governance
- HR Organisation und Rollen
- HR Portfolio und Prozesse
- HR Wissen, Kompetenzen und Einstellungen
- HR Kapazitäten
- HR IT
Etappe 2: Spannungsfelder erkennen
Die folgende Tabelle skizziert die drei Extremszenarien – mit Augenzwinkern. Jede Spalte für sich zeigt, welche Charakteristika die einzelnen Szenarien prägen.
Ein auf Effizienz optimiertes Lean HR ist eher straff organisiert und die Mitarbeitenden agieren innerhalb eines festen Rahmens, während die auf Experience zugespitzte my HR-Variante Freiheitsgrade zulässt und konfigurierbar ist. Das agile Szenario Agile HR wiederum ist ganz auf Dynamik und Veränderung ausgelegt.
Anhand der Tabelle erkennen HR-Verantwortliche, welche dieser Spielarten dem eigenen Unternehmen neue Möglichkeiten eröffnet – und welche Charakteristika womöglich gar nicht zur DNA des Unternehmens passen. So gesehen bietet die Methode eine Kompassfunktion und zeigt an, in welche Richtung die Entwicklung gehen sollte.
Etappe 3: Das Target Operating Modell gewinnt Konturen
Das Spotify-Modell
Ausgehend von diesen Überlegungen wird schnell klar, dass die oben skizzierten Extremszenarien nur selten als Blaupause taugen. Eine Ausnahme ist beispielsweise Spotify, das als Unternehmen die reine Form des Agile HR verkörpert. Mischformen dagegen bilden die Realität in Unternehmen zumeist besser ab.
Denkbar wäre etwa eine Kombination aus Lean HR und my HR. Realisierbar ist dieses Modell in Unternehmen, die nach dem Prinzip der „Mass customization“ Produkte und Dienstleistungen personalisierbar anbieten.
Eine nützliche Variante wäre auch eine beidhändige („ambidextre“) Lösung mit Lean HR und Agile HR. Je nach Zweck werden Merkmale des einen oder des anderen Modells benötigt. So ist für das operative Geschäft, zum Beispiel für den Prozess der Gehaltsabrechnung, eher die Lean-Variante vorteilhaft. Geht es hingegen darum, die Transformation voranzutreiben, sollte HR vorzugsweise auf die Prinzipien von Agile HR ausgerichtet sein.
Wie sieht es nun also aus, das HR-Modell der Zukunft? Angesichts der oben beschriebenen Komplexität ist das keine triviale Aufgabe. Versuchen wir es mit einer Annäherung.
Target Operating Modell für die digitale Ära
Kernelement eines solchen Modells ist das Unendlichkeitszeichen. Es steht symbolhaft für eine kontinuierliche Entwicklung, die immer weiter geht und nie stehen bleibt. Schon der Gang in die Cloud trägt zu ständigen Prozessinnovationen bei. Zwar nimmt für die meisten Unternehmen der Employee Lifecycle die zentrale Rolle ein. Gleichwohl erleben Aspekte wie Workforce Transformation und Organisationsentwicklung eine Renaissance und sind deshalb in einem solchen Modell tragende Elemente.
Immer wichtiger werden so genannte Fluid Solution Teams. Aufgrund ihrer interdisziplinären Zusammensetzung verkörpern sie unterschiedliche fachliche Expertisen und Erfahrungen. So sind sie in der Lage, zu besseren HR-Lösungen zu gelangen als Teams, die in Experten-Silos agieren.
Etappe 4: Mit der richtigen Transformationsstrategie Kurs halten
Ob agil, effizient oder erlebnisorientiert – letztlich führen verschiedene Wege zum Ziel. Dabei können sich die Elemente des neuen Target Operating Models und die Transformationsstrategie ähneln: Soll HR künftig etwa agiler aufgestellt sein, empfiehlt sich auch ein agiles Vorgehen. Warum also nicht bei der Optimierung des Recruiting-Prozesses zunächst regional auf einzelne Zielgruppen fokussieren und die Lessons Learned dann wiederum in den nächsten Schritten berücksichtigen? Ein solches Vorgehen bringt vergleichsweise schnell Ergebnisse und sichert den Kurs. Stehen das Target Operating Model und die Vorgehensweise erst einmal fest, ist es bis zum ersehnten Prototyp nur noch ein Katzensprung.
Doch wie auch immer das Target Operating Model am Ende aussehen wird, eines sollten alle Transformationsstrategien gemeinsam haben: Den Fokus auf einen stabilen Betrieb. Denn was nützen einem agile Leuchtturmprojekte, wenn die Personaldaten fehlerhaft sind oder die Abrechnung nicht funktioniert? Am Ende gilt also: „Erst die saubere personalwirtschaftliche Pflicht ermöglicht eine agile Kür“.